Antidot verringert Hörverlust durch Cisplatin

Josef Gulden

Ein Hörverlust ist vor allem bei kleineren Kindern gravierend. Ein Hörverlust ist vor allem bei kleineren Kindern gravierend. © iStock.com/rabbitteam

Kinder mit Hepatoblastom haben eine gute Prognose, wenn sie rechtzeitig mit Cisplatin und Operation behandelt werden. Allerdings leidet das Innenohr häufig unter der Therapie. Ob sich ein Hörverlust mit Natriumthiosulfat verhindern oder reduzieren lässt, wurde in einer randomisierten Studie überprüft.

Das Hepatoblastom ist ein seltener primärer Lebertumor, der bei Kindern auftritt. Die Prognose hängt von α-Fetoprotein-Konzentrationen und einer etwaigen Metastasierung ab. Kinder mit Standardrisiko haben gute Aussichten, wenn sie mit Cisplatin-Chemotherapie und Operation behandelt werden. Das Zytostatikum weist allerdings erhebliche Ototoxizität auf, was vor allem bei kleineren Kindern schwerwiegende Konsequenzen hat. Bei ihnen kann die Sprach- und damit auch die spätere schulische Entwicklung beeinträchtigt werden.

In früheren Studien der International Liver Tumor Strategy Group (SIOPEL) hatten mehr als 60 % der entsprechend untersuchten Kinder einen permanenten Hörverlust bei hohen Frequenzen, der mindestens vom Brock-Grad 1 oder höher war.

Natriumthiosulfat-Gabe sechs Stunden nach Chemo

Präklinische und frühe klinische Untersuchungen lassen vermuten, dass Natriumthiosulfat einen otoprotektiven Effekt hat, wenn es zwischen vier und acht Stunden nach der Gabe von Cisplatin infundiert wird. Die onkologische Wirksamkeit von Cisplatin wird dabei nicht beeinträchtigt. In eine Phase-III-Studie der SIOPEL wurden deshalb 109 Patienten im Alter zwischen einem Monat und 18 Jahren eingeschlossen, die an einem Hepatoblastom mit Standardrisiko litten, d.h., bei ihnen waren höchstens drei Lebersektoren betroffen. Sie hatten keine Fernmetastasen und das α-Fetoprotein lag über 100 ng/ml.

Die Teilnehmer erhielten vier Zyklen Cisplatin (80 mg/m2), wurden dann operiert und bekamen daraufhin noch zwei weitere Zyklen der Chemotherapie. Die Hälfte der Patienten wurde außerdem randomisiert, sechs Stunden nach jeder Cisplatin-Gabe 20 mg/m2 Natriumthiosulfat über 15 Minuten infundiert zu erhalten.

Kein Einfluss auf das Überleben

Als sekundäre Endpunkte wurden auch die onkologischen Parameter betrachtet: Nach median 52 Monaten Nachbeobachtung unterschieden sich Natriumthiosulfat- und Kontrollarm weder beim progressionsfreien Überleben (Drei-Jahres-Raten 82 vs. 79 %) noch beim Gesamtüberleben (Drei-Jahres-Raten 98 vs. 92 %).

Onkologische Wirksamkeit der Chemo bleibt unberührt

Primärer Endpunkt war der Hörverlust. Zur Ermittlung wurde anhand der Reinton-Audiometrie die absolute Hörschwelle ermittelt und nach Brock-Graden (0–4) quantifiziert. Diese Messungen wurden im Alter von mindestens dreieinhalb Jahren vorgenommen und konnten bei 101 der Kinder durchgeführt werden. Das Ergebnis:
  • 18 von 55 Kindern (33 %) im Natriumthiosulfat-Arm erlitten einen Hörverlust von mindestens einem Brock-Grad
  • 29 von 46 Kindern (63 %) im Kontrollarm erlitten einen Hörverlust von mindestens einem Brock-Grad
  • Das relative Risiko wurde durch die Zugabe von Natriumthiosulfat um 48 % reduziert (RR 0,52; p = 0,002)
Die Zugabe von Natriumthiosulfat halbiert also bei Kindern mit Standardrisiko-Hepatoblastom den Hörverlust, der durch eine Cisplatin-Gabe verursacht wird, lautete die Schlussfolgerung der Wissenschaftler. Die onkologische Wirksamkeit der Chemotherapie bleibt laut den Experten mindestens erhalten.

Quelle: Brock PR et al. N Engl J Med 2018; 378: 2376-2385

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Ein Hörverlust ist vor allem bei kleineren Kindern gravierend. Ein Hörverlust ist vor allem bei kleineren Kindern gravierend. © iStock.com/rabbitteam