Von der Krux, bipolare Störungen richtig zu diagnostizieren
Häufig vergehen viele Jahre, bis die Diagnose einer bipolaren Störung gestellt wird.
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Weltweit leiden rund 40 Millionen Menschen unter einer bipolaren Störung. Die psychische Erkrankung geht nicht nur mit einer eingeschränkten Lebensqualität seitens der Betroffenen und ihrer Angehörigen einher, sondern auch mit erheblichen gesundheitlichen Risiken.
Bipolarität lässt die Lebenserwartung sinken
Die häufigsten psychischen Komorbiditäten sind Angststörungen und Substanzkonsumstörungen. Darüber hinaus tragen Menschen mit bipolarer Störung im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung auch ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, Schlaganfälle und ein metabolisches Syndrom. Ein weiteres Problem ist die durchschnittlich verringerte Lebenszeit, die vor allem auf unnatürliche Todesursachen wie Suizide oder Unfälle zurückzuführen ist.
Bei der Diagnose wird zwischen den Subtypen Bipolar-I- und Bipolar-II-Störung unterschieden. Während bei Ersterer für die Diagnose bereits eine manische Episode ausschlaggebend ist, erfordert die Diagnose einer Bipolar-II-Störung mindestens eine schwere depressive Episode sowie eine hypomanische Episode. Die Mindestdauer für eine hypomanische Episode beträgt vier Tage. Eine manische Episode muss laut Definition mindestens sieben Tage anhalten oder zu einer Krankenhauseinweisung führen.
Niemals ohne psychosoziale Interventionen behandeln!
Laut internationalen Leitlinien gelten vier Psychotherapien als wissenschaftlich gesichert bei der Behandlung bipolarer Störungen – ergänzend zur Pharmakotherapie: Psychoedukation, kognitive Verhaltenstherapie, interpersonelle und soziale Rhythmustherapie sowie familienfokussierte Therapie. Sie gelten als evidenzbasierte Verfahren zur Reduzierung depressiver Symptome und zur Verringerung des Rückfallrisikos in der Erhaltungstherapie. Technologiegestützte Interventionen können den Zugang zu bipolar-spezifischen Therapien verbessern und Selbstmanagementstrategien unterstützen. Sie werden bereits von 40 % der Betroffenen genutzt.
Eine weitere zentrale nichtmedikamentöse Rolle spielen chronotherapeutische Maßnahmen in Form von Lichttherapie (ggf. kombiniert mit teilweisem Schlafentzug). Wichtige Prinzipien für Lebensstilinterventionen sind u. a. Regulierung von Schlaf-Wach-Zyklen, Einschränkung von Stimulanzien und ein moderates körperliches Training. Als sehr effektiv bei therapieresistenter bipolarer Depression, schweren gemischten Zuständen oder Katatonie hat sich die Elektrokrampftherapie erwiesen. Der gezielte Einsatz von (repetitiver) transkranieller Magnetstimulation befindet sich aktuell in der Erprobung.
Von diesen beiden Subtypen abzugrenzen ist die Zyklothymie, bei der die hypomanischen oder depressiven Symptome weniger stark ausgeprägt sind. Zu den Diagnosekriterien zählt eine Dauer von mindestens zwei Jahren, ohne dass eine Remission von mehr als zwei Monaten erreicht wird. Außerdem gibt es Mischzustände, bei denen gleichzeitig hypomanische, manische und depressive Symptome auftreten können. Typische Beschwerden umfassen Angstzustände, Unruhe und Reizbarkeit. Das Rapid Cycling ist eine weitere Verlaufsform von bipolaren Störungen. Es ist dadurch gekennzeichnet, dass innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten mindestens vier Phasen von Manie, Hypomanie oder Depression auftreten.
Somatische Erkrankungen als Ursache ausschließen
Wichtige Differenzialdiagnosen einer bipolaren Störung umfassen Schizophrenie und unipolare Depression. Vor allem bei atypischen oder spät auftretenden Verläufen sollte außerdem sichergestellt werden, dass die Störung nicht durch eine körperliche Erkrankung, den Konsum von Alkohol bzw. anderen Drogen oder Medikamente wie Steroide ausgelöst wurde.
Als besonders herausfordernd gilt die Unterscheidung zwischen einer bipolaren Störung und einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) sowie einer Borderline-Persönlichkeitsstörung. Dies liegt daran, dass bestimmte Verhaltensmerkmale wie Hyperaktivität, Impulsivität, emotionale Instabilität und disruptives Verhalten bei allen drei Diagnosen auftreten können. Außerdem können komorbide Erkrankungen wie Angststörungen, Substanzmissbrauch, ADHS, Zwangsstörungen, posttraumatische Belastungsstörungen, Essstörungen und Persönlichkeitsstörungen die Diagnose einer bipolaren Störung erschweren.
Die Behandlung einer bipolaren Störung fußt auf Medikamenten und Psychotherapie. Begleitend hierzu sind Lebensstilinterventionen und eine Chronotherapie sinnvoll. Bei einer akuten Manie sind Lithium, Quetiapin, Valproinsäure, Asenapin, Aripiprazol, Paliperidon, Risperidon und Cariprazin sowie verschiedene Kombinationen daraus pharmakologische Therapieoptionen der ersten Wahl. Zur Behandlung einer bipolaren Depression haben sich Olanzapin/Fluoxetin, Quetiapin, Olanzapin, Lurasidon, Lumateperon, Cariprazin und Lamotrigin als wirksam erwiesen.
Lithium gilt als eines der wirksamsten Prophylaxemittel in der Erhaltungstherapie. Der Stimmungsstabilisierer beugt nicht nur dem Wiederauftreten von Stimmungsschwankungen vor, sondern verringert auch die Wahrscheinlichkeit für Suizidalität und depressionsbedingte Krankenhausaufenthalte.
Zukünftig gilt es, Behandlungsergebnisse zu verbessern, beispielsweise für therapieresistente Personen oder die 50 bis 70 % der Menschen mit bipolarer Störung, die anhaltende kognitive Defizite aufweisen. So wurden in den letzten Jahren verschiedene Substanzen auf ihre Wirksamkeit bei bipolaren Störungen untersucht (darunter z. B. schnell wirkende Antidepressiva wie Ketamin, GABAerge Modulatoren oder Psilocybin). Es fehlen jedoch noch insbesondere Langzeitstudien, um deren Einsatz verlässlich beurteilen zu können.
Quelle: Singh B et al. Lancet 2025; doi: 10.1016/S0140-6736(25)01140-7
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