„Diabetes-Früherkennung weiter voranbringen!“

Angela Monecke

Neugeborene werden bereits auf ein erhöhtes genetisches Risiko für Typ-1-Diabetes getestet. Neugeborene werden bereits auf ein erhöhtes genetisches Risiko für Typ-1-Diabetes getestet. © georgerudy – stock.adobe.com; DZD/Glaser

Das Thema Typ-1-Diabetes sorgt gegenwärtig für Schlagzeilen: weltweit steigende  Zahlen, das erste zugelassene Medikament gegen die Autoimmunkrankheit in den USA und eine neue Awareness-Kampagne namens „K1DS ARE HEROES“, die in Deutschland gestartet ist. Wie hoch stehen die Chancen, dass Typ-1-Diabetes heilbar wird?

Kaum ein Name ist so eng mit der Erforschung der Entstehung von Typ-1-Dia­betes verbunden wie der von Professor Dr. Anette-Gabriele Ziegler, Direktorin des Instituts für Diabetesforschung (IDF)/Helmholtz Munich und Forscherin am DZD. Wie man Typ-1-Diabetes schon heute früh gegen­steuern und künftig vielleicht verhindern kann – das hat sie uns bei einer Liveschaltung nach Perth, Australien, erzählt. 

In den USA ist das erste Medikament gegen Typ-1-Diabetes auf den Markt gekommen, Teplizumab. Wird Typ-1-Diabetes heilbar? 

Prof. Dr. Anette-Gabriele Ziegler: Das neue Medikament ist zur Prävention bzw. zur Immunmodulation des Typ-1-Diabetes in diesem Frühstadium gedacht, und ich hoffe, dass es auch bald in Europa durch die EMA zugelassen ist. Mein großer Wunsch ist, dass wir dadurch eine Neuausrichtung der Dia­betestherapie bekommen: Frühere Diagnose, frühere Therapie und dadurch die Chance, die Zeit der Insulinpflichtigkeit um einiges hinauszuzögern und die Therapie leichter zu machen. Damit es aber bei den richtigen Patient*innen eingesetzt werden kann, brauchen wir ein entsprechendes Screening. Ohne das können die Kinder nicht entdeckt werden, die davon profitieren.

An der Früherkennung von Typ-1-Diabetes forschen Sie mit der Fr1da-Studie bereits intensiv, und das Medikament könnte bald in Europa zugelassen werden. Gutes Timing, könnte man meinen …  

Ziegler: Das ist richtig. Mit dem Screening auf Inselautoantikörper im Kontext der U-Untersuchungen U7 bis U11 sind wir sehr gut aufgestellt, solche Therapien sehr früh durchzuführen. Wir sind in einem Fr1da-Netzwerk mit Standorten in München, Hannover und Dresden gut vernetzt und haben mehr als 200.000 Kinder in Deutschland auf ein Frühstadium des Typ-1-Diabetes getestet. Derzeit profitieren Kinder, bei denen der Typ-1-Diabetes im Frühstadium diagnostiziert wurde, von einer guten Stoffwechseleinstellung, einer besseren Betazellfunktion, einer deutlich geringeren Rate an schweren Stoffwechselentgleisungen und einer geringeren seelischen Belastung durch die Diagnose.

„Die Arbeit mit den Kindern motiviert mich, nicht aufzugeben“

Für ihre herausragenden Leistungen zum Verständnis des Diabetes und seiner Krankheitsmechanismen hat Prof. Dr. Anette-Gabriele Ziegler im November 2022 in Stockholm den EASD-Novo Nordisk Foundation Diabetes Prize for Excellence und dafür viel Applaus erhalten (siehe dz 10/2022). 
„Man muss immer Spaß haben an seiner Arbeit, das treibt mich an“, sagt sie. Ein Video zeigt ihr Leben als Diabetesforscherin, ihre Zeit als „Theatre Doctor“ in München und wie sie beim Bergsteigen in den Dolomiten oder auf dem Kilimandscharo neue Kraft tankt.

Bis heute wird Diabetes häufig erst entdeckt, wenn er schon entstanden ist. Wäre eine Früherkennung im Kindes- und Jugendalter die Lösung?

Ziegler: Das Screening auf Inselauto­antikörper endlich auf politischer Ebene zu diskutieren, halten wir für absolut sinnvoll. Ich hoffe, dass wir die Diabetes-Früherkennungen in die Regelversorgung bekommen.

2022 haben Sie den EASD-Novo Nordisk Foundation Diabetes Prize for Excellence erhalten, der mit 800.000 Euro dotiert ist. Was fangen Sie mit dem Forschungsgeld an? 

Ziegler: Uns geht es nach wie vor um die Pathogenese des Typ-1-Dia­betes: Warum entsteht überhaupt diese Autoimmunität? Wir wissen, dass die genannten Autoantikörper bei vielen schon früh im Leben auftreten. Deshalb interessieren uns besonders diese ersten Lebensjahre. In unseren Studien konnten wir viele Daten aus unseren Kohorten sammeln, inzwischen arbeiten wir auch mit Omics-Daten. All diese komplexen Daten wollen wir noch detaillierter verstehen: Was sind die immunologischen und metabolischen Veränderungen, die dieser Autoimmunität vorausgehen? Was passiert, bevor sie entstehen, und natürlich mit dem langfristigen Ziel: Wie kann man diese Prozesse verändern bzw. verhindern? 

Mit der internationalen Plattform GPPAD werden länderübergreifend über 400.000 Neugeborene in Europa auf ein erhöhtes genetisches Risiko für Typ-1-Diabetes getestet. Welche Ansätze verfolgen Sie hier?

Ziegler: Die sog. „Schluckimpfung“ mit oralem Insulin und die Beeinflussung des Mikrobioms. Sollten beide Erfolge zeigen, könnte man die Therapie auch sehr gut kombinieren, weil sich beide auf den Gastrointestinaltrakt richten. Mit Kombitherapien könnte man künftig noch bessere Effekte erzielen. 

Sie sagen: Meine Vision ist eine Welt ohne Typ-1-Diabetes. Leider steigen die Zahlen hier weiter stark an. Was kann die Forschung tun?

Ziegler: Wir sind auf einem guten Weg, die Mechanismen der Typ-1-Diabetes-Entstehung zu verstehen. Wir hoffen, durch die Ansätze einer Primärprävention einiges zu bewegen, damit die Diabeteszahlen endlich zurückgehen und wir unserer Vision so Schritt für Schritt näherkommen.

Die Studien

  • BABYDIAB: Eine bahnbrechende Entdeckung dieser Studie: Insulin ist das erste Ziel von Antikörpern. 
  • TEDDY: Erforscht die möglichen Auslöser des Autoimmunprozesses, der vor dem Hintergrund genetischer Faktoren zu Typ-1-Diabetes führt.
  • FR1DA: Erste bevölkerungsweite Früherkennungsstudie von Typ-1-Diabetes im Kindesalter. Sie untersucht, ob bei einem Kind ein frühes Stadium des Typ-1-Diabetes vorliegt. 
  • POInT: Verfolgt das Ziel, die Zerstörung der insulinproduzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse bei Kindern mit einem erhöhten Typ-1-Diabetesrisiko durch tägliche Gabe von Insulinpulver zu verhindern.
  • SINT1A: Untersucht, ob die Einnahme des Probiotikums Bifidobacterium Infantis die Entstehung von Typ-1-Diabetes bei Kindern mit erhöhtem genetischen Risiko verhindern kann. 
  • FREDER1k: Bereits Neugeborene werden auf das genetische Risiko getestet, einen Typ-1-Diabetes zu entwickeln. 
  • GPPAD: Globale Plattform zur Prävention des Autoimmunen Diabetes (GPPAD): Neugeborenen-Screening auf genetische Veranlagung (Freder1k), POInT- und SINT1A-Studie werden europaweit koordiniert.

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Neugeborene werden bereits auf ein erhöhtes genetisches Risiko für Typ-1-Diabetes getestet. Neugeborene werden bereits auf ein erhöhtes genetisches Risiko für Typ-1-Diabetes getestet. © georgerudy – stock.adobe.com; DZD/Glaser