Angioödeme mit unbekannter Ursache richtig behandeln

Maria Fett

Rund 28 000 Angioödeme pro Jahr werden hierzulande durch ACE-Hemmer verursacht. Rund 28 000 Angioödeme pro Jahr werden hierzulande durch ACE-Hemmer verursacht. © Foto: Science Photo Library/Clinical Photography

Das wichtigste Unterscheidungsmerkmal zwischen bradykinin- und mastzellvermittelten Angioödemen sind Juckreiz und Urtikaria. Fehlen beide Symptome, ist vermutlich Bradykinin im Spiel. In der Akutsituation hilft das allerdings nicht sicher weiter.

Durch Bradykinin vermittelte Angioödeme gehen auf erhöhte Spiegel des Peptidhormons im Blutplasma zurück. Die Folge: Die Vasopermeabilität steigt und es sammelt sich Flüssigkeit im Gewebe an. Zu den häufigsten Ursachen gehören Medikamente, die den Abbau des Hormons hemmen – allen voran ACE-Hemmer. Die Inzidenz der durch sie ausgelösten Angioödeme beträgt 0,1–0,7 %, berichtete Professor Dr. Jens Greve vom Universitätsklinikum Ulm. Das hört sich im ersten Moment zwar nach wenig an. Bedenkt man allerdings die rund sieben Millionen Patienten – immerhin 8 % der Bevölkerung –, die hierzulande diese Medikamente nehmen, ergeben sich bei einer mittleren Inzidenz von 0,4 % ca. 28 000 Angioödeme pro Jahr.

Klinische Unterschiede der Angioödeme
Merkmal
mastzellvermittelt
bradykininvermittelt
Juckreiz? Urtikaria?meist jai.d.R. nein
2–3 Tage vorher Erythema marginatum
auslösende MedikamenteAntibiotika, NSARACE-Hemmer, Sartane, Gliptine
Verlauf
  • rasche Entwicklung
  • 1–2 Tage andauernd
  • langsame Entwicklung
  • 3–5 Tage andauernd
Therapie

Ansprechen auf

  • Adrenalin
  • Antihistaminika
  • Glukokortikoide

Ansprechen au

  • C1-Esteraseinhibitor-Konzentrat
  • Bradykininrezeptorantagonisten
nach Dr. Mathias Sulk, Universitätsklinikum Münster

„Das ist dann schon viel“, befand der HNO-Arzt. In zwei Dritteln der Fälle entwickeln sich die Schwellungen innerhalb von drei Monaten nach Ersteinnahme der Blutdrucksenker. Deutlich seltener sind nach Erfahrung des Kollegen durch Angiotensinrezeptorblocker induzierte Angioödeme (s. Kasten unten).

Potenzielle Auslöser bradykininvermittelter Angioödeme

  • ACE-Inhibitoren (häufigste)
  • Angiotensinrezeptorblocker
  • Racecadotril
  • Gewebeplasminogenaktivatoren (v.a. bei gleichzeitiger Einnahme von ACE-Inhibitoren)
  • DPP-IV-Hemmer (v.a. bei gleichzeitiger Einnahme von ACE-Inhibitoren)
  • mTor-Hemmer (z.B. Sirolimus, Everolimus)

Vor der Infusion die Atemwege prüfen

Die aktuelle „Standardbehandlung“ besteht bei unbekannter Ursache zuallererst in der Sicherung der Atemwege, erklärte Prof. Greve. Anschließend sollte ein intravenöser Zugang gelegt werden. Gemäß eines am Ulmer Klinikum entwickelten Notfallalgorithmus werden folgende Medikamente verabreicht, die sich bei mastzellvermittelten Angioödemen bewährt haben:
  • 250–1000 mg Prednisolon i.v.
  • plus 4–8 mg Dimetinden i.v.
  • plus 50 mg Ranitidin i.v.
  • plus Epinephrin vernebelt
Idealerweise bekommen Betroffene diese Kombi bereits im Rettungswagen, sagte Prof. Greve. Lässt sich das Angioödem damit nicht kontrollieren, werden unter der Annahme eines bradykininvermittelten Angioödems C1-Esteraseinhibitor-Konzentrat (20 IE/kgKG i.v.) oder Icatibant (30 mg s.c.) verabreicht. Diese Substanzen sind bislang nur für das hereditäre Angioödem zugelassen, beim medikamenteninduzierten ist ihre Gabe off label.

Quelle: Hahn J et al. Med Klin Intensivmed Notfmed 2019; 114: 708-716; DOI: 10.1007/s00063-018-0483-1

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Rund 28 000 Angioödeme pro Jahr werden hierzulande durch ACE-Hemmer verursacht. Rund 28 000 Angioödeme pro Jahr werden hierzulande durch ACE-Hemmer verursacht. © Foto: Science Photo Library/Clinical Photography