
In der Klinik kann KI bei der Einstufung helfen

Auch in Dänemark sorgen der demografische Wandel und steigende Diabeteszahlen dafür, dass die klinische Versorgung an ihre Grenzen gerät. Das Steno Diabetes Center Copenhagen hat sich zum Ziel gesetzt, Kontrollbesuche von Menschen mit Diabetes zu reduzieren, um mehr Kapazitäten für akute Fälle zu schaffen – bei gleichbleibender Versorgungsqualität. Dr. Henrik Ullits Andersen, Chefarzt und Leiter der Typ-1-Diabetes-Klinik, stellte vor, wie das gelingen kann.
Seltenere Klinikbesuche durch digitale Lösungen
In Dänemark erhält jede Person eine persönliche Registriernummer (Central Person Registry, CPR), mit der individuelle Gesundheitsdaten in einer Datenbank hinterlegt werden. Es ist üblich, dass Menschen mit Diabetes klinisch betreut werden. Eine Ausnahme bilden Menschen mit „unkompliziertem“ Typ-2-Diabetes, die von Allgemeinmedizinern versorgt werden. Rehabilitationsmaßnahmen werden von den Kommunen organisiert.
Das Steno Diabetes Center Copenhagen teilt sich in vier Einheiten auf: Patientenversorgung, Schulung und Training, Prävention und Gesundheitsförderung sowie eine Forschungseinrichtung. Dort werden insgesamt 11.000 Menschen mit Diabetes behandelt. Davon haben etwa 6.000 einen Typ-1- und knapp über 4.000 einen Typ-2-Diabetes. Beim Erstbesuch in der Klinik werden Bluttests durchgeführt und es erfolgen eine Bewertung des Zustands sowie das Erstellen des Behandlungsplans. Hat die betroffene Person keine speziellen Risiken, steht der nächste Termin erst wieder nach zwei Jahren an. Doch wie kann in der Zwischenzeit eine adäquate Versorgung gewährleistet werden?
Digitale Überwachung und Risiko-Einstufung per Detektor
Die Klinik bietet einen 24-Stunden-Telefonservice an, der mit qualifiziertem Pflegepersonal besetzt ist. Das neueste Projekt ist der Detektor, der es ermöglicht, Patientendaten kontinuierlich zu überwachen und einzugreifen, falls ein Risiko auftritt. Eine Intervention geschieht in Form von Telefon-Check-ups, On-Demand-Besuchen oder spezifischen Kursen.
Die Patient*innen übermitteln ihre Daten elektronisch an die Klinik. Dazu zählen alle CPR-verknüpften Gesundheitsdaten wie Urin- und Blutwerte, die halbjährlich im Labor bestimmt werden. Außerdem werden Daten von Systemen zur kontinuierlichen Glukosemessung (CGMS), Insulinpumpen, Blutzucker- und Blutdruckmessgeräten gesammelt. Diese werden über eine Upload-Station in der Klinik oder kontinuierlich über eine Cloud transferiert.
Anhand all dieser Daten werden die Patient*innen individuell in subakute und akute Risikokategorien (Flaggen) eingestuft. Eine rote Flagge bedeutet, dass eine akute Behandlung nötig ist, beispielsweise wenn die Zeit im Zielbereich um mehr als 50 % gesunken ist. Außerdem wurden verschiedene Diagnosen definiert, die als kritisch gelten, wie ein Herzinfarkt oder eine Ketoazidose. Das Klinikpersonal bewertet täglich die aktuellen Patientendaten und trifft anhand dieser klinische Entscheidungen. So können die Patient*innen falls nötig versorgt werden. Gleichzeitig wird die Anzahl der Vor-Ort-Besuche deutlich reduziert. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Patientendaten für Forschungszwecke genutzt werden können.
Dänisches Projekt läuft noch nicht reibungslos
Das Projekt läuft aktuell noch nicht reibungslos. So stehen zwar für die meisten Patient*innen vollständige Daten über Blutproben zur Verfügung, aufgrund technischer Schwierigkeiten können bislang allerdings nur Daten aus CGM-Systemen und Insulinpumpen eines Herstellers über die Cloud übertragen werden. Dr. Ullits Andersen ist jedoch optimistisch, dass sich der neue Weg etablieren wird. Auf die Frage aus dem Auditorium, ob die Menschen mit Diabetes mit der Umstellung zufrieden seien, antwortet er, dass die meisten froh seien, seltener in die Klinik kommen zu müssen. Das Steno Diabetes Center hat mittlerweile Kliniken in allen Regionen Dänemarks sowie auf Grönland und den Faröer-Inseln.
Auch in Deutschland gibt es Ansätze, die Versorgung mithilfe der Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz (KI) zu optimieren. Fin Hendrik Bahnsen vom Institut für Künstliche Intelligenz in der Medizin (IKIM) des Universitätsklinikums Essen berichtete von KI-Modellen, die auf Basis realer Patientendaten entwickelt werden.
Alarm per KI, bevor Komplikationen auftreten
Die Diabetologie ist eines der neueren Forschungsgebiete des Instituts. Ziel ist ein digitales Diabetesmanagement in der Klinik. Durch ein systematisches Screening soll ein Diabetes oder Prädiabetes schnellstmöglich erkannt werden – auch als Nebendiagnose. CGM-Daten werden elektronisch in der Klinik erfasst. Anhand der tagesaktuellen Daten soll eine Risiko-Einstufung stattfinden, die mithilfe von KI bereits einen Alarm auslöst, bevor es zu einer akuten Komplikation kommt. Ziel ist es, dem Klinikpersonal mehr Möglichkeiten für eine frühzeitige Intervention zu geben. Das Diabetes-Dashboard wird daher in enger Zusammenarbeit mit den Nutzern entwickelt. Bahnsen betonte: „Es geht an keiner Stelle darum, den Arzt, die Pflege oder sonst wen durch KI zu ersetzen, sondern wir wollen Tools bauen, die mit den Ärzten, mit der Pflege in der Klinik Hand in Hand arbeiten.“
Herausfordernd ist, die Interoperabilität der multimodalen Klinikdaten über einen Standard zu ermöglichen. Die große Datenmenge hat laut Bahnsen viel Potenzial. In Zukunft ist es denkbar, dass Künstliche Intelligenz klinische Entscheidungen durch die Auswertung von Glukosedaten in Kombination mit weiteren Informationen, z. B. zu onkologischen oder Demenz-Erkrankungen, unterstützen kann.
Quelle: diatec-Fortbildungskonferenz 2025
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