
Cartoon Gesundheitspolitik
Schwarz-Rot will Facharztzugang neu regeln

Ein echtes hausärztliches Lotsensystem wird angesichts steigender Versorgungskosten und schwindender Arztzeit immer wieder mal ins Gespräch gebracht. Es blieb bislang bei der Freiwilligkeit der Hausarztzentrierten Versorgung (HzV). Doch CDU/CSU und SPD wollen jetzt den Quantensprung wagen – falls die Ideen ihrer Arbeitsgruppe Gesundheit und Pflege in einer erneuten großen Koalition nachhaltig Unterstützung finden.
Kürzere Wartezeiten, geringere Kosten
„Tiefgreifende strukturelle Reformen“ stehen auf der Agenda, mit einer schnelleren Terminvergabe und einem verbindlichen Primärarztsystem (bei freier Wahl der/des Hausärztin/-arztes bzw. Kinderärztin/-arztes durch die Versicherten). Und zwar in der HzV und im Kollektivvertrag. Einen Direktzugang soll es nur in der Augenheilkunde und der Gynäkologie geben. Im Einzelfall sollen Fachärztinnen und -ärzte die Lotsenrolle übernehmen dürfen. Auch könnten Patientinnen und Patienten mit einer spezifischen schweren chronischen Erkrankung künftig von Jahresüberweisungen profitieren.
Die Neuregelungen sollen Kosten senken, aber auch gegen lange Wartezeiten auf Arzttermine wirken. Wer zur fachärztlichen Versorgung vorgelassen wird, sollen künftig allein Primärärztinnen und -ärzte oder die jeweilige KV-Terminservicestelle (116 117) bestimmen. Funktioniert die Terminvergabe nicht, soll den betreffenden Patientinnen und Patienten der ambulante Facharztkontakt im Krankenhaus ermöglicht werden.
Ob sich Patientinnen und Patienten, die sich entgegen der Hausarztempfehlung von einer Fachärztin oder einem Facharzt behandeln lassen, an den zusätzlichen Kosten beteiligen müssen, wird diskutiert. Bundesärztekammer-Präsident Dr. Klaus Reinhardt könnte sich eine solche Regelung vorstellen. Auch Andreas Storm, Chef der DAK-Gesundheit, sieht in dem Angebot freie Arztwahl nur über einen Zusatztarif eine mögliche Maßnahme, um den steigenden GKV-Ausgaben zu begegnen.
Verena Bentele, die Vorsitzende des Sozialverbandes Deutschland, warnt dagegen vor erkauften Facharztterminen. Für alle müssten die gleichen Regeln gelten. „Wir brauchen ein vernünftiges System, das unabhängig vom Geldbeutel dafür sorgt, dass alle sich daran halten, zuerst die Hausarztpraxis aufzusuchen.“ Es wäre fatal, wenn der Geldbeutel anstelle des medizinischen Bedarfs entscheidend sei.
Der Bayerische Facharztverband kommentiert die Idee, den Zugang zum Spezialistenbereich im Wesentlichen nur über die Hausarztpraxen zu ermöglichen, mit dem Verweis auf das Forschungsprojekt „Nachhaltige Ausgestaltung des Gesundheitssystems“. Die Professoren Dr. Thomas Drabinski und Dr. Tim Nicolas Nierobisch vom Institut für Mikrodatenanalyse haben die Reformoption „Primärarztsystem“ anhand einer repräsentativen Umfrage Ende März bewertet. Fazit: Rund zwei Drittel der Patientinnen und Patienten bewerten ein Primärarztsystem negativ. Sie gehen davon aus, dass die Versorgung dadurch nicht schneller und nicht kostengünstiger wird. 85 % der Befragten halten die freie Arztwahl und den direkten Zugang zur Fachärztin oder zum Facharzt für wichtig.
Die Bundesvorsitzenden des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes, Prof. Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth und Dr. Markus Beier, äußern sich zu ersten Ergebnissen der Arbeitsgruppe Gesundheit positiv. Dass die Politik dabei auch explizit auf die HzV setze, sei der richtige Schritt: „Die HZV ist das bessere System und sorgt nachweislich für eine bessere und effizientere Patientenversorgung.“
Der Kardiologe und Vorsitzende von Medi Geno Deutschland Dr. Norbert Smetak untermauert: „Wir haben in Baden-Württemberg seit vielen Jahren umfassende Erfahrungen in erfolgreicher Patientensteuerung und begrüßen das geplante Primärarztsystem. Dafür benötigen wir aber bundesweit die Einführung der HzV in Verbindung mit den Facharztverträgen als Benchmark und bundesweite Blaupause. Im Kollektivsystem wird das Modell scheitern.“
Viele Akteure fragen sich, ob angesichts des bereits vorhandenen Fachkräftemangels und zunehmender demografischer Herausforderungen ein Primärarztsystem mit den vorhandenen personellen und finanziellen Ressourcen überhaupt realisierbar wäre. Fraglich ist auch, ob die Patientensteuerung über die Terminservicestellen funktionieren wird. Und wie schnell und umfangreich können Krankenhäuser unvermittelte ambulante Termine übernehmen?
#Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) sieht jedenfalls an vielen Stellen des Vorhabens großen Interpretationsspielraum. „Es darf nicht passieren, dass Krankenhäuser als Ausfallbürgen für den niedergelassenen Bereich herhalten müssen, wenn es den Kassenärztlichen Vereinigungen gerade passt“, so der DKG-Vorstandsvorsitzende Dr. Gerald Gaß. Es komme darauf an, was die Leitung im Bundesgesundheitsministerium aus den formulierten Zielen und Vorhaben mache.
„Es bleibt abzuwarten, was davon wirklich im Koalitionsvertrag landet, und – noch viel entscheidender – in welche konkreten Gesetzesformulierungen das Ganze am Ende gegossen wird“, heißt es in einer ersten Stellungnahme der KBV-Vorstände Dres. Andreas Gassen, Stephan Hofmeister und Sibylle Steiner. „Grundsätzlich ist es zu begrüßen, dass die Notwendigkeit einer Patientensteuerung in der Regelversorgung angedacht wird.“
Gebraucht wird aus Sicht der KBV-Spitze aber auch eine Entbudgetierung für Fachärzte, zumal diese zeitnah Termine zur Verfügung stellen sollen für den von Primärärzten oder der 116 117 ermittelten Bedarf. Lob seitens der KBV gibt es für die von Schwarz-Rot angedachte Bagatellgrenze von 300 Euro bei der Regressprüfung.
Quelle: Medical-Tribune-Bericht
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