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Arzt ist weg: Wohin mit der Patientenkartei?

Praxismanagement , Praxis-IT Autor: Anouschka Wasner

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Ärztekammern melden, dass es immer öfter vorkommt: Ärzte "verschwinden", ohne die Verwahrung oder Übergabe der Patientenakten organisiert zu haben.

Patientenakten fressen doch kein Brot, denkt man sich - wird eine Praxis nicht übernommen, sondern geschlossen, legt "man" die Akten in den Keller. Und in digitaler Form nehmen sie sogar noch weniger Platz weg.

Wenn’s denn so einfach wäre! Experten der Tagungsreihe „update!“ haben versucht, den Stand der Dinge zum Thema "Arzt weg, Patientenakte weg?" zusammenzutragen und Lösungsansätze zu skizzieren.

Ärztliche Schweigepflicht muss gewahrt bleiben

Die erste Hürde bei der "Keller-Lösung": Wenn es keine Erben gibt – wer ist "man"? Der Vermieter? Die Kammer? Die KV? Ist ein Arzt verstorben oder an einen unbekannten Ort ausgewandert, ist im Prinzip keiner der Genannten zuständig.

Der Vermieter nicht, weil das Mietverhältnis erlischt, Kammer und KV nicht, da mit Ausscheiden aus dem Beruf auch dieses Verhältnis eigentlich beendet ist.

Die Akten können auch nicht einfach im Kartoffelkeller vergessen werden. Zehn Jahre lang muss der Zugriff z.B. seitens Versicherungen darauf gewährleistet sein.

Akten müssen zehn Jahre aufbewahrt werden und zugänglich sein

Das heißt, dass eine Person dafür ansprechbar sein muss und die Akten technisch zugänglich sein müssen. Liegen sie elektronisch vor, muss es einen Computer geben, der den Datenschutzanforderungen entspricht und über den die Daten abrufbar sind.

Die zuständige Person darf auch nicht irgendwer sein – da ist § 203 Strafgesetzbuch vor, der die berufliche Schweigepflicht definiert. Das Problem: Nach der Rechtslage dürfen die Daten nur vom Arzt bzw. von seinen "berufsmäßig tätigen Gehilfen" eingesehen werden, da diese der gleichen Schweigepflicht unterliegen.

Ein Dienstleister dagegen könnte zwar über entsprechende Erklärungen auf Verschwiegenheit verpflichtet werden – doch er unterliegt nicht dem Zeugnisverweigerungsrecht: Spätes­tens wenn von staatlicher Seite seine Aussage gefragt ist, kann er sich nicht mehr analog zur ärztlichen Schweigepflicht verhalten.

IT-Dienstleister als juristischer Gehilfe?

Eine Lösung wäre es, den IT-Dienstleister in der Praxis einzustellen und ihn damit juristisch zum "Gehilfen" werden zu lassen – doch welcher Arzt will das schon?

Zuständigkeit, Infrastruktur, Gesetzeslage – alles scheint ungeklärt. Vertreter aus Politik und Selbstverwaltung fordern deswegen eine Anpassung des § 203 StGB oder ein Bundesgesetz, das ärztliche Archiv-Dienstleister möglich macht, sodass die Auftragsdatenverarbeitung kein Verstoß mehr gegen die Schweigepflicht darstellt – ohne dabei jedoch die besondere Schutzwürdigkeit von Patientendaten in Gefahr zu bringen.

Ideal: Patienten haben der Datenweitergabe zugestimmt

Diese Gesetzesänderung wäre übrigens generell für den Einsatz von IT-Dienstleistern dringend nötig und würde auch Rechtsanwälten und Steuerberatern erst einen juristisch sauberen Umgang mit Klientendaten ermöglichen.

Ärzten, Kammern und Patienten, die heute mit dem Problem konfrontiert sind, hilft dieser Vorstoß auf Gesetzesebene jedoch nicht weiter. Gibt es Alternativen?

Man könnte die Akten an den Patienten aushändigen. Was dem Datenselbstbestimmungsrecht Rechnung tragen würde, hebelt jedoch jedes Auskunftsrecht von z.B. Versicherungen aus – der Patient könnte Unliebsames vernichten oder die ganze Akte tatsächlich verlieren.

Schriftliche Einwilligung von allen Patienten einholen

Juristisch gangbar wäre es, wenn sich Ärzte von allen Patienten unterschreiben lassen, dass deren Daten an einen Dienstleister weitergegeben werden dürfen (womit diese allerdings auch für den Zugriff seitens Behörden freigegeben würden).

Praktikabel ist das höchstens auf lange Sicht: Rückwirkend Einverständniserklärungen einzuholen ist bei verzogenen oder kooperationsunwilligen Patienten kaum möglich.

In Anbetracht dieser Unklarheiten hat man begonnen, auf Länderebene Insellösungen zu suchen. So hat Berlin in seiner Krankenhausverordnung geregelt, dass bei Schließung einer Klinik der Träger im Einvernehmen mit dem Bezirks­amt die Aufbewahrung der Patientendokumentation regeln muss.

Einige Bundesländer kochen ihr eigenes Süppchen

In Niedersachsen schreibt die Berufsordnung der Landespsychotherapeutenkammer vor, dass der Therapeut einen Beauftragten benennen muss, der nach Praxisende die Akten verwahrt.

In Baden-Württemberg ist laut Heilberufegesetz die Landesärztekammer in der Pflicht. Sie kann eines ihrer Mitglieder oder einen privaten Dienstleister verpflichten, die Daten aufzubewahren.

Und in Rheinland-Pfalz wird gerade ein Heilberufegesetz vorbereitet, das die Verwahrpflicht an die Kammern überträgt, die dann einen Dienstleis­ter einschalten kann.

Juristen sehen aber auch hierin nur eine "einigermaßen rechtssichere Regelung", da den Anforderungen des § 203 StGB nicht eindeutig nachgekommen wird.

Notlösung: Vertreter für Notfälle bestimmen

Wie also kann ein Arzt vorsorgen, um die Daten seiner Patienten zu schützen? In Anbetracht des Fehlens einer wirklichen Lösung bleibt nur: Einen Vertreter für Notfälle bestimmen.

Sich frühzeitig einen zuverlässigen Dienstleister suchen. Und bei der Kammer nachfragen, wie man sich verhalten soll, um juristisch so weit wie möglich auf der sicheren Seite zu stehen. 

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