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Eine Nachtwache für 51 Heimbewohner

Autor: Anke Thomas, Foto: thinkstock

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Erstmals wurde in einer wissenschaftlichen Studie beleuchtet, wie sich die Situation während der Nachtdienste aus Sicht des Pflegepersonals darstellt – mit erschreckenden Ergebnissen.

Studien konzentrieren sich bisher hauptsächlich auf die Nachtwache in Krankenhäusern; die Situation während der Nachtdienste in Pflegeberufen ist bislang weitgehend unerforscht, erklären Wissenschaftler der Universität Witten/Herdecke. Licht in dieses Dunkel wollen die Forscher mit einer Studie über "Die Nacht in deutschen Pflegeheimen" in Kooperation mit Pflege e.V. bringen.

Um Daten zu erhalten, wurden Nachtdienstler in Pflegeheimen über Internetportale und Fachverbände angesprochen und gebeten, einen Online-Fragebogen anonym auszufüllen. Am Ende wurden die Angaben von 276 Personen in die Analyse aufgenommen.

Manche Pfleger müssen
 zwischen Heimen pendeln

Die Analyse ergab: Das Gros der Pfleger (rund 80 %) ist weiblich. Ein Pflegerin bzw. ein Pfleger, die/der in der Nacht arbeitet, trägt für durchschnittlich 51,6 Heimbewohner Verantwortung. Von diesen 51,6 müssen 40,3 versorgt werden.

Allerdings gab es Nachtwachen (8,7 %), die für mehr als hundert Bewohner Verantwortung tragen müssen. In den Freitext-Kommentarfeldern gaben manche an, dass sie für mehrere Häuser zuständig sind und nachts zwischen den Heimen pendeln müssen.

Eine Pflegeperson ist für durchschnittlich 3,9 Bewohner ohne Pflegestufe, 14,8 Bewohner der Pflegestufe 1, 19,3 Bewohner der Pflegestufe 2 und 11,1 Bewohner der Pflegestufe 3 verantwortlich. Von den rund 49 Bewohnern leidet die Mehrheit (27,1) an einer Form von Demenz.

Inkontinenz-Versorgung stellt die Hauptaufgabe dar

Jede zweite Nachtwache arbeitet laut Studie in Vollzeit, durchschnittlich sind die Pfleger zehn Stunden im Dienst. Auf die Frage, welche Tätigkeiten nachts anfallen, landete die Inkontinenzversorgung (Toilettengänge, Intimpflege, Vorlagenwechsel etc.) mit 100 % auf dem ersten Platz.

73 % gaben die Kategorie "Lagerung" (Positionswechsel, Betten und Lagern etc.) an. An dritter Stelle wurde die Pflegedokumentation (53 %) genannt, gefolgt von dem Richten und der Gabe von Medikamenten (50 %).

Bei Notfällen sind Pfleger oft auf sich gestellt

Etwas mehr als die Hälfte der Befragten gab an, in Notfällen nicht auf einen Hintergrunddienst zurückgreifen zu können. Jeder zweite meinte, dass fehlende Zeit und zu wenig Personal die größte Belas­tung im Dienst seien. Nachtwachen äußerten die Furcht, dass Bewohner stürzen könnten, ohne dass diese sofort aufgefunden würden.

Die Pflegekräfte nannten auch positive Aspekte ihrer Arbeit, wie etwa die Möglichkeit selbstständigen Arbeitens oder einen guten Kontakt zu Bewohnern.

Das Fazit der Autoren der Studie: Die Ergebnisse zeigen deutlich die problematischen Rahmenbedingungen von Pflegern, die nachts in Heimen tätig sind. Es komme regelmäßig vor, dass Aufgaben nicht vollständig ausgeführt werden könnten.

Die Wissenschaftler empfehlen unter anderem, dass mindestens zwei bis drei Pflegende für 50 Bewohner in der Nacht anwesend sein müssten. Ebenso gehörten Notfall-Leitlinien, ein erreichbarer ärztlicher Hintergrunddienst und eine stetig lieferbereite Apotheke zu den erforderlichen Grundlagen, die die Heime sicherstellen müssten.


Quelle: Universität Witten/Herdecke

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