Warum Insulin weiterhin nötig ist

DGIM 2025 Dr. Joachim Retzbach

Insulin hat noch nicht ausgedient. Für viele Betroffene bleibt die Behandlung essenziell. Insulin hat noch nicht ausgedient. Für viele Betroffene bleibt die Behandlung essenziell. © Aleksandra Gigowska – stock.adobe.com

Moderne Antidiabetika feiern Erfolge, mit einigen Präparaten lässt sich auch eine deutliche Gewichtsreduktion erzielen. Doch bei bestimmten Subtypen des Typ-2-Diabetes bleibt Insulin unverzichtbar. Ein Experte erklärt, woran man diese Betroffenen erkennt.

Inkretinbasierte Antidiabetika wie Semaglutid verbessern die Blutzuckerkontrolle von Menschen mit Typ-2-Diabetes schnell und effektiv. Wird die Therapie mit Insulin für Betroffene daher in naher Zukunft obsolet? Dem widersprach Prof. Dr. Stefan Zimny, Helios Kliniken Schwerin, deutlich. Denn oft werde vergessen, dass es sich beim Diabetes um eine heterogene Erkrankung handelt: „Typ 2 ist nicht gleich Typ 2“, stellte Prof. Zimny fest.

So findet sich unter neu Diagnostizierten ein erheblicher Anteil an Personen mit schwerem Autoimmundiabetes (SAID) und schwerem insulindefizientem Diabetes (SIDD). Bei Betroffenen im SAID-Cluster ist der klassische Autoimmunprozess für eine Dezimierung der Betazellen verantwortlich – wie beim Typ-1-Diabetes. Bei der Erkrankung vom SIDD-Typ dagegen führt eine dauerhafte Überlastung von Betazellen offenbar dazu, dass diese sich zunächst dedifferenzieren und schließlich zu Alphazellen reprogrammiert werden. Die frühere Sichtweise, nach der Betazellen durch andauernde Belastung stets zuerst dysfunktional werden und schließlich absterben, sei durch Tierstudien widerlegt, erläuterte der Referent.
Insgesamt benötigt damit rund ein Viertel der Patientinnen und Patienten mit Diabetes Typ 2 bereits bei der Erstdiagnose einer Insulintherapie. Für SAID- und SIDD-Betroffene sind weder Metformin noch neue Antidiabetika ausreichende Optionen. Bei SIDD etwa führt Metformin oft nur kurzzeitig zu einer Besserung der Blutzuckerwerte, bevor diese wieder deutlich ansteigen.

Diese Personen aus den beiden Clustern zu identifizieren, ist jedoch nicht trivial, u. a. weil ein erhöhter BMI und das metabolische Syndrom auch bei ihnen verbreitet sind. Sie unterscheiden sich jedoch durch einen höheren HbA1c-Wert und eine reduzierte Insulinsekretionsleistung bei der Erstdiagnose von anderen Typ-2-Erkrankten.

Zur einfachen Beurteilung der Betazellfunktion reiche der C-Peptid-Glukose-Quotient aus, so Prof. Zimny. Bei Werten ≥ 5 ist in der Regel keine Insulintherapie nötig. Werte zwischen 2 und 5 deuten auf eine eingeschränkte endogene Insulinsekretion hin; dann ist ein Basalinsulin als Ergänzung zum oralen Antidiabetikum angezeigt. Eine Rate von < 2 spricht für eine sofortige Insulinbehandlung – je niedriger der Wert liegt, desto eher in Form einer Basis-Bolus-Therapie.

Erst wenn geklärt ist, ob Insulin nötig ist, trifft Prof. Zimny weitere Therapieentscheidungen. Neben Metformin empfehlen sich bei erhöhtem kardiovaskulärem Risiko v. a. SGLT2-Inhibitoren. Etwas zu kurz kommt dem Referenten in Deutschland, anders etwa als in den USA und in anderen europäischen Ländern, die Reduktion des BMI als Behandlungsziel. So sei deutliches Übergewicht ein Risikofaktor für komorbide Krebserkrankungen, die neben kardiovaskulären Krankheiten für den Verlust an Lebensjahren bei Menschen mit Typ-2-Diabetes verantwortlich seien.

Der GLP1-Rezeptoragonist Semaglutid senkt neben dem HbA1c auch das Körpergewicht deutlich. Der kombinierte GIP-/GLP1-Rezeptoragonist Tirzepatid scheint in dieser Hinsicht noch effektiver zu sein. Einen weiteren Sprung erhofft man sich vom Triple-Agonisten Retatrutid (GIP, GLP-1 und Glukagon). In einer Phase-2-Studie erreichten rund 80 % der mit Retatrutid behandelten Menschen mit Typ-2-Diabetes einen HbA1c-Wert unter 6,5 %; bei einem Fünftel lag der Wert sogar unter 5,7 %. Die Gewichtsreduktion betrug in der Gruppe mit der erfolgreichsten Dosierung nach 36 Wochen fast 18 %.

Quelle: Kongressbericht – 131. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin

Typ-2-Diabetes – brauchen wir noch Insulin?

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