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Honorarkürzungen vermeiden Vorsicht vor gut gemeinten Tipps

Abrechnung und ärztliche Vergütung , Kassenabrechnung , Privatrechnung Autor: Dr. Gerd W. Zimmermann

Auch auf Praxis-EDV, KV und Verrechnungsstellen
ist nicht immer Verlass. Auch auf Praxis-EDV, KV und Verrechnungsstellen ist nicht immer Verlass. © NIKCOA – stock.adobe.com
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Es klingt simpel: Ärzte dürfen nur Leistungen abrechnen, die vollständig erbracht wurden und deren Abrechnung nicht durch Regelungen in den Gebührenordnungen ausgeschlossen ist. Manchmal ist es aber gar nicht so einfach, hier alle Details zu beachten.

In den Allgemeinen Bestimmungen des EBM steht unter Punkt 2.1: „Eine Gebührenordnungsposition ist nur berechnungsfähig, wenn der Leistungsinhalt vollständig erbracht worden ist.“ Ein Beispiel: Beim Langzeit-EKG nach Nr. 03322 EBM muss das Gerät eine kontinuierliche Aufzeichnung über 24 Stunden bei simultaner, mindestens zweikanaliger EKG-Ableitung gewährleisten. Für die gleichzeitig durchgeführte Langzeit-Blutdruckmessung (Aufzeichnungszeit mindestens 20 Stunden!) kann Nr. 03324 zusätzlich berechnet werden.

Das bedeutet, die Leistung ist erst dann vollständig erbracht, wenn der Befund aufgezeichnet, ausgewertet und beurteilt wurde. Konkret ist dies erst an dem Tag möglich, an dem das Gerät zurückgebracht wird, nicht etwa an dem Tag, an dem es angehängt wurde. Wenn man das falsch macht, ist das noch kein Abrechnungsbetrug, es kann sich aber negativ auf die Zeitprofile der Praxis auswirken und in der Summe eine Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Zeitvorgaben nach sich ziehen.

Wer Leistungen abrechnet, die er nicht erbracht hat, begeht hingegen Abrechnungsbetrug und macht sich unter Umständen auch juristisch strafbar. Das Studium der verschiedenen Gebührenordnungen ist also eine wichtige Voraussetzung für eine korrekte Abrechnung. Vorsichtig sollte man dabei auch bei externen Ratschlägen zur Abrechnung sein. Beide Gebührenordnungen sind sehr komplexe Regelwerke und auch nicht immer gut verständlich geschrieben. Hier ist deshalb mitunter Hilfe gefragt. Man sollte aber genau überlegen, an wen man sich mit Anfragen wendet, denn nicht selten bekommt man je nach Quelle gut gemeinte, aber letztendlich falsche Ratschläge.

Die Praxis-EDV

Probleme könnte die eigene Praxissoftware erzeugen. Die darin enthaltenen Regelwerke wurden von den Softwarehäusern zwar nach den Vorgaben der KBV übernommen, umgesetzt und in das jeweilige System eingearbeitet. Auch die GOÄ wird entsprechend den Regelungen übernommen. Dabei werden in den einzelnen IT-Systemen aber immer wieder Feinheiten, z.B. bei Ausschlussregelungen, falsch umgesetzt. Teilweise werden, da die Programmierer in der Abrechnungsmaterie nicht 100-prozentig fit sind, auch Regelungen „produziert“, die zu falschen Hinweisen führen. Dies könnte z.B. der Fall sein, wenn außerhalb der Sprechzeit eine eingehende Beratung nach Nr. 3 GOÄ durchgeführt und dafür korrekt die Kombination 3 – A berechnet wird. Das PVS meldet dann, dass neben der GOÄ-Nummer 3 keine weitere Leistung berechnet werden kann. Das ist aber falsch, da der Zuschlag nach Buchstabe „A“ keine Gebühr im Sinne des Gebührenrechts ist, sondern ein Zuschlag, der sehr wohl neben Nr. 3 GOÄ abrechenbar ist.

Auskünfte der KV

Bei komplexen Abrechnungsfragen können auch die Mitarbeiter der Kassenärzt­lichen Vereinigungen überfordert sein. Wenn es um medizinische Leistungen geht, gibt es bei den hier wenig bewanderten KV-Mitarbeitern im Detail dieser umfangreichen Regelwerke verständlicherweise Lücken. Insbesondere telefonisch erteilten Auskünften von KV-Mitarbeitern sollte man deshalb nicht blind vertrauen, sondern immer eine schriftliche Stellungnahme mit Begründung verlangen.

Verrechnungsstellen

Die Verrechnungsstellen bei Privatabrechnungen sind eine weitere Fehlerquelle. Hier kommt es auf die Art der Verrechnungsstelle an. Es gibt dort Mitarbeiter, die sich sehr gut auskennen, aber auch andere, die „Ratschläge“ verbreiten, die schlichtweg falsch sind.

Worauf also kann man überhaupt vertrauen? Zuerst sollten man immer selbst in der Gebührenordnung nachlesen und erst, wenn man damit nicht weiterkommt, einen der Kommentare zu den amtlichen Gebührenordnungen zurate ziehen. Diese kann man schon deshalb als seriös ansehen, weil sie in der Regel mit ihren Kommentierungen auch auf die zugrunde liegenden Rechtsgrundlagen bzw. Gerichtsurteile verweisen. Diesbezüglich sind verschiedene Kommentare auf dem Markt verfügbar. Aber auch sie haben ihre Grenzen: Ein Kommentar ist nicht rechtsverbindlich. Rechtsgrundlage sind und bleiben der amtliche Text der Gebührenordnung und die Anmerkungen zu den einzelnen Gebührenordnungspositionen, alles in Verbindung mit rechtskräftigen Urteilsentscheidungen der Gerichte zu entsprechenden Auslegungsfragen.

Es mag merkwürdig klingen, aber selbst, wer eine Leistung, die er erbracht hat, nicht abrechnet, kann eine Pflichtverletzung oder sogar Abrechnungsbetrug bzw. einen Verstoß gegen das Standesrecht begehen. In der EBM-Abrechnung könnte man in Versuchung kommen, Leistungen nicht abzurechnen, wenn es um die Prüfzeiten oder die Häufigkeit bestimmter Leistungen geht. Wer Prüfzeiten überschreitet, riskiert eine Plausibilitätsprüfung. Kürzen darf man die Abrechnungsliste aber nicht um so viele Leistungen, bis die Prüfzeiten wieder „stimmen“. Das ist nicht nur vertragswidrig, sondern schädlich für die eigene Praxis und alle anderen Praxen, denn in vielen KV-Honorarsystemen sind die abgerechneten Leistungen eines Quartals Grundlage für die Bemessung des Honorarvolumens für Folgequartale. Wer also erbrachte Leistungen nicht abrechnet, vermindert möglicherweise das ihm für die Zukunft zugerechnete Honorarbudget.

Außerdem ergibt sich die Gesamtvergütung, die von den Krankenkassen bezahlt wird, aus der Gesamtheit aller abgerechneten Leistungen. Wenn viele Ärzte weniger Leistungen abrechnen, als sie eigentlich erbracht haben, wird deshalb die Gesamtvergütung nicht mit der tatsächlichen Leis­tungsmenge steigen. Am Ende kommt dadurch für alle Ärzte weniger Honorar für mehr Arbeit heraus – und diesmal, ohne dass man die Krankenkassen dafür verantwortlich machen kann.

Aber: Nicht-GKV-Leistungen gehören nicht zum „Kassenhonorar“. Egal, ob es sich um irgendwelche Bescheinigungen (z.B. Atteste für die Kindergartentauglichkeit oder eine zweite AU-Bescheinigung) oder zusätzliche Untersuchungen auf Patientenwunsch handelt, die Rechtslage ist hier klar. § 12 der Musterberufsordnung für Ärzte sieht vor, dass Mediziner für solche Leistungen ein angemessenes Honorar fordern müssen, das nach GOÄ bemessen wird. Dieses darf nicht in unlauterer Weise unterschritten werden, also nicht, um den Patienten moralisch zum „Kauf“ weiterer Leistungen zu verpflichten oder um Mitbewerber zu verdrängen.

In „redlicher Absicht“ darf der Gebührensatz aber unterschritten werden, wenn etwa Verwandte, Kollegen und deren Angehörige oder mittellose Personen – z.B. Obdachlose – behandelt werden. Wer kostenlose Leistungen dagegen zu Marketingzwecken einsetzt, kann Ärger mit der zuständigen Ärztekammer bekommen.

Medical-Tribune-Bericht

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