
Experten diskutieren Beginn und Dauer der Adjuvanz in frühen Stadien

Zur Frage, ob man eine zielgerichtete Therapie im kurativen Setting so früh und lange wie möglich einsetzen sollte, rekapitulierte Pro-Diskutant Prof. Dr. Frank Griesinger, Pius-Hospital Oldenburg, zunächst die Ergebnisse der ADAURA-Studie.1 Er sieht in den Daten Hinweise darauf, dass drei Jahre Osimertinib-Adjuvanz eventuell nicht ausreichen. Nach dem Ende der TKI-Einnahme sinke die DFS-Kurve merklich steiler ab als unter der Therapie, auch Hirnmetastasen schienen ab dem Drei-Jahres-Zeitpunkt verstärkt aufzutreten. Dies galt in besonderem Maße für Stadium-III-Patient:innen. In der Studie LAURA, die kein zeitlich definiertes Ende der Osimertinib-Therapie vorsieht, fand sich kein vergleichbarer Effekt. Bei anderen Entitäten wie Gastrointestinalen Stromatumoren (GIST) und Mammakarzinomen erwies sich eine längere Dauer zielgerichteter Behandlung ebenfalls als vorteilhaft.
Letztendlich könne aber durchaus ein Unterschied zwischen EGFR-Mutationen und ALK-Alterationen bestehen. Der Referent geht aufgrund enttäuschender Ergebnisse zur neoadjuvanten Osimertinib-Monotherapie davon aus, dass EGFR-Inhibitoren in der Regel nicht tumorizid wirken. Einen potenziell tumoriziden und kurativen Effekt von ALK-Inhibitoren belegen bisher nur Fallberichte. Dennoch fand sich in ALINA kein beschleunigter Abfall der DFS-Kurve nach Ende der Alectinib-Behandlung. Zudem traten in Untersuchungen mit Lorlatinib und Crizotinib nach drei Jahren kaum noch neue Rezidive auf. „Vielleicht kann auch in der metastasierten Situation eine langfristige Krankheitsfreiheit erzielt werden“, vermutete Prof. Griesinger.
„Best thing first – so früh und lange wie möglich“
Für eine frühzeitige Behandlung spreche, dass vermutlich ein signifikanter Teil der Betroffenen, die nicht gleich eine TKI-Therapie beginnen, diese später nicht mehr erhält. Selbst in der LAURA-Studie bekamen 19 % der Erkrankten aus der Kontrollgruppe bei Progress keinen EGFR-TKI, obwohl ein Cross-over vorgesehen war. Der Onkologe ergänzte: „Dasselbe gilt für die ADAURA-Studie, wo ein hoher Prozentsatz der Patient:innen dann nicht oder inadäquat behandelt wird.“
Prof. Griesinger zitierte als Fazit: „Best thing first – so früh und so lange wie möglich.“ Bei EGFR-mutierten NSCLC sei die Therapie wohl dauerhaft nötig, im Falle von ALK-Alterationen bleibt dies unklarer. Die generelle Lebensqualität sinke unter TKI nicht. „Mit einer Verbesserung der Sensitivität der Liquid Biopsy werden wir bessere Instrumente erhalten, um die adjuvante Therapie zu steuern“, zeigte der Experte abschließend als Perspektive auf.
Was die Fachgesellschaften raten
Bei NSCLC mit klassischer EGFR-Mutation im Stadium IB bis IIIB(N2) sollten auf die R0-Resektion drei Jahre adjuvante TKI-Therapie folgen. Nach kurativer Chemoradiotherapie im Stadium III raten Fachgesellschaften zu einer dauerhaften, konsolidierenden Behandlung. Eine postoperative ALK-Inhibition ist für Karzinome mit entsprechender Translokation (Stadium II–IIIB(N2)) wiederum für zwei Jahre vorgesehen.
„Wir behandeln viele gesunde Patient:innen sehr lange unnötig“
Dr. Jens Kollmeier vom Helios Klinikum Emil von Behring – Lungenklinik Heckeshorn in Berlin warf die Frage auf, ob man tatsächlich zusätzliche Patient:innen heile oder nur den Beginn der weiteren Behandlung nach vorne verlagere.2 Etwa 40 % der kurativ operierten NSCLC-Erkrankten blieben auch ohne zusätzliche Adjuvanz langfristig rezidivfrei. „Wir behandeln einen großen Teil unserer Patient:innen, die eigentlich durch die Operation geheilt sind und geheilt bleiben, über Jahre mit Medikamenten“, kritisierte der Contra-Diskutant. Diese gingen durchaus mit Nebenwirkungen einher und erinnerten die Betroffenen täglich an ihre Krebserkrankung.
Der Kollege verwies darauf, dass auch nach Jahren der Osimertinib-Therapie noch ein Rezidivrisiko besteht, besonders nach Absetzen: „Das kann man so interpretieren, dass wir Patient:innen am Ende des Tages mit TKI nicht heilen können.“ Stattdessen komme es nach jetzigem Stand auf die Sequenz an. Bei anderen adjuvanten Kinaseinhibitoren habe sich ein PFS-Vorteil u. a. wegen der Folgetherapien letztendlich nicht in ein verlängertes Gesamtüberleben übersetzt. In LAURA, wo 81 % der Placebogruppe nach Progress doch Osimertinib erhielten, ging der Überlebensvorteil durch die sofortige adjuvante Kinaseinhibition ebenfalls langfristig verloren. Hinzu kommt, dass man inbesondere bei ALK-Inhibitoren möglicherweise Resistenzmutationen induziere, die zu Nachteilen in späteren Linien führen könnten.
Ob man einen mit den Zulassungsstudien vergleichbaren OS-Benefit auch in einem Gesundheitssystem wie hierzulande sehe, hält Dr. Kollmeier ebenfalls für ungewiss: „Wir haben viele gute Medikamente, die auf dem Markt zugänglich sind, um bei Rezidiven ausreichend zu therapieren.“ Auf Grundlage der derzeitigen Daten könne man Betroffenen die Therapien nichtsdestotrotz kaum vorenthalten.
Quellen:
1. Griesinger F. 65. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie; Vortrag „Zielgerichtete Behandlung des molekular alterierten Lungenkarzinoms in den Frühstadien: PRO: so früh, so lange wie möglich“
2. Kollmeier J. 65. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie; Vortrag „Zielgerichtete Behandlung des molekular alterierten Lungenkarzinoms in den Frühstadien: CONTRA: Start erst bei klinischer Notwendigkeit“
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