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Videosprechstunde – lohnt sich das?

Abrechnung und ärztliche Vergütung , Kassenabrechnung , Privatrechnung Autor: Dr. Gerd W. Zimmermann

© fotolia/agenturfotografin
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Sonderlich erfolgreich war die KBV bei den Verhandlungen zur Vergütung der Videosprechstunde nicht. Was beschlossen wurde, ist für Einzelpraxen eine „magere Suppe“. Gemeinschafts­praxen oder MVZ könnten von der neuen Leistung allerdings profitieren, insbesondere wenn sie nicht ärztliche Praxisassistenten einsetzen.

Die neue Gebührenordnungsziffer für die Videosprechstunde gilt jetzt schon zum 1. April 2017. Für die Abrechnung eines Arzt-Patienten-Kontakt (APK) im Rahmen einer Video­sprechstunde wurde der Kontakt in den Allgemeinen Bestimmungen des EBM 4.3.1 analog zum telefonischen Kontakt als „anderer Arzt-Patienten-Kontakt“ definiert.

Videosprechstunden sind demnach – wie Gespräche und Telefonate – Inhalt der Pauschalen und damit z.B. neben der hausärztlichen Versichertenpauschale nach Nr. 03000 nicht gesondert berechnungsfähig. Nur wenn im Behandlungsfall der APK ausschließlich per Videosprechstunde stattfindet, kann dieser nach der neuen Nr. 01439 berechnet werden.

Technische Anforderungen für die Videosprechstunde

Auf folgende Anforderungen haben sich KBV und GKV-Spitzenverband geeinigt:
  • Die Videosprechstunde muss in Räumen mit Privatsphäre stattfinden.
  • Die apparative Ausstattung der Praxis (Bildschirm, Kamera, Mikrofon, Lautsprecher) und die elektronische Datenübertragung müssen eine angemessene Kommunikation mit dem Patienten gewährleisten.
  • Die Videosprechstunde muss genauso vertraulich und störungsfrei verlaufen wie eine Sprechstunde mit persönlichem Kontakt. Deswegen darf die Videosprechstunde von niemandem aufgezeichnet werden.
  • Der Klarname des Patienten muss für den Arzt erkennbar sein.
  • Die Videosprechstunde muss frei von Werbung sein.
  • Der Videodienstanbieter muss gewährleisten, dass die Videosprechstunde während der gesamten Übertragung Ende-zu-Ende verschlüsselt ist.
  • Es muss eine schriftliche Einwilligung des Patienten zur Teilnahme an der Videosprechstunde vorliegen.

Videosprechstunde gilt als Pseudo-Patienten-Kontakt

Eine solche Sitzung ist beschränkt auf die visuelle Verlaufskontrolle bzw. Beurteilung
  • einer Operationswunde,
  • einer oder mehrerer akuter, chronischer und/oder offener Wunden,
  • einer oder mehrerer Dermatosen, auch nach strahlentherapeutischer Behandlung,
  • von Bewegungseinschränkungen/ -störungen des Stütz- und Bewegungsapparates, auch nervaler Genese,
  • der Stimme und/oder des Sprechens und/oder der Sprache oder
  • die anästhesiologische, post­operative Verlaufskontrolle.
In den Erläuterungen zu den neuen Abrechnungsleistungen wird dabei klargestellt, dass die Nr. 01439 vergleichbar mit der Nr. 01435 (haus-/fachärztliche Bereitschaftspauschale) ist. Die Bewertung ist deshalb mit 88 Punkten identisch zur 01435. Beide Leistungen sind folgerichtig im gesamten Quartal nebeneinander ausgeschlossen, allerdings ist die zusätzliche Abrechnung aller anderen EBM-Leistungen, ausgenommen die Versichertenpauschale nach Nr. 03000, im Laufe des Quartals bei beiden Leistungen erlaubt.

BAG und MVZ können von der neuen Leistung profitieren

Eine weitere Gemeinsamkeit mit der Nr. 01435 könnte die Nr. 01439 dann allerdings für Gemeinschafts­praxen und Medizinische Versorgungszentren interessant machen. Sowohl die neue Nr. 01439 wie auch die Nr. 01435 sind nämlich nur im Arztfall neben der Versichertenpauschale ausgeschlossen. Gemeinschaftspraxen können deshalb die Nr. 01439 bzw. die Nr. 01435 im Quartal neben der Versichertenpauschale berechnen, wenn diese mit unterschiedlichen Arztnummern (LANR) gekennzeichnet sind. Zusätzlich zur Nr. 01439 kann in gleicher Sitzung ausschließlich die Nr. 01450 als „Zuschlag im Zusammenhang mit den Versichertenpauschalen nach den Gebührenordnungspositionen 03000 …. und zu den Gebührenordnungspositionen 01439 und 30700 für die Betreuung eines Patienten im Rahmen einer Videosprechstunde …“ und damit nicht neben der Nr. 01435 berechnet werden. Auf diesem Abrechnungsweg sollen die Kosten, die durch die Nutzung eines Videodienstanbieters entstehen, erstattet werden. Das gilt aber nur für die gleiche Sitzung und nicht das ganze Quartal. Die Nr. 01450 kann je APK im Rahmen einer Videosprechstunde (also auch mehrfach im Behandlungsfall) berechnet werden. Die Leis­tung unterliegt dabei einem Punktzahlvolumen je Arzt im Quartal in Höhe von maximal 1899 Punkten, aus dem alle gemäß der Nr. 01450 durchgeführten Leistungen im Quartal zu vergüten sind. Diese Vergütung erfolgt extrabudgetär. Die Abrechnungsregelung führt aber dazu, dass der Arzt, der Videosprechstunden anbieten will, maximal 47 Videosprechstunden mit rund 200 Euro im Quartal vergütet bekommt. Das entspricht einem Stundenlohn von 7,69 Euro, der damit unter dem gesetzlichen Mindeststundenlohn von 8,84 Euro liegt. Bereits nach zwei Jahren soll außerdem die Überführung in die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung geprüft werden. Dann käme eine weitere Quotierung über den Punktwert hinzu.

Für Einzelpraxen ist neue Nr. eher eine Luftnummer

Immerhin wurden im Zusammenhang mit der Einführung der neuen Abrechnungspositionen zumindest die „Allgemeinen Bestimmungen 4.3.1“ des EBM um eine Regelung ergänzt. Da bei der für den haus­ärztlichen Bereich relevanten Nr. 02310 eine Berechnung mindestens drei oder mehr persönliche Arzt-Patienten-Kontakte im Behandlungsfall voraussetzt, wurde festgelegt, dass ein APK im Rahmen einer Videosprechstunde auch als persönlicher APK gewertet wird. Entsprechend kann z.B. die Nr. 02310 (Behandlung einer/eines/von sekundär heilenden Wunde(n) und/oder Decubitalulcus/-ulcera) bereits bei zwei persönlichen APK und einer Videosprechstunde (z.B. zur Verlaufskontrolle der Wunde) berechnet werden. Berücksichtigt man, dass es im EBM mittlerweile eine Reihe von delegierbaren Leistungen gibt, die durch MFA oder besonders qualifizierte Praxismitarbeiter (NäPa) erbracht werden können, könnte eine BAG oder ein Medizinisches Versorgungszentrum einen Patienten weitgehend ohne unmittelbaren APK aus der Ferne behandeln. Vermutlich deshalb haben die EBM-Macher auch eine Sperre eingebaut: Die Nrn. 01439 und 01450 EBM dürfen nur dann berechnet werden, wenn in einem der beiden Quartale, die der Berechnung unmittelbar vorausgehen, ein persönlicher Kontakt in der Praxis stattgefunden hat und die Verlaufskontrolle durch dieselbe Praxis erfolgt wie die Erstbegutachtung. Ab und zu muss der Patient deshalb wohl doch noch in der Praxis erscheinen. Den Abrechnungsabteilungen in der Kassenärztlichen Vereinigung dürften die Regeln auf jeden Fall einige Schweißperlen auf die Stirn bringen.
Abrechnung von Videosprechstunde und NäPa-Einsatz
ArztEBMLegendeEuroBemerkungen
Datum 1
103005Versichertenpauschale bei einem 76-jährigen Patienten mit sekundär heilender Wunde nach Sturz22,11Ist möglich, wenn diese Leistung mit einer anderen LANR gekennzeichnet ist als die Nr. 01439 EBM.
03040Zusatzpauschale zur Nr. 0300015,16Hausärztliche Grundpauschale
03060Zuschlag zur Nr. 03040 bei Einsatz einer NäPa2,32Wird je Behandlungsfall bis zu einem Höchstwert gezahlt.
Datum 2
201439Videosprechstunde: Kontrolle der Wunde9,27Wegen neuen Arztfalls neben der Nr. 03000 EBM möglich. In gleicher Sitzung nur neben Nr. 01450 EBM berechnungsfähig.
01450Technikzuschlag u.a. zur Nr. 03000 und 01439 EBM4,21Höchstwert 1.899 Punkte (= 199,97 Euro) je abrechnendem Vertragsarzt
Datum 3
103230Beratung, mindestens 10 Minuten9,48
02310Behandlung der sekundär heilenden Wunde21,59Auflage mindestens drei direkte APK erfüllt, da Videosprechstunde mitzählt.
Datum 4
03062NäPa-Besuch17,48Weitere Behandlung der sekundär heilenden Wunde
32025BZ-Bestimmung1,60

Verlaufskontrolle bei Diabetes mellitus

So könnte eine Quartalsabrechnung künftig aussehen, wenn ein Patient einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) in die Praxis kommt und mithilfe einer NäPa sowie über Videosprechstunde behandelt wird.

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