
Depressionsprävention erfordert gesellschaftliche Verantwortung

Welche Einflussgrößen schützen junge Erwachsene vor einer Depression? Dieser Frage ging ein internationales Team um Prof. Dr. Linda Theron von der Universität Pretoria im Rahmen eines systematischen Reviews nach. Eingeschlossen in die Analyse waren 139 seit dem Jahr 2000 publizierte Studien mit insgesamt über 17.000 Teilnehmenden im Alter zwischen 18 und 29 Jahren. In allen Arbeiten taucht der Begriff der Resilienz, also die Widerstandsfähigkeit des Einzelnen gegenüber Stress, auf.
In 70 % der Studien bezog sich Resilienz auf Persönlichkeitsmerkmale und individuelle Strategien zur Bewältigung von belastenden oder krisenhaften Lebensumständen. Hierzu zählten etwa eine optimistische Grundeinstellung, ein gutes Selbstwertgefühl sowie eine generelle kognitive Flexibilität. Einige Studien kamen zu dem Schluss, dass zudem Faktoren wie ein stabiles soziales Umfeld und familiäre Unterstützung vor Depressionen schützen können.
Bildungschancen und andere Aspekte werden ignoriert
Nur sehr wenige Arbeiten behandelten den Effekt von gesellschaftlichen Einflussgrößen. So wurden etwa Bildungschancen der jungen Leute, wirtschaftliche Stabilität und Sicherheit sowie die kulturelle Zugehörigkeit eher selten berücksichtigt. In nur sechs Studien waren protektive Faktoren aus mindestens drei derartigen Dimensionen zugleich berücksichtigt worden. Diese wenigen Untersuchungen zeigten den Zusammenhang zwischen einem erhöhten Depressionsrisiko und fehlenden Ressourcen auf individueller, sozialer und institutioneller Ebene.
Auffallend ist, dass sich die demografische und geografische Realität nicht in den Studiendaten widerspiegelt, betont das Autorenteam. Denn die allermeisten Studienergebnisse bezögen sich auf Nordamerika und andere wirtschaftlich starke Regionen. Erkenntnisse zu Ländern mit niedrigem oder mittlerem Einkommen, in denen aber global gesehen 90 % der jungen Menschen leben, gebe es kaum. Frauen sind in den Studien prinzipiell überrepräsentiert, wohingegen Menschen mit LGBTQ+-Zugehörigkeit und andere Minderheiten kaum vertreten sind.
Naheliegenderweise sind es aber insbesondere die Menschen aus einkommensschwachen Ländern und Angehörige von Minderheiten, die besonderem psychischen Druck und damit einem erhöhten Depressionsrisiko ausgesetzt sind, schreiben Prof. Theron et al. Das Nichtberücksichtigen dieser realen Belastungen, die Resilienz überhaupt erst notwendig machen, ist ein grundlegendes strukturelles Problem der Forschung, heißt es weiter. Notwendig seien daher Studien, die persönliche, ökonomische, soziale und gesellschaftliche Apekte sowie deren Zusammenspiel berücksichtigen. Nur anhand derartiger Untersuchungen könnten effektive Maßnahmen zur Depressionsprävention bei jungen Menschen entwickelt werden.
Resilienz auf Charaktereigenschaften und individuelle Fähigkeiten zu beschränken, ist nach Ansicht der Studiengruppe zu einfach gedacht. Mit dieser Betrachtungsweise werde die Depressionsprävention einseitig in den Verantwortungsbereich des Einzelnen geschoben.
Quelle: Theron L et al. Lancet Psychiatry 2025; 12: 377-383; DOI: 10.1016/S2215-0366(25)00044-6
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