
Bei Schwangeren ist das kardiovaskuläre Risiko erhöht

Jung, weiblich, gesund – da rechnet man kaum mit einem Herzinfarkt. Doch schwangere Frauen haben gegenüber gleichaltrigen Nicht-Schwangeren ein drei- bis vierfach erhöhtes Risiko dafür, berichtete Prof. Dr. Michael Becker von der Klinik für Kardiologie, Nephrologie und Internistische Intensivmedizin am Rhein-Maas Klinikum in Würselen. Spezifische Risikofaktoren sind höheres Alter der Frau, Präeklampsie, Eklampsie, Multiparität und postpartale Blutungen.
Ätiologisch stecken eher nicht-atherosklerotische Mechanismen hinter der Risikoerhöhung. Dazu gehören z. B . spontane Koronardissektionen, Thrombosen der Kranzgefäße bei schwangerschaftsbedingt erhöhter Hyperkoagulabilität oder Spasmen in angiografisch unauffälligen Gefäßen.
Umgekehrt hinterlassen bestimmte Komplikationen in der Schwangerschaft ihre Spuren bei den Frauen. In einer nationalen Kohortenstudie aus Schweden mit gut zwei Millionen Teilnehmerinnen wurden fünf Ereignisse erfasst:
- vorzeitige Entbindung
- zu kleine Neugeborene
- Präeklampsie
- andere hypertensive Krankheiten
- Gestationsdiabetes
Frauen, bei denen zumindest eines dieser Geschehnisse vorlag, wiesen noch 40 Jahre später eine erhöhte Mortalität auf. Die Forschenden ermittelten verschiedene Todesursachen, darunter kardiovaskuläre und respiratorische Erkrankungen oder Diabetes.
Generell ist etwa ein Viertel der Todesfälle von Schwangeren kardiovaskulär bedingt, wobei die Mortalitätsrate seit einigen Dekaden ansteigt. Das liegt zum einen daran, dass es immer mehr Erstgeburten bei älteren Frauen gibt, die naturgemäß mehr Risikofaktoren mitbringen, erklärte Prof. Dr. Marcus Fischer von der Klinik für Kardiologie, Angiologie, Pneumologie und internistische Intensivmedizin, Caritas-Krankenhaus St. Lukas in Kelheim. Zum anderen erreichen dank moderner Behandlungsmethoden immer mehr Frauen mit angeborenem Herzfehler das gebärfähige Alter. Und schließlich steigt die Inzidenz an erworbenen Herzerkrankungen wie Kardiomyopathien oder Klappenvitien.
Bei 5–17 % aller Schwangeren mit Vorerkrankungen am Herzen treten kardiovaskuläre Komplikationen auf. „Viele davon sind aber nicht schwerwiegend“, sagte Prof. Fischer. Trotzdem erleiden jährlich in Deutschland mehr als 30.000 vorbelastete werdende Mütter teilweise lebensbedrohliche Komplikationen. Etwa die Hälfte aller schwerwiegenden Ereignisse ließen sich einer prospektiven Untersuchung zufolge vermeiden. In der Hauptsache tragen angeborene Herzfehler zu den Zwischenfällen in der Gravidität bei. In Europa sind es in erster Linie Vorhofseptumdefekte.
Zu den allgemeinen Veränderungen in der Schwangerschaft, die Frau und Kind gefährden, gehören das Absinken des systemischen Gefäßwiderstands, der Anstieg des Herzzeitvolumens und Hyperkoagulabilität. Den Müttern drohen Herzinsuffizienz, Rhythmusstörungen und allgemein eine kardiovaskuläre Mortalität. Bei den Föten und Neugeborenen kann es zu Frühgeburtlichkeit, intrauteriner Wachstumsverzögerung und ebenfalls Tod kommen.
„Männer berichten, Frauen interpretieren“
Es gilt nicht nur in der Schwangerschaft: Auf Frauenherzen sollte man ganz besonders achten. „Unterschätzen Sie das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen bei ihnen nicht“, mahnte Prof. Becker. Es gilt, sich einiger geschlechtsspezifischer Besonderheiten bewusst zu sein. Im Allgemeinen sorgen sich Frauen mehr um ihren Körper, nehmen aber z. B. seltener Reha-Angebote an, meist aus Rücksicht auf ihren Partner. „Man sieht schon in den Gesichtern der männlichen Begleiter, wie widerstrebend sie ihr Einverständnis dazu geben würden.“ Denn de facto stemmen immer noch überwiegend die Frauen Haushalt und Kinder und wenn sie ein paar Wochen ausfallen, bricht vieles schier zusammen, meinte Prof. Becker.
Man muss auch bei der Schilderung der Beschwerden genau hinhören: „Männer berichten, Frauen interpretieren“, kommentierte der Kollege. Soll heißen, dass Frauen oft gleich die Begründung für Schmerzen liefern, z. B. längere Gartenarbeit, und gar nicht darauf kommen oder nicht wahrhaben wollen, dass es etwas Ernstes sein könnte. Dabei ist bekannt, dass die klassischen kardiovaskulären Risikofaktoren wie Hypercholesterinämie, Diabetes oder Übergewicht bei ihnen meist (noch) schlechter kontrolliert sind als bei Männern, so Prof. Becker.
Und man dürfe geschlechtsspezifische Risikofaktoren nicht außer Acht lassen. Als Beispiele nannte er ein nach den Wechseljahren ansteigendes Lipoprotein (a), die möglichen Auswirkungen eines Schwangerschaftsdiabetes oder hypertensiver Erkrankungen in der Gravidität sowie den stärkeren Einfluss eines Diabetes auf das weibliche Herz-Kreislauf-System.
Generell sind Frauen zum Zeitpunkt eines akuten Koronarsyndroms älter als Männer und kommen damit später ins Krankenhaus, sie haben mehr Komorbiditäten und weisen eine höhere Mortalität auf. Außerdem findet sich bei ihnen häufiger eine Plaqueerosion als Ursache, wobei die Plaques eine andere Morphologie zeigen. Auch beim Ermitteln der Beschwerden stößt man auf Probleme. Bei Männern mit Infarkt ist es mit der Frage nach Brustschmerz und Druckgefühl in der Regel schnell getan. Frauen hingegen zeigen Symptome, die von Übelkeit über Schwindel und Nackenschmerzen bis hin zu Oberbauchschmerzen und Schwitzen reichen.
Die Gefährdung hängt in erster Linie von der Schwere der Vorerkrankung ab. Für Kardiologinnen und Kardiologen ist die Risikokalkulation wichtig, um optimal beraten und betreuen zu können. Idealerweise werden Therapieentscheidungen bei Schwangeren mit kardialer Erkrankung im interdisziplinären Team gefällt, betonte Prof. Fischer.
Eine bedeutsame kardiale Komplikation in der Gravidität ist die peripartale Kardiomyopathie. Sie ist nicht-ischämisch bedingt und geht mit eingeschränkter linksventrikulärer Ejektionsfraktion (< 45 %) einher. Besonders häufig tritt sie in der Spätschwangerschaft oder in den ersten Monaten nach der Geburt auf, erläuterte PD Dr. Elham Kayvanpour von der Klinik für Kardiologie, Angiologie, Pneumologie am Universitätsklinikum Heidelberg. Riskofaktoren sind:
- afroamerikanische Herkunft
- Präeklampsie
- Alter über 30 Jahre
- Hypertonie
- Mehrlingsschwangerschaften
Die Symptome werden häufig als Schwangerschaftsbeschwerden interpretiert, was die Therapie verzögert. Etwa 7 % der betroffenen Frauen erleiden innerhalb von sechs Monaten ein thromboembolisches Ereignis, 6 % sterben.
Pathophysiologisch vermutet man, dass bestimmte Stoffe aus der Plazenta die Endothelfunktion stören. Dass nicht jede Schwangere erkrankt, dürfte genetische Ursachen haben, sagte die Kollegin. Bei der Pathologie spielt aber auch ein endothelschädigendes Fragment des Prolaktins eine Rolle, weshalb zur Therapie neben der Standardmedikation auch Bromocriptin eingesetzt wird. Der Dopaminagonist hemmt die Freisetzung von Prolaktin. Da die Substanz zugleich die Thrombosegefahr erhöht, benötigen die Frauen eine Antikoagulation.
Cave mechanische Herzklappen
Frauen mit mechanischen Herzklappen haben in der Schwangerschaft ein hohes Risiko für Komplikationen, vor allem für Klappenthrombosen, warnte Prof. Fischer. Und die Therapie mit Antikoagulanzien birgt immer die Gefahr von Blutungen und Fehlgeburten. Die Chancen für eine problemlose Schwangerschaft und Lebendgeburt liegen bei 58 %. Allgemeim gilt, dass man Frauen mit mechanischen Klappen von einer Gravidität abraten sollte. Falls sie doch schwanger werden, sollte die Betreuung in einem spezialisierten Zentrum erfolgen, vor allem um die Antikoagulation optimal einstellen und überwachen zu können.
Apropos Behandlung mit Standardmedikamenten: Sie erfordert in der Schwangerschaft gewisse Umstellungen. ACE-Hemmer, Sartane, Aldosteronantagonisten und Sacubitril/Valsartan sind für werdende Mütter kontraindiziert. Zu Ivabradin gibt es kaum Erkenntnisse. Die vorliegenden Daten deuten auf gewisse Risiken hin, die Substanz sollte daher vermieden werden.
Patientinnen mit vorbestehender hypertropher Kardiomyopathie bedürfen der engmaschigen Überwachung. Die Termine richten sich nach dem Ausmaß der kardialen Schädigung.
Quelle: Kongressbericht 91. Jahrestagung der DGK*
*Deutsche Gesellschaft für Kardiologie
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