Bei Halsschmerzen Antibiotika geben – ja oder nein?

Dr. Angelika Bischoff

Wann lohnt sich Antibiotika bei Halsschmerzen? Der McIsaac-Score und der Schnelltest helfen bei der Entscheidung. Wann lohnt sich Antibiotika bei Halsschmerzen? Der McIsaac-Score und der Schnelltest helfen bei der Entscheidung. © Art_Photo – stock.adobe.com

Antibiotika können die Halsschmerz-Dauer bei Streptokokken-Tonsillitis um rund 16 Stunden verkürzt. Trotz alter Datenlage bleibt die Therapie bei klarer Diagnose sinnvoll – nicht zur Komplikationsprävention, sondern zur schnelleren Erholung.

Halsschmerzen sind das führende Symptom einer Tonsillopharyngitis. In mindestens 80 % der Fälle sind diese Infektionen viral bedingt. Propagiert wird deshalb restriktives Verhalten im Antibiotikaeinsatz.

Wenn Bakterien die Verursacher einer akuten Tonsillopharyngitis sind, handelt es sich bei Kindern und Jugendlichen fast ausschließlich um Gruppe-A-Streptokokken (GAS). Kinder mit Streptokokken-Tonsillitis haben neben Halsschmerzen und Schluckbeschwerden häufig Fieber und sind in ihrem Allgemeinzustand beeinträchtigt, schreibt ein Team um Dr. Anna-Lena Sieg von der Kinderklinik und Poliklinik des Universitätsklinikums Würzburg . Die Tonsillen sind gerötet und verdickt. Oft sieht man auch weiße stippchenförmige Beläge darauf. Kommt ein makulopapulöses Exanthem hinzu, bezeichnet man die Erkrankung als Scharlach – bei plötzlichem Symptombeginn, hohem Fieber, Schüttelfrost und deutlicher allgemeiner Beeinträchtigung. Davon sollten leichtere scharlachähnliche Verlaufsformen abgegrenzt werden.

Eine virale Infektion ist von einer bakteriellen klinisch schwer zu unterscheiden. Für eine virale Genese spricht, wenn neben den Tonsillen auch die subglottische Region betroffen ist und wenn weitere Symptome wie Rhinitis, Heiserkeit, Husten und Konjunktivitis bestehen.

Klinische Scores helfen, eine virale von einer bakteriellen Genese abzugrenzen. Je mehr Punkte z. B. im McIsaac-Score zusammen kommen, desto wahrscheinlicher wird eine bakterielle Genese:

  • Körpertemperatur > 38 °C (1 Punkt)
  • kein Husten (1 Punkt)
  • schmerzhafte zervikale Lymphknotenschwellung (1 Punkt)
  • Tonsillenschwellung/Exsudat (1 Punkt)
  • Alter: 3.–14. Lebensjahr (1 Punkt)

Ein GAS-Schnelltest sollte nur durchgeführt werden, wenn der McIsaac-Score  ≥ 3–4 Punkte beträgt, also eine relativ hohe klinische Wahrscheinlichkeit für eine Streptokokkeninfektion besteht. Fällt der Schnelltest positiv aus, sollte eine antibiotische Therapie begonnen werden. Bei negativem Testergebnis kann auf die Antibiose verzichtet werden.

Die Evidenz für den Einsatz von Antibiotika bei akuter Tonsillopharyngitis steht auf relativ „alten“ Füßen. Sie lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Bei positivem GAS-Testresultat kann eine antibiotische Therapie die Dauer von Symptomen wie Halsschmerzen signifikant um etwa 16 Stunden abkürzen.

Zugang zu Gemeinschaftseinrichtungen kann Personen mit GAS-Infektion erst ab 24 Stunden nach Abklingen der Symptome gestattet werden. Durch eine Antibiose ist dieser Zustand somit schon früher zu erreichen.

Die Evidenz dafür, dass die Antibiose das Risiko für Folgeerkrankungen der GAS-Tonsillopharyngitis wie rheumatisches Fieber, Otitis media, Glomerulonephritis und Peritonsillarabszess verringert, stammt aus Studien vor 1975. Die Inzidenz solcher Komplikationen hat seitdem jedoch deutlich abgenommen, sodass die NNT (Number needed to treat) inzwischen deutlich gestiegen sein dürfte. Der Nutzen von Antibiotika zur Prävention von Komplikationen dürfte deshalb heute nur sehr gering sein.

Ob der Vorteil der kürzeren Symptomdauer die Nachteile von Antibiotika wie gastrointestinale Nebenwirkungen und Resistenzentwicklung auf- oder sogar überwiegt, muss im Einzelfall mit der bzw. dem Betroffenen besprochen werden.

Pro Antibiose plädiert das Autorenteam jedoch im Fall eines voll ausgeprägten Scharlach, bei Betroffenen mit einer bestätigten Streptokokken-Tonsillopharyngitis, die Risikofaktoren wie Immunsuppression oder Zustand nach rheumatischem Fieber aufweisen, oder die sich schwer krank fühlen.

Verschiedene Untersuchungen haben keine wesentlichen Unterschiede zwischen einer Antibiose über 10 Tage und einem verkürzten Regime über 5–7 Tage gefunden. Klinisch erholen sich Betroffene gleich schnell. Lediglich in der Eradikation der Erreger war die 10-tägige Therapie geringfügig besser.

Empfohlen wird deshalb eine Antibiose über 5–7 Tage mit Penicillin V oder Benzythin-Penicillin als Mittel der ersten Wahl oder Clarithromycin im Fall einer nachgewiesenen Penicillinallergie. Rezidiviert die Streptokokken-Tonsillopharyngitis, wird empfohlen, Penicillin V für 10 Tage einzusetzen oder alternativ Clindamycin für 7–10 Tage oder Cefadroxil für 5–7 Tage.

Bei Personen, die in Haushalten mit Erkrankten leben, kann sich ein GAS-Trägerstatus entwickeln, d. h. eine Streptokokken-Besiedelung ohne klinische Symptome. Dies stellt in der Regel keine Indikation für eine antibiotische Eradikation dar, da weder ein erhöhtes Risiko für ein Auftreten von Tonsillopharyngitiden noch ein bedeutsames Transmissionsrisiko besteht. Nur Trägerinnen und Träger mit hohem Risiko für ein rheumatisches Fieber sollten eine Eradikationstherapie erhalten – die sind allerdings in der Praxis nur selten zu sehen.

Quelle: Sieg A et al. internistische praxis 2025; 69: 30-43

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Wann lohnt sich Antibiotika bei Halsschmerzen? Der McIsaac-Score und der Schnelltest helfen bei der Entscheidung. Wann lohnt sich Antibiotika bei Halsschmerzen? Der McIsaac-Score und der Schnelltest helfen bei der Entscheidung. © Art_Photo – stock.adobe.com