
Dr. Anke Steuerer setzt auch in ihrer eigenen Praxis beim Typ-1-Diabetes auf Früherkennung

Welche Rolle spielt die Früherkennung des Typ-1-Diabetes bei Kindern in der pädiatrischen Praxis?
Dr. Anke Steuerer: Beim Diabetes gibt es drei Patientengruppen: Die erste sind Kinder, die zu uns kommen und bereits einen Diabetes mitbringen – die meisten von ihnen haben Typ-1-Diabetes und werden in diabetischen Fachambulanzen von einem interdisziplinären Team betreut. In die kinderärztliche Praxis kommen sie wegen der Vorsorgeuntersuchungen, wegen Impfungen, der Behandlung von Infekten etc. Die zweite Gruppe ist wegen einer Erstmanifestation bei uns. Zur dritten Gruppe zählen Kinder, die positiv auf Antikörper getestet wurden. Bei uns gibt es derzeit drei Fälle, ein Kind ist inzwischen an Typ-1-Diabetes erkrankt.
Ihre Praxis nimmt am Fr1da-Screening-Programm zur Früherkennung von Typ-1-Diabetes in Bayern teil. Wie gut lässt es sich in den Praxisalltag integrieren – etwa im Rahmen der U-Untersuchungen?
Dr. Steuerer: In unserer Praxis in Augsburg wurden inzwischen ca. 850 Kinder in die Fr1da-Studie implementiert. Wir bieten das Screening allen Familien im Rahmen der U7- und der U10-Untersuchung an.
Dadurch, dass wir mit den Familien ausführlich über das Thema Diabetes sprechen, führt das auch zu einer höheren Awareness. Das trifft auch auf unsere Mitarbeitenden zu.
Wie beraten Sie Familien, wenn ein Screening zur Früherkennung ein erhöhtes Risiko ergibt?
Dr. Steuerer: Das Erstgespräch findet bei uns statt, danach übernehmen die Diabetes-Ambulanzen. Viele Eltern denken leider, dass ein gesunder Lebensstil hilft, die Erkrankung zu verhindern wie beim Typ-2-Diabetes. Aber so ist es ja nicht.
Für die Familien bedeutet ein Antikörper-positives Ergebnis sicherlich eine hohe psychische Belastung. Wie gehen Sie damit um?
Dr. Steuerer: Das Screening muss eingebettet sein in eine sehr gute Aufklärung, Beratung und intensive Begleitung. Die Schulung in der Diabetespraxis und die enge Kooperation mit der betreuenden Kinderarztpraxis sind hierbei entscheidend. Die Alternative zum Screening ist leider, innerhalb von ein, zwei Stunden mit der Diagnose konfrontiert zu werden – mit der Sorge um ein Kind, das mit einer akut lebensbedrohlichen Ketoazidose auf der Intensivstation liegt. Dies kann ein Screening verhindern, es geht um ein „Soft Landing“ bzw. das langsame Hineingleiten in die Diabeteserkrankung.
Sollte ein standardisiertes Screening auf Typ-1-Diabetes Teil der U-Untersuchungen werden – analog zur Neugeborenen- oder Stoffwechseldiagnostik?
Dr. Steuerer: Aus meiner Sicht ja. Wenn künftig mehrere Medikamente zur Verfügung stehen, die den Ausbruch verzögern können, werden diese frühen Stadien noch viel stärker in den Fokus rücken. Ich bin manchmal überrascht, wie andere Kolleg*innen eine so große Skepsis vor dem Screening haben. Damit können die betroffenen Kinder doch viel früher in den Diabetes-ambulanzen behandelt werden.
In den USA wurde Teplizumab zugelassen, ein Medikament, das den Ausbruch von Typ-1-Diabetes um bis zu zwei Jahre verzögern kann. Für wie sinnvoll halten Sie solche immunmodulatorischen Therapien für Kinder mit erhöhtem Risiko?
Dr. Steuerer: Grundsätzlich ist unser Berufsverband immer aufgeschlossen, was neue therapeutische Ansätze betrifft, die wir dann mit der notwendigen Sorgfalt beobachten. Im Bereich der Antikörpertherapie gibt es noch mehrere andere Forschungsansätze für Medikamente. Die Verzögerung des Ausbruchs eines Typ-1-Diabetes halte ich für einen großen Gewinn. Wenn ein Kind zwei Jahre älter ist, kann es selbstverantwortlicher damit umgehen und mehr in die Therapie eingebunden werden. Unser großer Wunsch ist es, den Ausbruch ganz verhindern zu können bzw. das Voranschreiten zu stoppen, so dass man irgendwann ohne Insulintherapie auskommt. Im Moment ist das aber Fiktion.
Quelle: Medical-Tribune-Bericht
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