Reizdarmsyndrom als organische Erkrankung anerkennen

Maria Weiß

Da klinisch brauchbare Biomarker für eine verlässliche positive Diagnose eines Reizdarmsyndroms fehlen, ist der Ausschluss anderer organischer Ursachen von entscheidender Bedeutung. Da klinisch brauchbare Biomarker für eine verlässliche positive Diagnose eines Reizdarmsyndroms fehlen, ist der Ausschluss anderer organischer Ursachen von entscheidender Bedeutung. © Tasleeemm - stock.adobe.com

Wie lässt sich ein Reizdarmsyndrom erkennen und therapieren? Eine komplexe Differenzialdiagnose und ernährungsmedizinische Maßnahmen sind die Voraussetzungen, um dem Leidensdruck effektiv begegnen zu können.

Lange wurde das Reizdarmsyndrom (RDS) als harmlose psychosomatische Befindlichkeitsstörung abgetan. Betroffene haben aber eine stark beeinträchtigte Lebensqualität. Der oft hohe Leidensdruck zieht zahlreiche ärztliche Konsultationen und diagnostische sowie therapeutische Maßnahmen nach sich, was auch sozioökonomisch von Bedeutung ist, schreiben Prof. Dr. Dr. Jürgen Stein vom Krankenhaus Sachsenhausen, Frankfurt, und Prof. Dr. Thomas Frieling vom Helios Klinikum Krefeld.

Die Diagnose gilt als gesichert, wenn drei Kriterien erfüllt sind

In der klinischen Praxis hat sich die in der deutschen S3-Leitlinie benutzte Definition bewährt. Ein RDS liegt demnach vor, wenn

  • chronische, mindestens seit drei Monaten anhaltende auf den Darm bezogene Beschwerden mit oder ohne Stuhlveränderungen bestehen,
  • das Ausmaß der Beschwerden dazu führt, dass die Menschen in ihrer Lebensqualität nachvollziehbar eingeschränkt sind und deswegen Hilfe suchen, sowie
  • im Rahmen der Routinediagnostik keine anderen pathologischen Befunde erhoben werden, die die Symptome erklären könnten.

Charakteristische Symptome sind Bauchschmerzen und Darmkrämpfe, Stuhlveränderungen wie Obstipation und Diarrhö (auch im Wechsel). Ebenso gehören Blähungen, abdominelle Distension oder Flatulenz zu den Beschwerden.

Für das weitere diagnostische und therapeutische Vorgehen ist die Einteilung in Subtypen anhand der führenden Symptomatik entscheidend:

  • Obstipationstyp (RDS-O): Stuhlgang hart/klumpig in ≥ 25 % der Stuhlgänge und breiig/wässrig in < 25 %
  • Diarrhötyp (RDS-D): Stuhlgang breiig/wässrig in ≥ 25 % und hart/klumpig in < 25 % der Stuhlgänge
  • Schmerz- (und/oder Bläh-)typ (RDS-U): ohne ausreichende Stuhlveränderungen für einen anderen Subtyp
  • Mischtyp (RDS-M): wechselndes Stuhlverhalten innerhalb von Stunden/Tagen mit Stuhlgang breiig/wässrig in ≥ 25 % und hart/klumpig in ≥ 25 % der Stuhlgänge
  • Alternierender Typ (RDS-A): wechselndes Stuhlverhalten innerhalb von Stunden/Tagen

Da klinisch brauchbare Biomarker für eine verlässliche positive Diagnose eines Reizdarmsyndroms fehlen, ist der Ausschluss anderer organischer Ursachen von entscheidender Bedeutung. Nach folgenden Symptomen sollte dabei immer aktiv gefragt werden, da sie auf schwerwiegende organische Erkrankungen hinweisen können:

  • Blut im Stuhl, Teerstuhl, Fettstuhl
  • erst kurz zurückliegender Beschwerdebeginn
  • kontinuierliches, progredientes Beschwerdebild
  • Gewichtsabnahme bei unveränderter Kalorienzufuhr
  • wiederholtes Erbrechen, Bluterbrechen
  • Störung des Nachtschlafs durch gastrointestinale Beschwerden
  • Erstmanifestation nach dem 50. Lebensjahr
  • familiäre Belastung (insbesondere Malignome)

Ein Hauptpfeiler der Therapie sind die umfassende Aufklärung über das Krankheitsbild nach gesicherter Diagnose sowie die Förderung von Selbstmanagementstrategien unter Berücksichtigung individueller Trigger und Linderungsfaktoren. Auch Empfehlungen zu Ernährung, Lifestyle und vermehrter körperlicher Aktivität gehören dazu.

Ernährungsanpassung ist in der Therapie unverzichtbar

Alle ernährungsmedizinischen, psychoedukativen, phytotherapeutischen und pharmakologischen Therapiemaßnahmen zielen darauf ab, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern. Das Ansprechen auf die einzelnen, an den Symptomen orientierten Therapiemaßnahmen ist sehr unterschiedlich, sodass häufig mehrere Ansätze ausprobiert werden müssen.
Ernährungsmedizinische Maßnahmen sind unverzichtbarer Bestandteil des Therapiekonzepts – auch wenn keine einheitlichen Empfehlungen gegeben werden können. Längerfristige Eliminationsdiäten sollten nur bei gesichertem Nachweis individueller Nahrungsmittelunverträglichkeiten durchgeführt werden. Eine Low-FODMAP*-Diät mit Elimination, Toleranzfindung und Langzeiternährung kann hilfreich sein, sollte aber wegen der Gefahr einer Mangelernährung durch Beraterinnen und Berater begleitet werden. Bei Obstipation helfen lösliche Ballaststoffe wie Flohsamen.

Zusätzlich können symptomorientiert unterschiedliche Probiotika eingesetzt werden. Auch die medikamentöse Therapie orientiert sich an den Symptomen. Bei prädominanten Schmerzen haben sich Spasmolytika wie Butylscopolamin, Mebeverin oder Pfefferminzöl bewährt. Bei Diarrhö kann bedarfsadaptiert Loperamid zum Einsatz kommen, ansonsten auch Colestyramin, Rifaximin (off-label) oder 5-HT3-Antagonisten. Zusätzlich naturheilkundliche Strategien sind die symptomorientierte Phytotherapie, unter Umständen auch Heilfasten, viszerale Osteopathie und Darmmassage.

* fermentable oligo-, di-, monosaccharides and polyols

Quelle: Stein J, Frieling T. Hessisches Ärzteblatt 2025; 86: 325-332

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Da klinisch brauchbare Biomarker für eine verlässliche positive Diagnose eines Reizdarmsyndroms fehlen, ist der Ausschluss anderer organischer Ursachen von entscheidender Bedeutung. Da klinisch brauchbare Biomarker für eine verlässliche positive Diagnose eines Reizdarmsyndroms fehlen, ist der Ausschluss anderer organischer Ursachen von entscheidender Bedeutung. © Tasleeemm - stock.adobe.com