Praktische Tipps von den Fachgesellschaften

Birgit Maronde

Das Morgencortisol zu messen ist in der Phase des therapeutischen Ausschleichens nicht sinnvoll. Das Morgencortisol zu messen ist in der Phase des therapeutischen Ausschleichens nicht sinnvoll. © sosiukin – stock.adobe.com

Was ist zu tun, wenn man eine Therapie mit Glukokortikoiden wieder absetzen will? Evidenzbasierte Vorgaben dafür gibt es nicht, man muss sich auf „gute klinische Praxis“ verlassen. Wie diese aussieht, haben Expertinnen und Experten in einer Leitlinie zusammengefasst. 

Mindestens 1 % der Bevölkerung erhält Glukokortikoide und das häufig über eine längere Zeit. Unter einer chronischen Therapie droht der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenachse jedoch Gefahr, sie wird supprimiert. Somit kann es nach dem Absetzen der Medikamente zu einer sekundären Nebennierenrinden(NNR)-Insuffizienz kommen.

Wie groß diese Gefahr ist, hängt von individuellen Faktoren wie Alter und Grunderkrankung, Dosis und Stärke des eingesetzten Steroids, der Behandlungsdauer sowie der Art der Applikation ab, berichtete Prof. Dr. Matthias Weber von der I. Medizinischen Klinik und Poliklinik der Universitätsmedizin Mainz. Nach topischer oder nasaler Glukokortikoidgabe erreicht die Prävalenz der NNR-Insuffizienz 4–5 %, nach inhalativer 8 % und nach oraler 49 %. Nach intraartikulärer Applikation liegt sie sogar bei 53 %.

Erhöhte Mortalität nach dem Steroidstopp

Bis zu 50 % der Steroidpatientinnen und -patienten entwickeln eine NNR-Insuffizienz, symptomatisch werden etwa 10 %, wobei eine Addisonkrise selten vorkommt. Ein bis zwei Jahre nach dem Absetzen der Medikamente ist eine erhöhte Mortalität zu beobachten. Über deren Ursache wird diskutiert, möglicherweise ist sie in einem nicht erkannten Defizit der körpereigenen Cortisolproduktion zu suchen, sagte Prof. Weber. Er stellte eine Leitlinie zum Management der glukokortikoidinduzierten NNR-Insuffizienz vor, die von einer europäischen und einer US-amerikanischen Fachgesellschaft* erarbeitet wurde.1 Die Evidenz der Empfehlungen sei zwar oft sehr gering, meist handele es sich um „good clinical practice“. Dafür gebe es aber konkrete und sehr praxisnahe Tipps, wie man beim Absetzen von Steroiden am besten vorgeht.

Steroidentzug versus NNR-Insuffizienz

In jeder Phase der Dosisreduktion können sich Glukokortikoidentzugssymptome entwickeln. Am häufigsten treten sie auf, wenn über lange Zeit supraphysiologische Steroiddosen gegeben wurden. Von den klinischen Symptomen einer NNR-Insuffizienz sind die Entzugssymptome – generelles Unwohlsein, Müdigkeit, Übelkeit, Muskel- und Gelenkschmerzen, Schlafstörungen, Stimmungsveränderungen – nur schwer zu unterscheiden. Während die Elektrolyte bei Entzugspatientinnen und -patienten normal bleiben und eventuell eine steroidinduzierte Hyperglykämie vorliegt, zeigen sich bei NNR-Insuffizienten häufig eine Hyponatriämie und eine Hypoglykämie. Die Betroffenen klagen über Gewichtsverlust, Hypotonie und orthostatische Beschwerden.

Wurde das Glukokortikosteroid nur kurz, d. h. weniger als 3–4 Wochen lang gegeben, ist kein Ausschleichen nötig. In allen anderen Fällen wird rasch auf die physiologische Erhaltungsdosis reduziert (therapeutisches Ausschleichen, s. Tabelle). Sie entspricht dem natürlichen Bedarf eines gesunden Menschen, unterscheidet sich von Substanz zu Substanz und beträgt für

  • Hydrocortison 15–25 mg/d
  • Prednison/Prednisolon 4–6 mg/d
  • Methylprednison 3–5 mg/d
  • Dexamethason 0,25–0,5 mg/d

Das Morgencortisol zu messen ist in der Phase des therapeutischen Ausschleichens nicht sinnvoll, betonte Prof. Weber.

So geht’s mit der Dosis bergab
Tagesdosis (Prednisonäquivalent)ReduktionsschritteZeitintervall
> 40 mg5–10 mgwöchentlich
20–40 mg5 mgwöchentlich
10–20 mg2,5 mgalle 1–4 Wochen
5–10 mg1 mgalle 1–4 Wochen
5 mg1 mg, sofern keine klinischen Symptome vorliegenalle 4 Wochen

Zwei Möglichkeiten, um das Ausschleichen fortzusetzen

Hat man die physiologische Erhaltungsdosis erreicht, bieten sich für das weitere Tapering zwei Optionen an: Die eine ist, die Patientin bzw. den Patienten auf ein kurz wirksames Glukokortikoid, z. B. 15–25 mg/d Hydrocortison oder 5 mg/d Prednison umzustellen. Alle vier Wochen geht es dann mit der Dosis um 5 mg Hydrocortison bzw. 1 mg Prednison nach unten. In dieser Zeit, aber auch nach dem endgültigen Absetzen, ist regelmäßig zu prüfen, ob sich klinische Symptome einer NNR-Insuffizienz (s. Kasten) entwickeln. Falls ja, sollte man die Steroiddosis wieder erhöhen, um sie anschließend noch langsamer auszuschleichen.

Man kann aber auch auf die zweite Managementalternative umswitchen: das laborchemisch gesteuerte Ausschleichen. Dabei wird der morgendliche Serumcortisolspiegel gemessen.

  • Werte > 10 µg/dl gehen mit einer geringen Wahrscheinlichkeit einher, dass eine NNR-Insuffizienz vorliegt, sodass das Steroid abgesetzt werden kann.
  • Messwerte ≤ 10 µg/dl erfordern eine fortgesetzte Glukokortikoidgabe in physiologischer Dosierung, bis sich die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenachse wieder erholt hat.
  • Eine Kontrolle des Messwerts erfolgt nach wenigen Wochen, sofern der Cortisolspiegel zwischen 5 und 10 µg/dl gelegen hat. Eventuell überweist man in die Endokrinologie zum ACTH-Stimulationstest. Hat der Cortisolwert 5 µg/dl unterschritten, wird erst nach einigen Monaten wieder kontrolliert.

* European Society of Endocrinology und Endocrine Society

Quellen:
1. Beuschlein F et al. J Clin Endocrinol Metab 2024, 109: 1657-1683; DOI: 10.1210/clinem/dgae250
2. Kongressbericht - 20. Diabetologie-Update-Seminar

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