Warum Glukokortikoide morgens am besten wirken

DGRh 2025 Dr. Vera Seifert

Glukokortikoide wirken am besten, wenn sie dem natürlichen Kortisolrhythmus folgend verabreicht werden. Glukokortikoide wirken am besten, wenn sie dem natürlichen Kortisolrhythmus folgend verabreicht werden. © Marina Demidiuk - stock.adobe.com

Die bekannte Regel gilt weiterhin: Glukokortikoide wirken am besten, wenn sie dem natürlichen Kortisolrhythmus folgend verabreicht werden. Doch manchmal sind Ausnahmen nötig.

Trifft es eigentlich zu, dass Glukokortikoide nur morgens eingenommen werden sollten? Die Antwort lautet: Im Prinzip ja, aufgrund der bekannten physiologischen Schwankungen des endogenen Kortisols. Allerdings gibt es Ausnahmen.

In der 2024 publizierten S2e-Leitlinie zur Polymyalgia rheumatica steht, dass mit Glukokortikoiden unmittelbar nach Diagnosestellung begonnen werden sollte – oral und in morgendlicher Einzeldosis. Denn man folgt damit eben dem normalen Kortisol-Tagesrhythmus, erläuterte Prof. Dr. Frank Buttgereit, Charité – Universitätsmedizin Berlin. Gemäß einer Untersuchung aus dem Jahr 2010 werden die höchsten Werte morgens gegen 8:30 Uhr erreicht, die niedrigsten um Mitternacht. Weitere niedrigere Spitzen wurden um die Mittagszeit und um ca. 18:00 Uhr gemessen, bedingt durch die Kortisolstimulation nach den Mahlzeiten. Der rasche Anstieg am Morgen wird auch als Cortisol Awaking Response (CAR) bezeichnet und bewirkt, dass wir „in die Gänge kommen“ und den Anforderungen des Tages gerecht werden können. Als Boost wirken außerdem das Aufwachen und das Licht am Morgen. Steht ein stressiger Tag bevor (z. B. eine berufliche Herausforderung), steigt die CAR an.

Morgendliche Gabe ahmt natürlichen Rhythmus nach

Führt man exogene Glukokortikoide früh am Morgen zu, imitiert man dieses Muster. Dadurch sinkt die Wahrscheinlichkeit, den natürlichen Schlaf-Wach-Rhythmus zu stören. Außerdem ist die negative Feedback-Regulation durch Hypothalamus und Hypophyse zu beachten. Eine abendliche Gabe von Glukokortikoiden würde die Ausschüttung von Corticotropin-Releasing-Hormon (CRH) und ACTH hemmen und damit den physiologischen Kortisolanstieg am Morgen verhindern. Die Erholung der Achse wird gedämpft. Es droht eine Nebennierenrindeninsuffizienz. Bei morgendlicher Gabe dagegen fällt die Hemmwirkung von Hypothalamus/Hypophyse in die Zeit, in der diese Schiene sowieso physiologisch heruntergefahren ist.

Außerdem sprechen noch weitere Kriterien für die morgendliche Gabe: Die Einnahme am Morgen ist einfacher, sie entspricht der täglichen Routine. Die Schlafqualität ist besser. Zudem fallen die metabolischen Nebenwirkungen wie Gewichtszunahme, Glukosestoffwechselstörungen und kardiovaskuläre Probleme geringer aus. Kortisol als Stresshormon sorgt dafür, dass mehr Energie verfügbar ist, mobilisiert also Glukose, Proteine und Fette. Außerdem steigen Adrenalin und Noradrenalin an, was den Blutdruck stabilisiert. Kortisol hemmt zudem die Entzündung, schützt vor einer überschießenden Immunreaktion und dämpft die Aktivität des Immunsystems. Synthetische Glukokortikoide verstärken alle diese Wirkungen. Es drohen also bekanntlich Diabetes mellitus, Stammfettsucht, Hypertonie, erhöhte Infektanfälligkeit und schlechtere Wundheilung. Bei physiologischem Kortisolrhythmus wird die Achse in der Nacht gehemmt, alle beschriebenen Wirkungen fahren zurück.

Insgesamt ist es also eine gute Idee, Kortikoide morgens zu geben. Aber es gibt Ausnahmen. So haben Schicht- bzw. Nachtarbeiter ein verändertes Kortisolsekretionsmuster. Flachere bzw. invertierte Profile kommen auch bei chronischem Stress, Depression, Burnout oder Insomnie vor. Wenn die Therapie dann schlecht wirkt, kann es sich lohnen, auf eine abendliche Gabe umzustellen, Eine Modified-release-Gabe ist manchmal sinnvoll, um bei rheumatoider Arthritis die Morgensteifigkeit zu verbessern. Zudem hilft in speziellen Situationen, z. B. bei nächtlichen Schmerzen bei Polymyalgia während des Ausschleichens, ein Aufsplitten der Dosis in eine morgendliche und eine nachmittägliche Gabe.

Quelle: Deutscher Rheumatologiekongress 2025

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