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Der Approbationsentzug bewertet konkretes Fehlverhalten

Autor: Christoph Klein, Foto: Fotolia, Clemens Schüßler

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Der Entzug der Approbation hat für den Arzt existenzielle Folgen. Der Kölner Rechtsanwalt Christoph Klein stellt Entscheidungen des letzten Jahres vor.

Der Widerruf der Approbation wegen Unwürdigkeit gemäß §§ 3, 5 Bundesärzteordnung (BÄO) setzt gravierende Verfehlungen voraus, die geeignet sind, das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Berufsstand nachhaltig zu erschüttern.

Anhand dieser abstrakten Formel muss die Approbationsbehörde das konkrete Fehlverhalten eines Arztes bewerten. Dabei ist sie nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht verpflichtet, eine eigene Sachverhaltsaufklärung zu betreiben, sondern darf grundsätzlich ungeprüft die Feststellung aus dem strafgerichtlichen Verfahren übernehmen.

Fall 1:

Dies gilt nicht nur für die Feststellung deutscher, sondern für alle Gerichte eines Mitgliedstaates der Europäischen Union (Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Beschluss vom 3.2.2015). In diesem Fall war 2012 bekannt geworden, dass der österreichische Arzt im Jahr 2008 von einem österreichischen Gericht zu einer Bewährungsstrafe von acht Monaten verurteilt worden war. Die deutsche Approbationsbehörde machte sich die dortigen Feststellungen zu eigen und widerrief die Approbation wegen Unwürdigkeit.

Der Kläger hoffte zunächst, dass die Behörde sich der österreichischen Ärztekammer in der Bewertung anschloss, denn diese hatte das Verhalten nur mit der geringstmöglichen berufsrechtlichen Maßnahme sanktioniert. An diese Einschätzung war die Behörde jedoch nicht gebunden. Der Widerruf wurde gerichtlich bestätigt, die Klage abgewiesen.

Fall 2:

Ähnlich gelagert war ein Fall, den der Bayerische Verwaltungsgerichtshof am 29.10.2014 entschied. Dort waren einer Ärztin betrügerische Abrechnungen von Laborleistungen vorgeworfen worden. Sie akzeptierte daraufhin einen schriftlichen Strafbefehl über eine Bewährungsstrafe von sieben Monaten.

Derartige Verfahrensabläufe sind in der Praxis recht häufig, da ein Mediziner verständlicherweise kein Interesse an einer öffentlichen Hauptverhandlung hat und somit eine "geräuschlose" Erledigung mittels eines Geständnisses im schriftlichen Verfahren bevorzugt. So auch im vorliegenden Fall.

Damit schaffte die Ärztin jedoch einen rechtskräftig festgestellten Sachverhalt, der ihr dann in der approbationsrechtlichen Prüfung zum Verhängnis wurde. Denn auch hier konnte die Approbationsbehörde ohne eigene Sachverhaltsaufklärung die Unwürdigkeit feststellen und ebenfalls ignorieren, dass die Kassenärztliche Vereinigung lediglich eine Verwarnung ausgesprochen hatte.

Zur Feststellung der Unwürdigkeit ist eine strafrechtliche Sanktion jedoch nicht zwingend notwendig.

Fall 3:

In einem weiteren Verfahren vor dem OVG Lüneburg hatte der Arzt seinem Patienten das Arzneimittel Flunitrazepam in sehr hohen Mengen verschrieben. Vorgeworfen wurde ihm die Verschreibung von 900 Tabletten auf zwei Rezepten innerhalb von vier Tagen.

Dem Arzt war bekannt, dass der Patient von diesem Wirkstoff abhängig war. Der Patient hatte ihm nach seinen Schilderungen jedoch glaubhaft versichert, er würde sich nach Italien begeben, um dort sukzessive einen Entzug durchzuführen. Da das Medikament in Italien nicht erhältlich war, verschrieb der Arzt diese hohe Menge.

Das Strafverfahren wurde noch im Ermittlungsverfahren gegen Zahlung einer Auflage in Höhe von 500 Euro eingestellt. Gleichwohl wurde die Approbation widerrufen. Dem Arzt half nicht, dass er 30 Jahre beanstandungsfrei als Arzt gearbeitet hatte und sein Fehlverhalten sich nur über einen kurzen Zeitraum von vier Tagen erstreckte.

Ein Arzt, so die Behörde, der in einem so kurzen Zeitraum eine derart hohe Menge an Tabletten verschreibe, habe das Ansehen und Vertrauen in der Bevölkerung verspielt. Unerheblich sei es, so das OVG, dass die Verfehlung im konkreten Fall strafrechtlich nicht geahndet worden sei.

Fall 4:

Die eigenständige Prüfungskompetenz der Approbationsbehörde wird auch in einem weiteren Verfahren vor dem OVG Lüneburg (Beschluss vom 19.2.2015) deutlich. Dort war der Arzt wegen eines sexuellen Übergriffes zum Nachteil einer Patientin vom Landgericht zu einer Bewährungsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden.


In der strafrechtlichen Urteilsbegründung heißt es ausdrücklich, dass diese Sanktion ausreichend und approbationsrechtliche Maßnahmen nicht erforderlich seien. Gleichwohl widerrief die Behörde im Nachgang die Approbation.

Die Verwaltungsrichter betonen, dass der Widerruf der Approbation nicht den Zweck einer Bestrafung habe, sondern präventiv dem Schutz des Berufsbildes des Arztes in der Bevölkerung diene. Von daher sei es für die Behörde irrelevant, dass das Strafgericht von einem Berufsverbot abgesehen habe.

Fall 5:

Es ist auch anerkannt, dass Verfehlungen, die nicht mit einer ärztlichen Tätigkeit zu tun haben, zu einer "Unwürdigkeit" führen können. So kam der Fall eines Approbationswiderrufs vor Gericht, bei dem ein Arzt gegenüber einem Kreditinstitut wahrheitswidrig eine Beteiligung an einer Privatstation in einem Krankenhaus vorgetäuscht hatte, um ein Darlehen für private Zwecke zu bekommen (OVG Lüneburg, Beschluss vom 23.9.2015).

Nach der Argumentation der Behörde hat ein Arzt, der seine berufliche Stellung zur Gewährung von Darlehen in sechsstelliger Höhe ausnutzt, um diese zweckwidrig zur privaten Zins- und Schuldentilgung zu verwenden, sein Ansehen und das Vertrauen in der Bevölkerung verspielt. Diese Argumentation ist befremdlich, da sie offenkundig von dem Bild eines unfehlbaren Arztes ausgeht; sie wurde jedoch vom OVG nicht weiter kritisiert.

Fall 6:

Nach der Rechtsprechung ist es grundsätzlich möglich, dass der Arzt während eines laufenden Verfahrens seine Würdigkeit wiedererlangen kann. Die Gerichte sprechen dann von einem "notwendigen längeren inneren Reifeprozess zur Kompensation der zu Tage getreten Mängel". Als Mindestdauer für diesen Prozess werden fünf Jahre abverlangt.

Deshalb klagte ein Arzt gegen den Widerruf seiner Approbation, die neun Jahre nach der Tat erfolgte. Der Arzt hatte im Jahr 2005 rechtswidrig Betäubungsmittel verschrieben und dadurch leichtfertig den Tod eines Patienten verschuldet. Das Strafverfahren zog sich unzulässigerweise bis ins Jahr 2012 und endete mit einer Bewährungsstrafe. 2014 widerrief die Behörde unter Bezugnahme auf die strafgerichtlichen Feststellungen die Approbation.

Die Klage des Arztes war jedoch erfolglos. Selbst neun Jahre nach der Tat hat der Arzt nach Ansicht des OVG Lüneburg (Beschluss vom 15.9.2015) seine Würdigkeit nicht wiedererlangt. In der Begründung heißt es: "Um eine Kompensation der durch das Fehlverhalten zu Tage getretenen charakterlichen Mängel annehmen zu können, kann die Mindestdauer im vorliegenden Fall mit Blick auf den leichtfertig verursachten Tod eines Patienten nicht genügen und ist unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls angemessen auf zehn Jahre zu erhöhen."

Betroffene Ärzte müssen also wissen, dass die Approbationsbehörde regelmäßig auf strafgerichtliche Feststellungen Bezug nehmen darf, jedoch eigenständig zu beurteilen hat, ob allgemein das Berufsbild des Arztes nur durch den Widerruf der Approbation geschützt werden kann.

Dies kann zu unkalkulierbaren Ergebnissen führen. Grundstein für einen erfolgreichen Ausgang ist jedoch in aller Regel das Strafverfahren. Das dortige Verhalten muss also sehr sorgfältig abgewogen werden.



Quelle: Christoph Klein, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht

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