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Der neue EBM: Geriatrisches Basisassessment erst ab 70 plus

Autor: Anke Thomas, Foto: thinkstock

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Die geriatrische Versorgung in der Hausarztpraxis hat im neuen EBM eine deutliche Aufwertung erfahren - das bringt aber auch einen vermehrten Aufwand und einige einschneidende Eingrenzungen mit sich.

124 Millionen Euro sollen mit dem neuen EBM in die hausärztliche geriatrische und die palliativmedizinische Versorgung fließen. Dazu wurden neue Ziffern geschaffen, die manchem Hausarzt jedoch die Tränen in die Augen treiben dürften: So darf das hausärztlich-geriatrische Basisassessment künftig nur mit wenigen Ausnahmen bei älteren Patienten (70+) durchgeführt werden.

Die Nr. 03240 (hausärztlich-geriatrisches Basisassessment, 12,97 Euro) ist ab Oktober nicht mehr im EBM zu finden. An ihre Stelle treten die Nrn. 03360 (hausärztlichgeriatrisches Basisassessment, 12,20 Euro) und 03362 (hausärztlichgeriatrischer Betreuungskomplex, 15,90 Euro).


Grundsätzlich dürfen die neuen Leistungen nur dann angesetzt werden, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
1) Der Patient weist aufgrund seines Krankheitsverlaufes einen „geriatrischen Versorgungsbedarf“ auf und
2) Er muss das 70. Lebensjahr vollendet haben.


Diese Altersvorgabe existiert im bisherigen EBM nicht und dürfte den Kreis der infrage kommenden Patienten künftig deutlich eingrenzen, schätzt Dr. Zimmermann.


Außerdem muss mindestens eines der nachfolgenden Symptome dokumentiert worden sein:

  • Multifaktoriell bedingte Mobilitätsstörung einschließlich Fallneigung und Altersschwindel
  • Komplexe Beeinträchtigung kognitiver, emotionaler oder verhaltensbezogener Art
  • Frailty-Syndrom (Kombinationen von unbeabsichtigtem Gewichtsverlust, körperlicher und/ oder geistiger Erschöpfung, muskulärer Schwäche, verringerter Ganggeschwindigkeit und verminderter körperlicher Aktivität)
  • Dysphagie
  • Inkontinenz
  • Therapierefraktäres chronisches Schmerzsyndrom


Wenn keiner dieser Punkte beim Patienten zutrifft, können auch noch folgende Voraussetzungen zur Leistungsabrechnung berechtigen:

  • Vorliegen einer der folgenden Erkrankungen: F00-F02 demenzielle Erkrankungen, G30 Alzheimer- Erkrankung, G20.

  1) Primäres Parkinson-Syndrom mit mäßiger bis schwerer Beeinträchtigung und G20.
  2) Primäres Parkinson-Syndrom mit schwerster Beeinträchtigung auch bei Patienten, die das 70.
      Lebensjahr noch nicht vollendet haben! An dieser Stelle eröffnet sich eine der vielen
      Auslegungsfragen, die diese EBM-Reform wegen ihrer komplizierten Legendenformulierungen
      aufwirft. Die Frage ist nämlich, ob der Ansatz der Leistungsposition unterhalb des 70. Lebensjahres
      nur beim primären Parkinson-Syndrom mit schwerster Beeinträchtigung gilt oder bei allen hier
      aufgeführten Erkrankungen.

Die neue Nummer 03360 – Basisassessment

Zwingend ist auch eine ICD-10-Kodierung, die den geriatrischen Versorgungsbedarf dokumentiert.


Die Nr. 03360 darf nur einmal im Behandlungsfall abgerechnet werden, ist aber gleichzeitig auch eine „Staatsanwaltsziffer“, sagt Dr. Zimmermann. Ein Ansatz ist nämlich nur zweimal im Krankheitsfall möglich, der nach den „Allgemeinen Bestimmungen“ des bisherigen EBM definiert ist als ein Zeitraum, der „das aktuelle sowie die drei nachfolgenden Kalendervierteljahre, die der Berechnung der krankheitsfallbezogenen Gebührenordnungsposition folgen“, umfasst. Die obligaten Leistungsbestandteile ähneln der alten derzeitigen Nr. 03360, wobei die Beurteilung von Hirnleistungsstörungen mittels standardisierter Testverfahren (z.B. MMST, SKT oder TFDD) nicht mehr obligat, sondern fakultativ erbracht werden kann.

Die neue Nummer 03362 – Betreuungskomplex

Die neue Nr. 03362 (hausärztlichgeriatrischer Betreuungskomplex) deckt die Einleitung und/oder Koordination der Behandlung ggf. Durchführung therapeutischer Maßnahmen zur Behandlung von geriatrischen Symptomen ab. Zu Letzteren zählen:

  • Stuhl- u./od. Harninkontinenz
  • Sturz, lokomotorische Probleme (z.B. Schwindel, Gangunsicherheit)
  • Frailty-Syndrom
  • Immobilität und verzögerte Remobilität
  • Hemiplegiesyndrom
  • Kognitive und neuropsychologische Störungen einschließlich Depression und Demenz
  • Metabolische Instabilität


Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass die Nr. 03362 in den meisten Fällen abgerechnet werden kann, da bei den über 70-Jährigen mindestens eines der o.a. geriatrischen Symptome in der Regel zutrifft. Um die Nr. 03362 abrechnen zu dürfen, muss jedoch die Nr. 03360 erbracht worden sein und dessen Ergebnis darf nicht länger als vier Quartale zurückliegen.

Die Leistung kann neben den Versicherungspauschalen nach Nr. 03000, 03010 oder 03030 berechnet werden. In dem Fall ist aber ein zusätzlicher Arzt-Patienten-Kontakt (neben der Versichertenpauschale) erforderlich. Dies könnte z.B. die neue Gesprächsleistung nach Nr. 03230 sein, die auch für ein Gespräch von mindestens zehn Minuten mit Bezugspersonen des geriatrischen Patienten berechnungsfähig ist.


Die geriatrische Versorgung in der Hausarztpraxis hat im neuen EBM somit eine deutliche Aufwertung erfahren (Nr. 03360 = 12,20 Euro plus Nr. 03362 = 15,90 Euro macht 28,10 Euro), bringt aber auch einen vermehrten Aufwand mit sich. Es ist jedenfalls ratsam, erklärt Dr. Zimmermann, sich schon jetzt mit den vielfältig geforderten Testverfahren vertraut zu machen, deren Umsetzung natürlich auch dokumentiert werden muss. Hier könnten die Anbieter von Praxisverwaltungssystemen wertvolle Hilfe leisten.

Da es im jetzigen EBM keine Altersbeschränkung für das geriatrische Basisassessment gibt, wird ein künftiger Verlust oder Gewinn für eine Praxis davon abhängen, wie oft und bei welchen Patienten das Basisassessment durchgeführt werden konnte. Eine Abrechnung der geriatrischen Ziffern neben den neuen palliativmedizinischen Leistungen ist übrigens nicht möglich.

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