Diese wichtigsten Interaktionen mit Psychopharmaka sollten Sie kennen

Dr. Dorothea Ranft

Manche Medikamentenkombinationen können tödlich enden. Manche Medikamentenkombinationen können tödlich enden. © iStock/Steevy84

Wechselwirkungen von Medikamenten können tödlich enden, sind aber in der Regel vermeidbar. Lässt sich eine riskante Kombination jedoch partout nicht umgehen, muss man die Warnzeichen wissen und Risiko­faktoren minimieren.

Eine 28-jährige schizophrene Patientin wird seit Jahren erfolgreich mit dem Antipsychotikum Clozapin behandelt. Wegen eines akuten Harnwegsinfekts nimmt sie zusätzlich Ciprofloxacin. Zwei Tage später kollabiert sie und stirbt trotz sofort eingeleiteter Reanimation.

Post mortem wird bei der jungen Frau ein Clozapin-Plasmaspiegel von 2900 ng/ml festgestellt, der die Obergrenze des therapeutischen Bereichs (350–600 ng/ml) um fast das Fünffache übersteigt. Das atypische Neuroleptikum wird primär über das Enzym CYP1A2 verstoffwechselt. Das Fluor­chinolon Ciprofloxacin, ein starker CYP1A2-Inhibitor, hemmt den Abbau des Neuroleptikums, wodurch es – wie in diesem Fall – zu einer tödlichen Clozapin-Intoxikation kommen kann, schreibt Holger Petri von der Zentral-Apotheke der Wicker Kliniken in Bad-Wildungen-Reinhardshausen.

Eine weitere häufig durch Psychopharmaka ausgelöste Interaktion ist das Serotonin-Syndrom, hervorgerufen durch ein pathophysiologisches Überangebot des Neurotransmitters. Diagnostisch wegweisend ist die neuromuskuläre Hyperaktivität. Sie beginnt mit leichten Veränderungen wie Tremor und Nystagmus, die schließlich in eine generalisierte Hyperreflexie übergehen, bis hin zum Atem­versagen infolge der muskulären Rigidität.

Hohes Sturzrisiko und kognitive Störungen

Erste Zeichen der begleitenden autonomen Instabilität sind Tachykardie und Diarrhö. Im Verlauf kann es zu Blutdruckschwankungen, exzessivem Schwitzen und einer Hyperthermie über 40 °C kommen. Die Bewusstseinsstörungen als dritte Komponente der Symptomtrias beginnen meist mit einer auffälligen Unruhe und können bis zum Koma fortschreiten.

Die Zeichen des Serotonin-Syndroms entwickeln sich oft innerhalb von Stunden, bei Älteren auch verzögert. Ein spezifisches Antidot steht nicht zur Verfügung, weshalb die serotonerge Medikation schon im Verdachtsfall abgesetzt werden sollte. Riskant ist z.B. die Kombination von selektiven Serotonin-Reuptake-Inhibitoren (SSRI) mit dextrometh­orphanhaltigen Antitussiva, die ebenfalls die Wiederaufnahme des Neurotransmitters blockieren. Zahlreiche andere Psychopharmaka zeigen ebenfalls serotonerge Effekte, darunter trizyklische Antidepressiva, Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) und Lithium.

Opioid ausgebremst

Das Prodrug Tramadol wird durch das Cytochrom-P450-Isoenzym2D6 (CYP2D6) in den analgetisch wirksamen Metaboliten O-Desmethyltramadol umgesetzt. Dieser Vorgang wird durch potente CY2D6-Inhibitoren wie die SSRI Paroxetin oder Fluoxetin behindert. Dadurch könnenmit Tramadol behandelte Patienten oft keine ausreichende Schmerzlinderung erreichen.

Nicht selten führt die Behandlung mit Psychopharmaka zu einer QT-Zeit-Verlängerung, die wegen des vermehrten Auftretens von Torsade-de-pointes-Tachykardien gefürchtet ist. In der Praxis kann man auf die Kombination mehrerer QT-Intervall verlängernder Medikamente oft nicht verzichten, räumt der Apotheker ein. Aber es ist immerhin möglich, zusätzliche Risikofaktoren wie Elektrolytstörungen und hohe Plasmaspiegel etwa durch Überdosierung oder Hemmung des Metabolismus zu vermeiden. Speziell für die SSRI Citalopram­ und Escitalopram ist eine Komedikation mit Wirkstoffen, die das QT-Intervall bekanntermaßen verlängern, kontraindiziert.

Im Rhythmus bleiben

Eine frei zugängliche Datenbank informiert ausführlich über Medikamente, die das QT-Intervall verlängern können. Hier finden Sie einen Überblick und können Sie einen Newsletter zu Aktualisierungen abonnieren:
crediblemeds.org

Besonders anfällig für die anticholinergen Nebenwirkungen von Psychopharmaka sind ältere Patienten, unter anderem wegen der verstärkten Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke. Zentrale Effekte erhöhen das Sturzrisiko und führen zu kognitiven Störungen bis hin zum Delir. Für die Kombinationstherapie empfiehlt der Arzneimittelexperte, die anticholinerge Gesamtlast zu ermitteln und gegebenenfalls auf andere Wirkstoffe auszuweichen. Auch das Blutungsrisiko kann durch die Behandlung mit SSRI oder SNRI gesteigert werden, weil diese Wirkstoffe einen Serotoninmangel in den Thrombozyten erzeugen. Leichte Formen beschränken sich auf kleinflächige Haut- und Schleimhautblutungen, in schweren Fällen kann es zu gastrointestinalen und zerebralen Hämorrhagien kommen. Deutlich erhöht ist das Risiko unter einer Komedikation mit Antikoagulanzien, Plättchenhemmern und NSAR.

Emesis und Diarrhö als Zeichen einer Lithiumvergiftung

Nicht unproblematisch ist aufgrund der geringen therapeutischen Breite auch die Behandlung mit Lithium bei bipolarer Störung und Depression. Die Symptome einer potenziell lebensbedrohenden Lithiumintoxikation reichen von Übelkeit, Erbrechen und Diarrhö über zerebrale Krampfanfälle bis zum Herz-Kreislauf-Stillstand. Lithium wird überwiegend renal ausgeschieden. Mit einer verminderten Clearance muss man unter einer Behandlung mit Diuretika, NSAR, ACE-Hemmern und AT1-Rezeptoragonisten rechnen.

Quelle: Petri H. Klinikarzt 2020; 49: 138-144; DOI: 10.1055/a-1113-3324

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Manche Medikamentenkombinationen können tödlich enden. Manche Medikamentenkombinationen können tödlich enden. © iStock/Steevy84