Wechselwirkungen zwischen Psychopharmaka und somatischen Medikamenten drohen
Ob Antidiabetika, Antihypertensiva oder Plättchenaggregationshemmer: Bei der Kombination mit Psychopharmaka ist Vorsicht geboten.
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Aktuellen Studien zufolge nehmen psychisch kranke Menschen in Europa im Schnitt vier bis fünf Medikamente ein – sowohl gegen psychische als auch gegen körperliche Leiden. Mit der Zahl der Arzneimittel steigt jedoch das Risiko für Nebenwirkungen und Interaktionen erheblich an. Ein Team um die Pharmazeutin Prof. Dr. Martina Hahn, Varisano Klinikum Frankfurt-Höchst, erklärt die häufigsten relevanten Wechselwirkungen zwischen somatischen und psychiatrischen Medikamenten.
Schon unter einer Monotherapie mit serotonergen Antidepressiva ist das Blutungsrisiko erhöht. Werden diese mit Thrombozytenaggregationshemmern oder Antikoagulanzien kombiniert, steigt die Gefahr für intrakranielle Blutungen weiter an. Dies gilt vor allem für die gleichzeitige Gabe eines Plättchenaggregationshemmers mit einem selektiven Serotonin- oder Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI bzw. SNRI) oder einem trizyklischen Antidepressivum. Das Autorenteam empfiehlt daher, in diesen Fällen alternative Antidepressiva wie beispielsweise Agomelatin, Bupropion, Mirtazapin, Mianserin, Reboxetin oder Tianeptin bevorzugt zu verschreiben. Angsterkrankungen können mit Pregabalin statt mit einem SSRI/SNRI behandelt werden.
Lieber Paracetamol als ein NSAR gegen Schmerzen
Die Gabe eines Wiederaufnahmehemmers zusammen mit einem NSAR erhöht das gastrointestinale Blutungsrisiko erheblich, da SSRI die Azidität des Magens und damit Ulzerationen fördern. Daher sollte man zusätzlich einen Protonenpumpeninhibitor verschreiben, am besten Pantoprazol oder Rabeprazol. Zur Schmerzbekämpfung biete sich auch Paracetamol bzw. zur lokalen Behandlung ein Gel oder eine Creme mit Ibuprofen oder Diclofenac an, empfehlen Prof. Hahn und ihr Team.
Eine weitere unerwünschte Interaktion, die unter einer Kombination von SSRI mit Diuretika oder ACE-Hemmern entstehen kann, ist die Hyponatriämie. Unter SSRI ist generell eine vermehrte Freisetzung von antidiuretischem Hormon möglich. Die Folgen sind eine verminderte Wasserausscheidung und eine Verdünnungs-Hyponatriämie. Zu niedrige Natriumspiegel können zu Schwäche, Apathie, Kopfschmerzen, Krämpfen, Hirnödem und Koma führen. Die gleichzeitige Gabe von Diuretika, ACE-Hemmern, Sartanen oder PPI steigert das Risiko. Daher sollten insbesondere bei Therapiebeginn die Elektrolyte engmaschig kontrolliert werden.
Wenn mehrere Medikamente gleichzeitig eingenommen werden, die die Serotoninkonzentration im synaptischen Spalt erhöhen (z. B. SSRI, SNRI oder Monoaminoxidasehemmer), steigt das Risiko für ein Serotoninsyndrom stark an. Es beginnt mit unspezifischen Symptomen wie Übelkeit, Erbrechen und Zittern. In schweren Fällen kann es zu Verwirrtheit, Halluzinationen, Krampfanfällen und Bewusstseinsstörungen kommen. Es gibt kein spezifisches Gegenmittel, serotonerge Medikamente müssen sofort abgesetzt werden. Ein erhöhtes Risiko besteht vor allem unter serotonergen Schmerzmitteln wie Tramadol. Daher empfiehlt das Expertenteam, bei Menschen mit psychiatrischen Erkrankungen generell auf Tramadol zu verzichten. Zu den nichtserotonergen Analgetika, auf die man zurückgreifen kann, zählen Morphin, Hydromorphon und Tilidin.
Manche Antidepressiva können die Wirkung von Antihypertensiva und die herzfrequenzsenkenden Eigenschaften von Betablockern und Verapamil beeinflussen. Das trifft auf Venlafaxin, Duloxetin, Nortriptylin, Reboxetin und Milnacipran zu, da diese nicht nur die Serotonin-, sondern auch die Noradrenalin-Homöostase modifizieren. Venlafaxin etwa hemmt die Noradrenalin-Wiederaufnahme und kann auf diesem Weg die Blutdrucksenkung durch Antihypertensiva abschwächen. Vor allem in den ersten beiden Therapiewochen sollten daher Blutdruck und Herzfrequenz überwacht werden.
Beim An- und Absetzen von SSRI den Blutzucker prüfen
Zusätzlich weisen die Autorinnen und Autoren auf folgende mögliche Wechselwirkungen hin:
- SSRI können sich auf die Blutzuckereinstellung von Diabeteserkrankten auswirken. Daher beim An- und Absetzen von SSRI regelmäßig die Blutglukose- und HbA1c-Werte überprüfen.
- Vor allem Clozapin, aber auch andere Psychopharmaka können hämatotoxische Effekte zeigen. Bei Clozapin konnte dies vor allem nachgewiesen werden, wenn es zusammen mit Antiinfektiva, PPI oder mit Medikamenten, die das autonome Nervensystem beeinflussen, verabreicht wurde. Daher sind regelmäßige Blutbildkontrollen wichtig.
- Verschiedene Wirkstoffgruppen können die QTc-Zeit verlängern. Bei Citalopram, Escitalopram und Venlafaxin sollte vor Beginn der Therapie und im Monat danach eine EKG-Kontrolle erfolgen. Bei Trizyklika sind halbjährliche EKG-Kontrollen angemessen.
Quelle: Hahn M et al. Psychopharmakotherapie 2025; 32: 98-104; doi: 10.52778/ppt20250007
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