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Kopierkosten für Patientenakten Die Rechnung ohne den Zahlungsanspruch gemacht

Abrechnung und ärztliche Vergütung , Kassenabrechnung Autor: Dr. Gerd W. Zimmermann

Die elektronische Gesundheitskarte könnte der ewigen Kopierfrage endliche ein Ende setzen. (Agenturfoto) Die elektronische Gesundheitskarte könnte der ewigen Kopierfrage endliche ein Ende setzen. (Agenturfoto) © Arsenii – stock.adobe.com
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Patient:innen haben ein Anrecht, die Krankenunterlagen, die in der Praxis gespeichert sind, zur Verfügung gestellt zu bekommen. Die Frage, ob sie dafür bezahlen müssen, lässt sich (bisher) jedoch nicht eindeutig beantworten.

Jede Patientin, jeder Patient hat die Möglichkeit, mündlich oder schriftlich Einsicht in die eigene Patientenakte anzufordern. Das regelt § 630 Abs. 1 BGB. Eingeschränkt wird dieses Recht für Fälle, in denen der Einsichtnahme erhebliche therapeutische Gründe oder sonstige erhebliche Rechte Dritter entgegenstehen, also z.B. wenn es sich um psychiatrische Erkrankungen handelt. Der gleiche Anspruch leitet sich auch aus dem ärztlichen Berufsrecht ab: § 10 Absatz 2 der Musterberufsordnung (MBO) verpflichtet Ärzt:innen, Einsicht in die objektiven Teile der eigenen Kranken­unterlagen zu gewähren. 

Konkret bedeutet das also, dass Ärzt:innen Anfragenden Einblick in die komplette Original-Akte gewähren, alternativ Kopien aushändigen oder eine Auskunft über einzelne Abschnitte der Akte erteilen müssen – je nachdem, was verlangt wird. Dabei besteht allerdings kein Recht auf die Aushändigung der Originale, ausgenommen Röntgenbilder, wenn sie zur Weiterbehandlung erforderlich sind (§ 28 Absatz 8 Röntgenverordnung). 

Die Kosten für die Anfertigung von Kopien gehen allerdings nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Praxis kann deshalb eine Kos­tenerstattung verlangen. Ein Recht auf das Zusenden von Kopien besteht übrigens nicht. Die Portokosten sind folglich ggf. ebenfalls privat zu begleichen. Das Zusenden von Kopien kann allerdings nicht die Einsicht in die Original-Akte vollständig ersetzen. Sofern der Patient dies wünscht, muss eine Einsicht möglich gemacht werden.

Möchte jemand Ärztin oder Arzt wechseln, so ist es der Person freigestellt, was sie dem neuen Behandelnden über die bisherigen Krankheitsverläufe und Therapien mitteilen möchte. Es besteht die Möglichkeit, dem vorherigen Arzt bzw. der Ärztin die Erlaubnis zu erteilen, der zukünftig behandelnden Person die aktuelle Patientenakte zu leihen, damit sie sich einen Überblick verschaffen kann. Außerdem kann der Patient bzw. die Patientin Kopien der Akte verlangen und diese an die neue Praxis weiterreichen. 

Neue ärztliche Behandler:innen haben hingegen kein Recht, die Patientenakte ohne eine schriftliche Einverständniserklärung und somit Entbindung von der Schweigepflicht, einzusehen. Auch das Praxispersonal ist ohne diese Erklärung nicht befugt, anderen Praxen Auskunft zu geben. Erlaubt der Patient bzw. die Patientin, dass die komplette Originalakte an eine neue Praxis übermittelt wird, darf dies nur geschehen, wenn die Behandlung bereits seit mindes­tens 10 Jahren abgeschlossen ist, da der ursprünglich Behandelnde diese Aufbewahrungsfrist einhalten muss und in dieser Zeit keine Originalakten abgeben darf.

So würde es sich über die ePA rechnen
EBM Legende Euro GOÄ
86900 Elektronischer Versand von Briefen 0,28 75 Faktor
86901 Elektronischer Empfang von Arztbriefen 0,27  
01660 Zuschlag zur eArztbrief-Versandpauschale nach Nr. 86900 zur Förderung der Versendung elektronischer Briefe 0,11  
Für die Pauschalen 86900 und 86901 gilt ein gemeinsamer Höchstwert von 23,40 Euro je Quartal und Arzt.
01648 Sektorenübergreifende Erstbefüllung elektronischer Patientenakte, einmalig je Versicherten 10,23 75 A
01647 Zusatzpauschale zu den Versicherten- und den Grundpauschalen für das Führen einer elektronischen Patientenakte, einmal im Behandlungsfall 1,72 70 A

Quellen: KBV, EBM, GOÄ, Empfehlungen der BÄK

Erstattung von Kopierkosten ist nicht eindeutig geregelt

Inwieweit die Kosten für die erbetenen Kopien der anfragenden Person in Rechnung gestellt werden können, ist Gegenstand unterschiedlicher Stellungnahmen. Leider können sich Ärzt:innen hier nicht an den sonst bei Ämtern oder Behörden üblichen Sätzen orientieren. In Analogie zum Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz (JVEG) können aber für bis zu 50 Seiten 0,50 Euro je Seite von der anfragenden Person verlangt werden, für weitere Seiten jeweils 0,15 Euro. Wird eine CD angefertigt, um diese einer Ärztin bzw. einem Arzt vorübergehend zu überlassen, kann keine Rechnung gestellt werden. Der mitbehandelnde Arzt/Ärztin muss dann allerdings die CD zurückschicken. 

Anders ist es, wenn der Patient/die Patientin die CD für die eigene Dokumentation erbittet. Auch hier kann in Analogie zum JVEG ein Betrag von 1,50 Euro je Datei (auf der CD) in Rechnung gestellt werden. Wenn mehrere Dateien, z.B. mehrere sonografische oder Röntgenuntersuchungen auf eine CD übertragen wurden, beträgt der zulässige Höchstsatz 5,00 Euro

Bei Privatpatienten:innen kann für das Überlassen einer CD eine Abrechnungsempfehlung der Bundesärztekammer herangezogen werden (Deutsches Ärzteblatt, 109, Heft 19 vom 11.05.2012, Seite A-987). Demnach werden auch hier 5,00 Euro als angemessen angesehen.

Bricht deutsches Recht europäisches Recht?

Verkompliziert wird die Sache durch die neue europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Dort wird Patienten:innen ein klagbarer Rechtsanspruch auf Einsicht in sämtliche sie betreffende Krankenakten eingeräumt, ohne dass dies vor der Behandlung gesondert vereinbart werden muss (Art. 15 DSGVO). Dieser Anspruch gilt nicht nur während, sondern auch nach Abschluss der Behandlung. 

Umstritten ist die Frage, ob dieser Auskunftsanspruch auch die Bereitstellung einer vollständigen Kopie der Behandlungsdokumentation umfasst und wer die damit verbundenen Kosten tragen muss. Ein Urteil des Landgerichts Dresden (Az. 6 0 76/20) hat in einem Einzelfall bestätigt, dass Ärzt:innen ihren Patient:innen zumindest die erste Kopie der Behandlungsdokumentation unentgeltlich zur Verfügung stellen müssen. 

Um national Klarheit zu schaffen, soll jetzt der Europäische Gerichtshof in Luxemburg klären, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang Ärzt:innen ihren Patient:innen eine kos­tenfreie Kopie der Patientenakte herausgeben müssen. Ein Beschluss des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe (BGH) hat diesbezüglich den obersten EU-Richtern mehrere Fragen zur Beantwortung vorgelegt (Az: VI ZR 1352/20). 

Das Problem: Auf die Antworten der EU-Richter:innen müssen wir noch warten. Was also tun, bis es zu dieser höchstrichterlichen Entscheidung kommt? Solange die „Hängepartie“ anhält, ist man rein juristisch nicht auf der falschen Seite, wenn man sich am deutschen Recht orientiert und die Kosten auf der Grundlage des JVEG in Rechnung stellt. Sollte sich der Patient bzw. die Patientin allerdings weigern, diesen Betrag zu zahlen, kann man nicht einfach die Herausgabe verweigern – denn das verbriefte Anrecht auf die Herausgabe der Akten bleibt bestehen. 

Ob es sich „lohnt“, die entstandenen Kosten gerichtlich geltend zu machen, sollte dabei rational unter Abwägung der Verhältnismäßigkeit der Mittel entschieden werden. Auch wenn dies bei bestimmten Patienten:innen durchaus ärgerlich sein kann.
Eine, wenn auch finanziell unbefriedigende Lösung, könnte die politisch stark „gepushte“ elektronische Gesundheitskarte (ePA) mit sich bringen. Patientenunterlagen könnten künftig von Anfang an elektronisch verschickt und unmittelbar auf die ePA übertragen werden. Damit wäre zumindest die leidige Frage der Erstattung für die Kopierkosten gelöst. 

Inwieweit dieser Arbeitsaufwand durch die im EBM zur Verfügung stehenden Gebührenordnungspositionen ausgeglichen wird, ist dann aber die nächste (ungeklärte) Frage. Zumal Versand und Empfang von elektronischen Arztbriefen zwar mit einer Zuschlagsziffer gefördert werden – aber leider auch einer Höchstgrenze unterworfen sind.

Quelle: Medical-Tribune-Bericht

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