
Balanciertes Cannabisextrakt reduzierte Symptomlast stärker als konventionelle Analgetika

Seit 2017 dürfen Ärzt:innen Menschen mit schwerwiegenden Erkrankungen und bei fehlenden Therapiealternativen Cannabinoide – meist getrocknete Cannabisblüten, Extrakte oder einzelne Wirkstoffe – legal zulasten der gesetzlichen Krankenkassen verordnen. Die Datenlage speziell bei chemotherapieinduziertem neuropathischem Schmerz (CINP) ist allerdings dürftig. In der Studie OCEAN-R werteten Forschende retrospektive Daten des PraxisRegisters Schmerz (PRS) zur Wirksamkeit und Sicherheit eines balancierten THC/CBD-Cannabinoid-Extrakts (Avextra 10/10; je 10 mg/ml ∆9-trans-Tetrahydrocannabinol und Cannabidiol) bei Erkrankten mit CINP aus.
Die von PD Dr. Michael A. Überall vom IFNAP-Institut in Nürnberg und Dr. Gerhard H. H. Müller-Schwefe vom Schmerz- und Palliativzentrum Göppingen durchgeführte Untersuchung umfasst eine retrospektive Auswertung von Zwölf-Wochen-Routinedaten des PRS. Verglichen wurden jeweils 221 CINP-Betroffene, die unter Real-World-Bedingungen entweder mit nicht-cannabisbasierten Arzneimitteln (NCAM) oder dem Extrakt behandelt worden waren. Die Vergleichsgruppe hatte nieder- (9,0 %) bzw. hochpotente Opioide (41,2 %), Antidepressiva (14,9 %) und Antiepileptika (34,8 %) erhalten. Um die Vergleichbarkeit der Gruppen zu gewährleisten und Kausaleffekte im Real-World-Setting abschätzen zu können, wurde vorab ein Propensity-Score-Matching im Hinblick auf Alter, Geschlecht, Schmerzgrad und -dauer durchgeführt. Der primäre Studienendpunkt setzte sich aus Schmerzintensität, schmerzbedingten Alltagsbeeinträchtigungen, Schlafstörungen und Phänotyp jeweils zu Woche 12 im Vergleich zu Therapiebeginn (Baseline) zusammen. Hinzu kam das Fehlen eines nebenwirkungsbedingten Behandlungsabbruchs.
Bei ähnlicher Ausgangssituation verbesserten sich alle Einzelkomponenten des kombinierten Endpunkts. So ging die Schmerzintensität unter Cannabinoiden vs. NCAM um 17,5 ± 5,9 mm vs. 9,9 ± 7,7 mm auf der visuellen Analogskala (VAS) zurück (-38,3 ± 6,9 % vs. -21,8 ± 15,1 %; p < 0,001; Effektstärke (ES) 1,1). Die schmerzbedingten Alltagsbeeinträchtigungen verminderten sich um -30,5 ± 8,6 mm vs. 11,2 ± 10,1 mm VAS (-47,2 ± 2,7 % vs. -17,2 ± 15,1 %; p < 0,001; ES 2,1). Parallel konnten die Betroffenen unter der cannabisbasierten Therapie besser schlafen: Schlafstörungen gingen um -33,6 ± 10,6 mm vs. 13,5 ± 11,6 mm auf der VAS zurück (-53,8 ± 7,4 % vs. -22,0 ± 16,0 %; p < 0,001; ES 1,8). Ähnliches galt für das Kriterium Phänotyp (p < 0,001; ES 5,7).
86,9 % gegenüber 42,5 % der Behandelten zeigten unter der Prüfmedikation vs. NCAM ein Ansprechen in Bezug auf die Schmerzreduktion. 100 % vs. 27,6 % sprachen hinsichtlich der schmerzbedingten Alltagsbeeinträchtigungen an, 100 % vs. 50,2 % in Hinblick auf Schlafstörungen und 100 % vs. 62,9 % in Bezug auf den Phänotyp (jeweils p < 0,001). Zudem brachen deutlich weniger Erkrankte die Behandlung mit dem Cannabisextrakt nebenwirkungsbedingt ab (21 vs. 70 Patient:innen bzw. 9,5 % vs. 31,7 %; p < 0,001). Den primären Studienendpunkt erreichten letztlich verglichen mit NCAM signifikant mehr Betroffene (176 vs. 30 Personen bzw. 79,6 % vs. 13,6 %; p < 0,001).
Die beiden Autoren schließen aus der retrospektiven Analyse, dass das untersuchte balancierte THC/CBD-Extrakt unter Real-World-Bedingungen bei Erkrankten mit therapieschwierigen CINP-Verläufen signifikant besser verträglich war als konventionelle, in Leitlinien empfohlene Analgetika und Ko-Analgetika. Es wirkte darüber hinaus auch signifikant stärker.
Quelle: Überall MA, Müller-Schwefe GHH. Deutsche Schmerz- und Palliativtage 2025; Poster 9
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