
Frühtherapie rettet Sexualleben

Lichen simplex chronicus
Am Lichen simplex chronicus erkranken überwiegend Menschen mit atopischer Diathese im mittleren bis höheren Lebensalter. Als Trigger können psychische Erkrankungen wie Depression, Angst- und Zwangsstörungen, aber auch z.B. lokale Faktoren wie Hitze, Schweiß, Hauttrockenheit und aggressive Pflegemittel wirken. Typisch ist ein chronischer oder intermittierender schwerer Pruritus, der abends oder im Schlaf auftritt. Erosionen und Ulzera führen zu Wundschmerzen und brennenden Missempfindungen mit der Folge einer Dyspareunie.
Bei der Inspektion fallen schlecht abgegrenzte lichenifizierte Plaques auf, die mitunter auf Gegenseite der dominanten Hand ausgeprägter sind. Zu Erosionen und Ulzera kommen mitunter auch Fissuren. Außerdem ist mit Hyper-, Hypo- oder Depigmentierungen sowie abgebrochenen Haaren im Kratzbereich zu rechnen. Als Komplikationen drohen Infektionen und schwere ggf. irreversible Schäden durch das
Kratzen. Das Malignomrisiko ist nicht erhöht, betonen die Leitlinienautoren um W. van der Meijden vom Betsi Cadwaladr University Health Board im walisischen Bangor.
Die Hautbarrierefunktion lässt sich eventuell schon mit parfümfreien Cremes (nicht zu fettig) verbessern. In schweren Fällen können hochpotente Steroide zum Einsatz kommen (z.B. Clobetasolpropionat 0,05 %), bei leichteren Befunden genügen Fluticasonpropionat (0,005 %) oder Mometasonfuroat (0,1 %) bis zur Befundbesserung. Patienten mit dicken Plaques profitieren eventuell von intraläsionalen Triamcinoloninjektionen. Auch eine intermittierende Kühlung mit Eis kann sinnvoll sein (max. 15 min). Sedierende Antihistaminika und trizyklische Antidepressiva helfen gegen das nächtliche Kratzen.
Calcineurininhibitoren (Pimecrolimus, Tacrolimus) dienen nur als Zweitlinientherapie und sind für diese Indikation (noch) nicht zugelassen. Alternativen bieten evtl. auch UVB- und Laser- und Ultraschalltherapien.
Lichen sclerosus
Der Lichen sclerosus (LS) ist eine entzündliche Dermatose, die zwar überwiegend die Anogenitalregion befällt, aber auch Vagina und (seltener) Mundschleimhaut betreffen kann. Er äußert sich über Jucken und Schmerzen. Oft besteht eine Dys- oder Apareunie, urologische Symptome können hinzukommen, ebenso eine Obstipation bei analer Manifestation. Asymptomatische Verläufe und Spontanremissionen sind möglich.
Bei der klinischen Untersuchung fallen blasse hyper -oder atrophische Areale (Vulva, perianal, extragenital) auf, eventuell auch Hyperkeratosen, Sklerosen und leichte Erytheme. Zu den weiteren Zeichen zählen Ekchymosen, Fissuren und Erosionen. Durch Vernarbung kann es zu einer Fusion der kleinen Labien kommen, die Klitoris wird verdeckt, bleibt aber erhalten.
Über eine frühzeitige Therapie lässt sich die Narbenbildung verhindern. Platten entwickeln sich nur selten (< 5 %), sicherheitshalber sollte die Patientin aber bei Veränderungen der Läsionen (Knoten, Ulzeration, Hautverhärtung) oder verstärkten Symptomen einen Arzt aufsuchen.
Die Therapie erfolgt auch beim Lichen sclerosus primär über potente topische Steroide. Kommt es zu einer Superinfektion, ergänzen kurzzeitig antimikrobielle oder antimykotische Substanzen die Medikation. Eine proaktive Behandlung z.B. mit Mometasonfuroat sorgt für den Remissionserhalt. Zudem sollten die Patientinnen versuchen, Irritationen des Genitalbereichs zu vermeiden.
In der Zweitlinientherapie kommen Calcineurininhibitoren (Tacrolimus, Pimecrolimus) in Betracht (off label). Bei Therapieversagen können systemische Retinoide wie Acitretin oder Phototherapie (Cave: Krebsrisiko). Die Operation bleibt Patientinnen mit intraepithelialer Dysplasie oder Plattenepithelkarzinom bzw. fusionierten Labien vorbehalten.
Vorsicht Entartung
Vulväre intraepitheliale Neoplasien (VIN) sind prämaligne Läsionen mit potenziell spontaner Rückbildung. Zwei Varianten können sich zum Plattenepithelkarzinom entwickeln:
- hochgradige squamöse intraepitheliale Läsionen (HSIL)
- VIN vom differenzierten Typ (DVIN)
HSIL werden durch eine persistierende HPV-Infektion ausgelöst und manifestieren sich meist zwischen dem 35. und 49. Lebensjahr. Die DVIN sind mit Lichen sclerosus und L. planus assoziiert ohne Verbindung zu Papillomviren. Sie treten vor allem bei älteren Frauen auf.
Lichen planus
Der Lichen planus (LP) als entzündliche Erkrankung unklarer Pathogenese befällt Genitale, Haare, Nägel und Mundschleimhaut. Einige Patienten entwickeln Läsionen sogar in Tränenkanal, Gehörgang und Ösophagus. Die Beschwerden ähneln denen der anderen Lichenerkrankungen, es kann zusätzlich vaginaler Ausfluss auftreten. Anhand der Läsionen lassen sich drei Typen differenzieren:
- Der klassische Lichen planus manifestiert sich mit typischen Papeln im Bereich der keratinisierten Haut und eventuell Wickham-Streifen. Vor allem bei Patienten mit dunklem Hauttyp können Hyperpigmentierungen auftreten.
- Der hypertrophische LP befällt vor allem Perineum und Perianalregion. Charakteristisch sind verdickte warzenähnliche Plaques. Diese können Schmerzen auslösen, ulzerieren oder sich infizieren und ähneln oft einem Malignom. Vaginale Läsionen gehören nicht zum typischen Bild.
- Am häufigsten ist der erosive Lichen planus mit entsprechenden Schleimhauterosionen und eventuell Wickham-Streifen. Ohne Therapie drohen Narben und Stenosen. Nicht übersehen werden sollte eine vaginale Beteiligung, die auch isoliert auftreten kann. Zu den häufigen Symptomen zählen Dyspareunie, postkoitale Blutungen und ein blutig tingierter seröser Ausfluss.
Die empfohlene Behandlung besteht aus hochpotenten topischen Steroiden. In der Erhaltungstherapie folgen entweder niedriger-potente Steroide oder längere Applikationsintervalle. Die vaginale Applikation kann mit einem Tampon über Nacht durchgeführt werden, eventuell auch angelehnt an Rezepturen für
hydrocortisonhaltige Rektalschäume oder im schlimmen Fällen einen Prednisolon-Suppositorien. Calcineurininhibitoren sind ebenfalls wirksam.
Beim Vulvovagina-Gingiva-Syndrom mit Lichen-Planus-Läsionen in allen drei Bereichen können auch Systemtherapien mit Hydroxychloroquin, Methotrexat und Mycophenolatmofetil helfen, in schweren Fällen auch orale Steroide (z.B. 40 mg Prednisolon). Zur Behandlung der hypertrophischen Form eignet sich eventuell Acitretin. TNF-Blocker bleiben besonders hartnäckigen Erkrankungen vorbehalten.
Quelle: Van der Meijden WI et al. J Eur Acad Dermatol Venereol 2022; 36: 952-972; DOI: 10.1111/jdv.18102
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