Wo punkten die Anti-CGRP-Substanzen in der Therapie?

Dr. Angelika Bischoff/Dr. Susanne Gallus

Spezifisch entwickelte Medikamente wie Gepante und Antikörper ermöglichen mittlerweile in der Migränetherapie ein zielgerichtetes Vorgehen. Wodurch zeichnen sich die modernen Wirkstoffe aus und worauf darf man in Zukunft hoffen? Spezifisch entwickelte Medikamente wie Gepante und Antikörper ermöglichen mittlerweile in der Migränetherapie ein zielgerichtetes Vorgehen. Wodurch zeichnen sich die modernen Wirkstoffe aus und worauf darf man in Zukunft hoffen? © Oleksii - stock.adobe.com

Spezifisch entwickelte Medikamente wie Gepante und Antikörper ermöglichen mittlerweile in der Migränetherapie ein zielgerichtetes Vorgehen. Wodurch zeichnen sich die modernen Wirkstoffe aus und worauf darf man in Zukunft hoffen?

Mit der Identifizierung des Calcitonin Gene-Related Peptide (CGRP) als migränespezifischer Therapieansatzpunkt eröffneten sich Möglichkeiten für neue zielgerichtete Therapien. CGRP ist ein Vasodilatator und moduliert die zerebrovaskuläre Nozizeption. Die vermutete kopfschmerzverursachende Aktivierung des trigeminovaskulären Systems steht mit der Freisetzung von Neuropeptiden – insbesondere CGRP – in Verbindung. Ein zusätzlicher Vorteil der gegen CGRP gerichteten Medikamente: Sie werden in der Regel gut vertragen und scheinen ein günstigeres Nebenwirkungsprofil zu haben als z. B. Valproat, Amitriptylin und Topiramat, schreiben Prof. Dr. Jan Versijpt vom Universitair Ziekenhuis Brussel und sein Team.

Anti-CGRP-Antikörper

Derzeit stehen vier monoklonale Antikörper zur Verfügung: drei gegen den Liganden (Eptinezumab, Fremanezumab und Galcanezumab) sowie ein Antikörper gegen den CGRP-Rezeptor (Erenumab). Fremanezumab, Galcanezumab und Erenumab werden subkutan appliziert und sind aufgrund der langen Halbwertszeit und der Dauer, bis die maximale Wirkstoffkonzentration erreicht ist, vor allem für die Prophylaxe geeignet. Eptinezumab erhalten Behandelte dagegen i. v., weswegen dem Antikörper ein schnellerer Wirkeintritt und laut einer Studie auch ein zusätzlicher akuter Effekt (2 h nach Gabe) attestiert wurden. Klinischen Studien zufolge schaffen es etwa die Hälfte der Behandelten durch die Anti-CGRP-Antikörper, die Zahl der Migränetage um mindestens 50 % zu reduzieren. Real-World-Studien kommen sogar auf bis zu 77 %. Auch bei einem Medikamentenübergebrauchskopfschmerz ließ sich ein Benefit feststellen. Bewertet werden sollte ein Therapieansprechen frühestens drei Monate nach Beginn. Es kann schneller gehen, es gibt aber auch Menschen, die erst nach diesem Zeitraum ansprechen. In einzelnen Fällen wurde die Bildung von Anti-Drug-Antikörpern beobachtet, was sich aber nicht auf Wirksamkeit oder Verträglichkeit auswirkte. Zeigt der Liganden-Antikörper keine Wirkung, kann es sinnvoll sein, auf den Rezeptorantikörper zu switchen. Verblindete Head-to-Head-Studien innerhalb der Gruppe sowie Untersuchungen zu Antikörperwechseln gibt es aber keine.

Bislang fehlen verblindete Absetzstudien. Dennoch empfiehlt die European Headache Federation, bei einer erfolgreichen Therapie nach 12–18 Monaten eine Pause einzuplanen. Verschlechtert sich die Migräne währenddessen, kann die Therapie wieder aufgenommen werden. Kontraindikationen bestehen bei kürzlich stattgefundenen kardio- oder zerebrovaskulären Ereignissen, schwerem Raynaudsyndrom sowie Schwangerschaft (sechs Monate zuvor absetzen!) und Stillzeit.

Anti-CGRP-Small-Molecules

Während den Gepanten der ersten Generation noch ihre Hepatotoxizität einen Strich durch die Rechnung machte und die Forschung sich in Richtung Antikörper verlagerte, ließ sich das Toxizitätsproblem inzwischen durch Modifikationen vermindern. Allerdings gilt eine schwere Leberfunktionsstörung weiterhin als Kontraindikation. Bei gestörter Nierenfunktion sollte man ggf. auf Gepante verzichten (Zavegepant, Ubrogepant) oder die Dosis reduzieren (Atogepant). Die Gepante als Wirkstoffklasse heben sich vor allem dadurch hervor, dass sie die Grenze zwischen Akuttherapie und Prophylaxe verwischen. Vier moderne Vertreter stehen zur Verfügung. Im Falle einer geplanten Schwangerschaft sollten Patientinnen die Gepante mindestens eine Woche zuvor absetzen.

Im Gegensatz zu Triptanen haben Gepante keine vasokonstriktiven Effekte, was ihnen einen Vorteil verschaffen könnte. Dennoch scheint CGRP eine Rolle bei parallel vorliegenden ischämischen Ereignissen zu spielen, weswegen sich das Autorenteam ausführliche Langzeitstudien wünscht. Fast alle Gepante werden oral appliziert, nur Zavegepant intranasal. Ubrogepant war zwar die erste zugelassene Substanz, im Placebovergleich schaffte der Wirkstoff aber nicht einmal einen 10%igen Unterschied. 

Das orale Atogepant besitzt die EMA-Zulassung zur Migräneprophylaxe und hat sich als effektiv in der Prävention der episodischen und chronischen Migräne erwiesen. Rimegepant wird ebenfalls oral eingenommen und ist als einziges Gepant zugelassen sowohl für die Akuttherapie als auch zur Prävention der episodischen Migräne. In drei Phase-3-Studien war es dem Placebo überlegen. Effekte hat die Substanz auch gezeigt bei Erwachsenen, die auf Triptane unzureichend angesprochen haben. Zavegepant ist in den USA zur Akutbehandlung von Migräneattacken zugelassen. Ob die nasale Applikation Vorteile gegenüber der oralen hat, ist unklar. Aber sie kann Betroffenen, die unter Nausea und Erbrechen leiden, eine Alternative bieten. 

Es gibt zwar keine Head-to-Head-Studien mit Gepanten und Triptanen. Aber indirekte Vergleiche lassen vermuten, dass die Schmerzfreiraten nach zwei Stunden bei Gepanten niedriger ausfallen als bei Triptanen – ähnlich der von Paracetamol.

Bezüglich der Migräneakuttherapie muss weiterhin auf ein „One fits all“-Konzept gehofft werden, daran ändern auch CGRP-gerichtete Therapien nichts, so das Autorenteam. Betroffene und ihre behandelnden Ärztinnen und Ärzte müssen sich über Ausprobieren zum individuell am besten geeigneten Vorgehen herantasten. Aus Kostengründen werden Gepante wahrscheinlich als Reservemedikamente fungieren, z. B. bei Unverträglichkeiten, Kontraindikationen oder unzureichendem Ansprechen auf Triptane. Prognostische Marker, um die Medikamente zielgerichteter einsetzen zu können, fehlen bislang. Ob sich prophylaktisch und akut wirkende Substanzen im Rahmen des Anti-CGRP-Ansatzes kombinieren lassen – z. B. Antikörper und Gepant –, wird derzeit getestet.

Quelle: Versijpt J et al. Lancet 2025; 405: 1014-1026; doi: 10.1016/S0140-6736(25)00109-6

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