Harnblasenkarzinom: S3-Leitlinie überarbeitet

Lara Sommer

Adjuvante Immuntherapien bei Blasentumoren sind neu in der S3-Leitlinie aufgenommen worden. Adjuvante Immuntherapien bei Blasentumoren sind neu in der S3-Leitlinie aufgenommen worden. © SewcreamStudio – stock.adobe.com

Auch für Tumoren der Blase finden adjuvante Immuntherapien nun Eingang in die S3-Leitlinie – nur eine von zahlreichen Neuerungen bei der perioperativen Systemtherapie. Im Bereich der Rehabilitation mahnen die Expert:innen zur Betreuung in zertifizierten Einrichtungen und gaben erstmals geschlechtsspezifische Empfehlungen hinsichtlich sexueller Funktionsstörungen. 

Diagnostik 

„Im Bereich der Diagnostik und Stadieneinteilung stellt die Einführung der Paris-Klassifikation zur Interpretation zytologischer Befunde neben der Aufnahme der multiparametrischen Magnetresonanztomografie als diagnostische Option die größte Neuerung dar“, fasste Prof. Dr. Günter Niegisch, Universitätsklinikum Düsseldorf, zusammen. Letztere kann nun zur Verdachts- und Erstdiagnostik des Blasenkarzinoms Anwendung finden  und die Aufnahmen sollten gemäß der VI-RADS-Kriterien ausgewertet werden (Empfehlungsgrad 0; Evidenzlevel 2++). Zusätzlich wurden Qualitätskriterien für die Zytologie inklusive eines Algorithmus zur Qualitätsentscheidung definiert.

Therapie

Umfassende Änderungen ergaben sich vor allem im perioperativen Bereich. Der Leitlinienkoordinator schilderte: Grundsätzlich wird nun eine Tumorkonferenz vor jeder Therapieentscheidung bei Patient:innen mit einem muskelinvasiven, lokal behandelbaren Harnblasenkarzinom gefordert.“ Erkrankten mit einem lokalisierten, muskelinvasiven Harnblasenkarzinom (MIBC) (T2–T4a, N0, M0) soll zukünftig eine neoadjuvante cisplatinbasierte Kombinationsbehandlung angeboten werden, sofern sie sich für diese eignen (A; 1+). Neu ist zudem, dass bei geeigneten Patient:innen eine Chemotherapie mit sechs Zyklen ddMVAC* erfolgen kann (1++).

Denjenigen mit einem lokal fortgeschrittenen, muskelinvasiven Harnblasenkarzinom (pT3–pT4 und/oder pN1–3, cM0), die sich für cisplatinhaltige Regime eignen und keine neoadjuvante Chemotherapie erhalten haben, sollen Ärzt:innen eine adjuvante Chemo offerieren (A, 1++). Diese soll allgemein möglichst vier Zyklen einer cisplatinhaltigen Kombination beinhalten (A; 1++). Bei Betroffenen mit einem invasiven Resttumor (≥ ypT2 ypN+), die bereits neoadjuvant zytostatisch behandelt wurden, raten die Verantwortlichen hingegen von einer adjuvanten Chemotherapie ab (Expert:innenkonsens; EK). 

Ebenso wurden Empfehlungen zur adjuvanten Checkpointinhibition mit Nivolumab bei geeigneten MIBC-Patient:innen aufgenommen. Diese soll man den Fachleuten zufolge nach radikaler Zystektomie anbieten, wenn die PD-L1-Expression gemäß TPS mindestens 1 % beträgt und 

  • bei Erkrankten mit neoadjuvanter cisplatinbasierter Chemotherapie ein residueller Tumor vorliegt (ypT2–pT4 und/oder ypN1–3 cM0)

oder

  • Betroffene ohne neoadjuvante Chemotherapie einen residuellen Tumor mit dem Tumorstadium pT3–pT4 und/oder pN1–3, cM0 haben und nicht für eine cisplatinbasierte adjuvante Therapie infrage kommen (jeweils A; 1-).

Gleiches gilt, wenn Personen mit entsprechender PD-L1-Expression (Residualtumor pT3–pT4 und/oder pN1–3 cM0; keine neoadjuvante Therapie) nach radikaler Zystektomie trotz Eignung eine cisplatinhaltige Adjuvanz ablehnen („sollte“; A; 1-). Der Stellenwert präoperativer Immuntherapien bleibt hingegen weiter unklar.

Rehabilitation und Supportivversorgung

In der aktualisierten Version der Empfehlungen wird eindeutig geraten, die Rehabilitation nach Zystektomie in einer Klinik mit qualitätsgesicherter Zulassung für uroonkologische Rehabilitation durchzuführen (EK). Gemäß dem Onkologen stellt dies die adäquate, spezialisierte und interdisziplinäre Betreuung der Erkrankten sicher und ermöglicht durch gemeinsame Standards eine Evaluation und weitere Optimierung.

Erstmals gingen die Autor:innen auch explizit auf den Beratungsbedarf von Frauen bezüglich sexueller Funktionsstörungen ein. „Wir sehen es als unabdingbar, dass sich Behandelnde hinsichtlich geschlechtsspezifischer Unterschiede sowie der Behandlungsoptionen informieren, um Patient:innen adäquat beraten zu können“, mahnte Prof. Niegisch. Das gelte ausdrücklich auch für den palliativen Kontext. 

Patient:innen, die eine medikamentöse Tumortherapie erhalten, sollen gemäß der Leitlinie „Supportivtherapie“ behandelt werden (EK). Mit dem Update wurden einige neue Maßnahmen aufgenommen, beispielsweise die Kopfhautkühlung zur Vorbeugung einer höhergradigen Alopezie (0; 2b) sowie Kältebehandlungen und Kompressionsbehandlungen mittels chirurgischer Handschuhe zwecks der Prävention chemoinduzierter Neuropathien (EK; „kann“). 

Wie die Fachleute hervorheben, haben die Leitlinien „Psychoonkologie und Palliativmedizin“ Anwendung zu finden (EK; „soll“). Bei fernmetastasierter oder nicht heilbarer Erkrankung sollen Betroffene unabhängig von der geplanten Therapie schon nach Diagnose über die Möglichkeiten der Palliativversorgung informiert werden und niederschwelligen Zugang zu entsprechenden Angeboten erhalten (EK). „In Einklang mit den Querschnittsleitlinien Psychoonkologie und Palliativmedizin muss man die Lebensqualität regelhaft erfassen. Bei auffälligen Befunden soll durch entsprechende Diagnostik und Interventionen versucht werden, diese günstig zu beeinflussen“, ergänzte Prof. Niegisch. 

*    Methotrexat, Vinblastin, Adriamycin und Cisplatin dosisdicht

Quelle:
S3-Leitlinie Früherkennung, Diagnose, Therapie und Nachsorge des Harnblasenkarzinoms; AWMF-Registernummer: 032-038OL

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Adjuvante Immuntherapien bei Blasentumoren sind neu in der S3-Leitlinie aufgenommen worden. Adjuvante Immuntherapien bei Blasentumoren sind neu in der S3-Leitlinie aufgenommen worden. © SewcreamStudio – stock.adobe.com