Es muss nicht immer Aspergillus sein

DGP-Kongress 2024 Manuela Arand

Fünf Experten auf der Bühne: Einer trägt einen realen Fall aus seiner klinischen Praxis vor, die anderen erörtern, wie Befunde zu bewerten und welche Strategien angezeigt sind. Fünf Experten auf der Bühne: Einer trägt einen realen Fall aus seiner klinischen Praxis vor, die anderen erörtern, wie Befunde zu bewerten und welche Strategien angezeigt sind. © Marcela Ruty Romero – stock.adobe.com

Falldiskussion mal anders: Das neue Veranstaltungsformat „Lungs on Fire“ kommt ebenso entspannt wie lehrreich daher. Im Fokus der ersten Runde stand eine ungewöhnliche Form der pulmonalen Allergie.

Ein 63-jähriger Patient, den PD Dr. Paul Stoll von der Pneumologie der Universitätsmedizin Rostock vorstellte, war im Februar 2024 in der dortigen Asthmaambulanz aufgeschlagen. Er hatte einige Vorerkrankungen mitgebracht. Dazu zählten zum einen ein Asthma und Allergien gegen Gräser, Pollen und Penicillin. Behandelt wurde es deshalb mit einer niedrig dosierten Tripletherapie. Relevant waren zum anderen eine progrediente Polyneuropathie, Pneumonie und Hüftgelenksersatz in der Anamnese sowie 15 Packungsjahre bis zum Rauchstopp im Jahr 2020. Seit Anfang des Jahres litt er an einem Husten mit zähem, gelbgrünem Schleim sowie über Wochen andauerndem Fieber bis 39,3 °C, Nachtschweiß und Gewichtsverlust von 8–10 kg. Eine antimikrobielle Therapie mit Fluorchinolon und Makrolid hatte nicht angeschlagen. Soweit die Vorbefunde.

Der Patient wirkte schon auf den ersten Blick krank, fasste es Dr. Stoll zusammen. Aktuelle Labortests ergaben nichts Unerwartetes: hohes CRP (151 mg/l), leichte Leukozytose (12,6 Gpt/l), Eos grenzwertig (230/µl), FeNO erhöht auf 50 ppb. Der veranlasste Röntgenthorax zeigte links dorsal Verdichtungen, in der Spirometrie erwiesen sich FVC und FEV1 als deutlich erniedrigt. An diesem Punkt der Schilderungen des Rostocker Kollegen gab die Expertenrunde auf dem Podium (s. Kasten), die den Fall vorab nicht kannte, eine erste Einschätzung ab. Offensichtlich sei eher die restriktive Komponente führend, weniger die Obstruktion. Die DLCO konnte allerdings nicht gemessen werden, weil der Patient zu stark hustete.

Das spricht für eine ABPM

Sechs der folgenden zehn Kriterien sollten erfüllt sein, um die Verdachtsdiagnose allergische bronchopulmonale Aspergillose zu sichern:

  • bekanntes Asthma bronchiale
  • Eosinophilie im peripheren Blut (≥ 500 Zellen/µl)
  • Gesamt-IgE erhöht (≥ 417 IU/ml)
  • spezifisches IgE oder Sofortreaktion im Hauttest
  • spezifisches IgG oder Präzipitine
  • Pilzwachstum in Sputum oder BAL
  • Pilzhyphen in bronchialen Schleimpfropfen
  • zentrale Bronchiektasen
  • Sekretretention in zentralen Bronchien
  • „high-attenuation mucus“ in den Bronchien

Quelle: nach Asano K et al. J Allergy Clin Immunol 2021; 147: 1261-1268.e5; DOI: 10.1016/j.jaci.2020.08.029

Als nächsten logischen Schritt habe man eine CT gemacht, erzählte Dr. Stoll weiter. Darin zeigten sich unterlappenbetont deutlich verdickte Atemwege, v.a. in den zentralen Lungenbereichen auch Bronchiektasen, teilweise schleimgefüllt. Außerdem fanden sich Herdbefunde, große noduläre und Milchglasinfiltrate. Der Radiologe in der Runde ergänzte die Befundung um den „high-attenuation mucus“, also Schleim mit hoher Dichte, radiologisch der Thoraxwandmuskulatur vergleichbar. 

Bronchoskopisch, so Dr. Stoll weiter, fand sich reichlich Sekret v.a. in den Unterlappen, das eitrig-zäh imponierte. In der BAL aus dem linken Unterlappen ließ sich Haemophilus influenzae nachweisen. „Das muss man angesichts des hohen CRP und der Bildgebung zunächst als möglichen Grund für die akute Aggravation akzeptieren“, kommentierte Dr. Stoll. Die Multiplex-PCR bestätigte den Befund, andere Erreger der üblichen Atemwegspalette inklusive SARS-CoV-2 waren nicht nachweisbar. Einen Hinweis auf Mykobakterien ergaben weder Mikroskopie und PCR der BAL noch die Untersuchung einer Biopsie aus dem linken Unterlappen. In der BAL-Pilzkultur fand sich vereinzelt Candida albicans. Da der zytologische BAL-Befund (46 Mio. Zellen/ml, 95 % Neutrophile) damit vereinbar schien und die Histopathologie der Bronchialbiopsie keine Granulome und keinen Anhalt für einen malignen Prozess ergeben hatte, schlossen die Rostocker Kollegen, das Haemophilus wohl Ursache des Übels sein müsse. Sie setzten also eine weitere antibiotische Therapie an, ließen parallel aber weitere Diagnostik laufen. Schließlich konnte zu diesem Zeitpunkt weder ein Karzinom noch eine atypische Mykobakterieninfektion sicher ausgeschlossen werden, so Dr. Stoll.

Gefragt, welche Diagnose nun im Raum stehe, stimmte das Publikum per Handy v.a. für eine allergische bronchopulmonale Aspergillose (ABPA). Auch die Expertenrunde empfahl eine Aspergillusdiagnostik. Tatsächlich war das Gesamt-IgE mit 965 kU/l deutlich erhöht, verriet Dr. Stoll. Aber ein spezifisches IgE gegen Aspergillusantigene habe man nicht nachweisen können. Einer der Experten wandte daraufhin ein, dass man zusätzlich Candidaantikörper hätte messen sollen: „Es muss keine ABPA sein, es kann auch eine ABPM (allergische bronchopulmonale Mykose) sein.“ Natürlich sind auch Dr. Stoll und Kollegen auf diese Idee gekommen und fündig geworden: „Der Candidatiter war zugegeben nicht besonders hoch mit 1,66 kU/l, aber nachweisbar“, so Dr. Stoll. Zusammen mit dem Candidanachweis in der BAL und weiteren Kriterien (s. Kasten) reiche das jedoch, um die Diagnose ABPM zu stellen. 

Lungs on Fire 

Fünf Experten auf der Bühne: Einer trägt einen realen Fall aus seiner klinischen Praxis vor, die anderen erörtern, wie Befunde zu bewerten und welche Strategien angezeigt sind. Das Besondere daran ist, dass die Diskutanten die Kasuistik vorher nicht kennen und die Diskussion Schritt für Schritt dem Verlauf des Falls folgt – ein klinisches Board live on stage, Irrtümer und überraschende Wendungen inbegriffen. Zwischendurch darf auch immer mal das Publikum abstimmen. Das Format haben die Organisatoren vom Kongress der European Respiratory Society mitgebracht. Beim DGP fand es so viel Zuspruch, dass eine Fortsetzung garantiert sein dürfte.

Die Expertenrunde
Folgende vier Kollegen diskutierten den Fall, den der Rostocker Kollege vorstellte:

  • Prof. Dr. Michael Puderbach, Radiologe am Hufeland Klinikum Bad Langensalza

  • Prof. Dr. Dirk Koschel, Pneumologe am Fachkrankenhaus Coswig

  • PD Dr. Urte Sommerwerck, Pneumologin am Krankenhaus der Augustinerinnen Köln

  • PD Dr. Matthias Krüll, niedergelassener Pneumologe aus Berlin

Wie behandelt man ein solches Krankheitsbild? Mit hoch dosiertem inhalativen oder systemischem Steroid, um der allergischen Reaktion Herr zu werden? Mit einem Antimykotikum, um den Pilz zu eliminieren? Oder sogar kombiniert mit OCS und Antipilzmittel? „Wenn wir von einer ABPM ausgehen, würden wir primär nur ein OCS geben“, so der Konsens der anwesenden Expertenrunde. Falls OCS nicht möglich sei, z.B. weil der Patient einen schweren Diabetes hat, komme alternativ das Antimykotikum allein infrage. Die Kombination „hebt man sich eigentlich auf fürs Rezidiv“.

In Rostock ist man jedoch sofort in die Vollen gegangen. „Wir haben gleich kombiniert behandelt vor dem Hintergrund, dass der Patient eine ausgeprägte Symptomatik zeigte, die schon einige Zeit ging, sodass wir dort schnell Ruhe hineinbringen wollten.“ Mit Erfolg: 14 Tage nach Therapiebeginn hatten sich Lungenfunktion und FeNO praktisch normalisiert (FVC 97 % statt 54 %, die FEV1 96 % statt 58 %, TLC 9,0 l statt 6,4 l, FeNO 18 ppb). 

Obwohl in den diagnostischen Kriterien nicht aufgeführt, kann die ABPM auch bei Patienten mit zystischer Fibrose auftreten. „Wahrscheinlich sieht man sie bei CF sogar noch häufiger als bei Asthma“, meinte Dr. Stoll. Meist erscheinen ABPM-Patienten hochsymptomatisch und krank, oft mit B-Symptomen wie in dem vorgestellten Fall. Bronchoskopie und CT bilden die Basis der Diagnostik, wobei man den „high-attenuation mucus“ nicht immer findet. Er könne jedoch als sehr typisch für ABPA und ABPM angesehen werden. 

Quelle: Kongressbericht 64. Kongress der DGP (Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin)

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Fünf Experten auf der Bühne: Einer trägt einen realen Fall aus seiner klinischen Praxis vor, die anderen erörtern, wie Befunde zu bewerten und welche Strategien angezeigt sind. Fünf Experten auf der Bühne: Einer trägt einen realen Fall aus seiner klinischen Praxis vor, die anderen erörtern, wie Befunde zu bewerten und welche Strategien angezeigt sind. © Marcela Ruty Romero – stock.adobe.com