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Steigerungsfaktoren und Analogien Auch die „alte“ GOÄ hat ihre Reize

Abrechnung und ärztliche Vergütung , Privatrechnung Autor: Dr. Gerd W. Zimmermann

Über Multiplikatoren lassen sich aus der GOÄ einige Hindernisse überwinden. Über Multiplikatoren lassen sich aus der GOÄ einige Hindernisse überwinden. © Sheremetio – stock.adobe.com
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Die GOÄ ist völlig überholt? Stimmt. Aber dank der Multiplikatoren und analogen Bewertungen ist auch dieses Fossil noch attraktiv. 

Eine GOÄ-Reform ist überfällig und es besteht weiterhin kein medizinischer Grund, den fertiggestellten und mit den Kostenträgern abgestimmten Entwurf nicht in Kraft zu setzen. Dennoch verweigert das Bundesgesundheitsministerium diesen Schritt, wohl aus politischen Gründen. Das ist schlimm. Eine Weiterentwicklung ist aber auch mit den vorhandenen Mitteln möglich. Man muss sie nur einsetzen. 

Die aktuelle GOÄ beinhaltet zwei Möglichkeiten, die fehlende Aktualität zu überwinden. So ermöglicht § 5 Absatz 2 bei den meisten Abrechnungspositionen den Einsatz eines Multiplikators, über den Leistungen in Abhängigkeit von Schwierigkeit, Zeitaufwand oder Umständen bei der Ausführung höher in Rechnung gestellt werden können. Die neue GOÄ kennt eine solche Möglichkeit nicht – es ist also durchaus fraglich, ob sie wirklich eine Verbesserung für die Ärztinnen und Ärzte darstellt.

§ 6 Absatz 2 stellt eine quasi perfekte Ergänzung zu diesen Multiplikator-Bestimmungen dar. Er bestimmt, dass selbstständige ärztliche Leistungen, die nicht in der GOÄ enthalten sind, entsprechend einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses berechnet werden können. Auch hier stellt sich deshalb die Frage, ob es so dringlich ist, die neue GOÄ einzuführen, denn die Möglichkeit analoge Bewertungen einzusetzen, fehlt dort auch. Stattdessen soll ein Ausschuss durch entsprechende Beschlüsse für eine Aktualisierung sorgen – ein wahrscheinlich schwerfälligerer Prozess als das zurzeit bestehende Anpassungsverfahren.

Videosprechstunde

GOÄ

Legende

Euro 1x

1

Beratung durch den Arzt mittels E-Mail, analog Nr. 1 GOÄ, Chat und SMS sind ausgeschlossen

4,66

1

3

Beratung durch den Arzt mittels Videoübertragung (z. B. Videosprechstunde), originär Nr. 1 und 3 GOÄ

4,66

8,74

2

Ausstellung von Rezepten und/oder Überweisungen und/oder Übermittlung von Befunden oder ärztlichen Anordnungen mittels Videotelefonie, E-Mail durch Medizinische Fachangestellte, analog Nr. 2 GOÄ, Chat und SMS sind ausgeschlossen

1,75

3

Beratung zur Organ- und Gewebespende nach § 2 Abs. 1b i.V.m. Abs. 1a TPG, Dauer mindestens 10 Minuten, analog Nr. 3 GOÄ, innerhalb von zwei Jahren nur einmal berechnungsfähig

8,74

4

Erhebung der Fremdanamnese über einen Kranken und/oder Unterweisung und Führung der Bezugsperson(en) mittels Videoübertragung im Zusammenhang mit der Behandlung eines Kranken, analog Nr. 4 GOÄ

12,82

5

Visuelle symptomatische klinische Untersuchung mittels Videoübertragung (z. B. Videosprechstunde), analog Nr. 5 GOÄ

4,66

15

Einleitung und Koordination flankierender therapeutischer und sozialer Maßnahmen mittels Videoübertragung während der kontinuierlichen ambulanten Betreuung eines chronisch Kranken, analog Nr. 15 GOÄ

17,49

Quelle: BÄK

Diese Regeln gelten für die analogen Bewertungen

Die Spielregeln, nach denen solche analogen Bewertungen übernommen bzw. entwickelt werden können, hat die Bundesärztekammer 1982 mit den „Grundsätzen analoger Bewertungen“ festgelegt. 

  • So darf eine Leistung, die analog bewertet werden soll, nicht bereits Bestandteil des Gebührenverzeichnisses sein, es muss sich um eine selbstständige Leistung handeln und sie darf keinen Teilschritt einer anderen Leistung oder von Leistungen darstellen, die nur eine Modifikation einer in der GOÄ enthaltenen Leistung sind. So bleibt z.B. eine zeitaufwendige Beratung von 20 Minuten oder mehr eine Beratungsleis­tung nach Nr. 3. Sie kann nicht durch eine andere Gesprächsleistung mit definiertem Inhalt ersetzt werden – auch nicht, um die Ausschlüsse bei der Nr. 3 zu umgehen, die nur einen Ansatz neben den Nrn. 5–8, 800 und 801 zulassen. Hier „hilft“ aber der § 5 Absatz 2, der entweder die Möglichkeit eröffnet, die betroffene Leistung oder eine andere, inhaltlich gleiche Beratungsleistung – wie hier z.B. die Nr. 1 – mit einem angepassten Steigerungsfaktor innerhalb des Gebührenrahmens abzurechnen. Eine Alternative wäre gegebenenfalls auch eine Abdingung nach § 2, bei der man mit dem Patienten einen Behandlungsvertrag abschließt, der die Grundlagen der Abrechnung eindeutig festlegt.

  • Analoge Bewertungen müssen nach § 6 Abs. 2 „gleichwertig“ sein. Das bedeutet, bei sog. technischen Leistungen nach Kapitel A darf bei analoger Abrechnung auch nur der 1,8-fache/2,5-fache Steigerungssatz angewandt werden. Gleiches gilt für Vorgaben wie Mindestzeiten, Leistungsausschlüsse und Begrenzungen der Abrechnungsfähigkeit in einem Zeitraum.

  • Eine analoge Abrechnungsposition muss nach § 12 Absatz 4 für den Zahlungspflichtigen verständlich beschrieben und mit dem Hinweis „entsprechend“ sowie der Nummer und der Bezeichnung der als gleichwertig erachteten Leistung versehen werden. Zur Erleichterung werden im Analogverzeichnis der BÄK aber „Platzhalternummern“  verwendet. Diese sollen die Leistung dem fachlichen Abschnitt der GOÄ zuordnen und sind in der Regel dem Verordnungsgeber und den Kostenträgern bekannt und damit verbindlich.

  • Eine Aktualisierung des Verzeichnisses der analogen Bewertungen haben seit 1998 der Ausschuss „Gebührenordnung“ der BÄK und der Zentrale Konsultationsausschuss für Gebührenordnungsfragen bei der BÄK übernommen. Hinzu kommen analoge Bewertungen, denen Beschlüsse des Vorstandes der BÄK zugrunde liegen. Das Recht des Arztes/der Ärztin auf eigene analoge Bewertungen bleibt aber unter den genannten Kriterien bestehen. Es kann allerdings vorkommen, dass Kostenträger in ihren vertraglichen Bestimmungen bzw. Beihilferegelungen die Kos­tenerstattung für Analogabrechnungen, die nicht im Analogverzeichnis enthalten sind, gegenüber dem Patienten ablehnen.

Sonstige analoge GOÄ-Leistungen

GOÄ

Legende

Euro 1x

33

Anleitung des Patienten zu Grundprinzipien des Telemonitorings, zum Gebrauch der eingesetzten Geräte und zum Selbstmanagement, analog Nr. 33 GOÄ, einmal zum Beginn der Behandlung berechnungsfähig

17,49

60

Vorstellung eines Patienten und/oder Beratung über einen Patienten in einer interdisziplinären und/oder multiprofessionellen Videokonferenz, zur Diagnosefindung und/oder Festlegung eines fachübergreifenden Behandlungskonzepts, originär Nr. 60 GOÄ

6,99

60

Konsiliarische Erörterung von Warnmeldungen und veranlassten Maßnahmen und/oder patientenindividuelle Erörterung über die Notwendigkeit einer täglichen Sichtung von Warnmeldungen zwischen den am Telemonitoring beteiligten Ärzten einschließlich der entsprechenden Dokumentation, je beteiligtem Arzt, originär nach Nr. 60 GOÄ

6,99

70

Erstellung oder Aktualisierung und ggf. elektronische Übersendung eines Medikationsplans, analog Nr. 70 GOÄ

2,33

70

Weitere Befüllung der elektronischen Patienten- oder Gesundheitsakte mit medizinischen Informationen, inklusive Ergänzung der zu den Dokumenten gehörenden Metadaten, analog Nr. 70 GOÄ

2,33

75

Erstbefüllung der elektronischen Patienten- oder Gesundheitsakte mit medizinischen Informationen, inklusive Ergänzung der zu den Dokumenten gehörenden Metadaten, analog Nr. 75 GOÄ

7,58

76

Verordnung und ggf. Einweisung in Funktionen bzw. Handhabung sowie Kontrolle der Messungen zu digitalen Gesundheitsanwendungen, analog Nr. 76 GOÄ

4,08

Quelle: BÄK

Der Vorstand der Bundesärztekammer gibt in regelmäßigen Abständen Empfehlungen zur Abrechnung analoger Leistungen ab, wie sie z.B. zuvor über Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) Einzug in den EBM gehalten haben. Die für den hausärztlichen Bereich diesbezüglich wichtigsten Abrechnungspositionen sind in den Tabellen zusammengefasst. Der Anerkennungsgrad dieser Empfehlungen ist vergleichbar denjenigen durch den Gebührenordnungsausschuss der BÄK und des Zentralen Konsultationsausschusses, an dem auch das Gesundheitsministerium und das Innenministerium beteiligt sind.

Quelle: Medical-Tribune-Bericht

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