Anzeige

Es ist noch Kohle da: Regelleistungsvolumen ist kein Grund, die Arbeit vorzeitig einzustellen 

Abrechnung und ärztliche Vergütung , Kassenabrechnung Autor: Dr. Gerd W. Zimmermann

Gesprächsziffer: zehn Min. problemorientiert reden, sprengt nicht das Budget. Gesprächsziffer: zehn Min. problemorientiert reden, sprengt nicht das Budget. © Fotolia/RioPatuca Images
Anzeige

Die meisten Leistungen in der hausärztlichen Praxis sind zwar budgetiert. Das dominante Regelleistungsvolumen muss aber erst mal gefüllt werden. Zudem winkt jenseits des RLV weiteres Honorar. Abrechnungsexperte Dr. Gerd Zimmermann erklärt, mit welchen EBM-Ziffern das gelingen kann.

Die Chance auf Honorarnachzahlungen von der KV (siehe Kasten) besteht für Vertragsärzte nur dann, wenn sie ihre Leistungen unbeeindruckt von der scheinbar limitierenden Budgetierung abrechnen. Zwar ist eine Leistungsausweitung bei Pauschalen (Versicherten-, Grundpauschale) und damit bei einem Großteil des Fallwertes eines Hausarztes nicht möglich. Es gibt aber viele oft vergessene oder vernachlässigte Positionen, die, sofern erbracht, zu einem Honorarplus führen.

Das fängt bei der Gesprächsleis­tung nach der Nr. 03230 an. Sie ist seit April 2017 nicht mehr auf 45 Punkte pro Fall budgetiert, sondern wird auch jenseits ihres internen Budgets noch vergütet. Wer also mindestens zehn Minuten mit seinem Patienten problemorientiert über Art und Schwere einer Erkrankung spricht, sollte die Leis­tung berechnen und sich das nicht aus Angst vor einer Plausi-Prüfung nach Zeitvorgaben verkneifen. Bei einer Fallzahl von 1000 im Quartal muss man durchschnittlich acht solcher Beratungen pro Tag erbringen, will man das interne Budget einhalten.

Chronikerziffern ansetzen: dreimal in vier Quartalen

Ähnlich sieht es bei der Behandlung chronisch kranker Patienten aus. Die EBM-Nrn. 03220 und 03221 sind zwar Pauschalen, können aber bei jedem Patienten, der regelmäßig mindestens dreimal innerhalb von vier Quartalen in der Praxis auftaucht, angesetzt werden. Nur zweimal muss es dabei zu einem Arzt-Patienten-Kontakt kommen.

Trotz der starken Pauschalierung bietet der EBM viele Positionen, die nicht unter den Tisch fallen sollten. Der größte Teil davon ist im Kapitel II (Allgemeine Gebührenordnungspositionen) angesiedelt. Ruft ein Patient etwa unter der Woche zur sog. Unzeit, zwischen 19 und 7 Uhr, oder an Samstagen, Sonntagen, gesetzlichen Feiertagen, am 24. bzw. 31.12. zwischen 7 und 19 Uhr oder zwischen 19 und 7 Uhr an, kann das nach den Nrn. 01100 bzw. 01101 berechnet werden. Samstags zwischen 7 und 14 Uhr geht das sogar, wenn man Sprechstunden abhält. Keine dieser Leistungen hat eine Zeitvorgabe für die Plausi-Prüfung.

Wenn die KV noch Geld übrig hat

Zu Honorarverlusten führt die Fehleinschätzung, dass man sein Regelleistungsvolumen (RLV) leicht füllen und danach getrost in „Budgetferien“ gehen kann. In Hessen zum Beispiel wäre eine solche Haltung in den letzten Jahren mit erheblichen Einbußen verbunden gewesen, denn schon zweimal konnte die Kassenärztliche Vereinigung (KV) auch Leistungen jenseits des RLV zum Orientierungspunktwert, also festen Eurobeträgen, auszahlen. Wie ist so etwas möglich? Nun: Ein KV-Vorstand muss vor einem Abrechnungsquartal sicherstellen, dass die zur Verfügung gestellten Geldmittel ausreichen, um die budgetierten Leistungen mit dem Orientierungspunktwert bezahlen zu können. Verschätzt er sich, muss er einen Verlustvortrag auf die kommenden Quartale vornehmen. Er wird deshalb vorsichtig agieren und die weniger problematische Gefahr in Kauf nehmen, dass nach der Honorarabrechnung noch Geld übrig bleibt. Das kann er in den Topf für Leistungen stecken, die außerhalb des RLV berechnet werden. Hinzu kommt nicht selten eine erhebliche zeitliche Diskrepanz zwischen dem Abschluss des Honorarvertrags mit den Kassen in einem Jahr und der Quartalsabrechnung. Die KV Hessen beispielsweise konnte im Jahr 2018 mehrfach Nachzahlungen auf die bereits abgerechneten Quartale leisten, weil die Honorarverträge mit den Kassen zwar erst zum Jahresende hin, aber immerhin positiv abgeschlossen werden konnten. Plötzlich hatte man mehr Geld zur Verfügung als zuvor ausgeschüttet. Viele Möglichkeiten, derartige Überschüsse nachträglich loszuwerden, hat eine KV allerdings nicht. Sie kann weder die Punktzahlen im EBM ändern noch über den Orientierungspunktwert hinaus-gehen.

Gemeinschaftspraxen oder MVZ können die haus- und fachärztliche Bereitschaftspauschale nach Nr. 01435 berechnen, wenn ein Patient während der Sprechzeiten anruft oder eine Bezugsperson vorbeischickt. Die Leistung ist im Arztfall ansatzfähig und immer dann, wenn der kontaktierte Arzt in der Praxis nicht die Versichertenpauschale berechnet hat. Gleiches gilt für die Nr. 01430, die sogar mehrfach im Quartal fürs Ausstellen von Wiederholungsrezepten, Überweisungen oder Informationen via Praxispersonal ansetzbar ist. Hier darf es allerdings im laufenden Quartal zu keiner Berechnung einer anderen Leistung durch den betreffenden Arzt kommen. Beide Leistungen haben ebenfalls keine Zeitvorgabe im EBM. Stiefmütterlich werden auch die Leistungen des Abschnitts II.2 (Allgemeine diagnostische und therapeutische Gebührenordnungspositionen) behandelt. Dies trifft auf kleinchirurgische Eingriffe zu, die oft wegen des nicht unerheblichen Zeitaufwandes und im Glauben, sie würden dem Budget zum Opfer fallen, an Chirurgen delegiert werden. Die Leistungen nach den Nrn. 02300 bis 02302 und 02310 sind für eine Hausarztpraxis typische Leistungen, die meist sogar an qualifiziertes Personal delegiert werden können.

Phlebologische EBM-Nrn. mit der 02313 verbinden

Hinzu kommen die phlebologischen Komplexe 02311 und 02312, ggf. in Verbindung mit der apparativen Kompressionsbehandlung nach Nr. 02313. Die zuletzt genannten Leistungen können – dem üblichen Behandlungsaufwand z.B. bei einem Ulcus cruris entsprechend – sogar je Sitzung und je Bein berechnet werden. Sie haben zwar einen Höchstwert im Behandlungsfall, der wiederum auf den Arztfall bezogen ist und bei einer Gemeinschaftspraxis oder einem MVZ damit sehr hoch liegt. Ergänzt wird dieses Spektrum durch die Berechnungsmöglichkeit von Punktionen, z.B. eines Gelenks nach den Nrn. 02341 oder 02340, verbunden mit dem fixierenden Verband nach 02350.
Anzeige