Krieg in der Ukraine Medizinische Versorgung von Flüchtlingen

Praxisführung Autor: Sabine Mack

Die Flucht aus einem Kriegs- bzw. Krisengebiet ist lange und beschwerlich. Oft lassen diese Menschen nicht nur ihr ganzes bisheriges Leben hinter sich, sondern auch wichtige Medikamente. Das ist nicht nur für chronisch Kranke problematisch, sondern bereits dann, wenn

es um etwas Alltägliches geht wie ein dringend notwendiges Asthma-Spray.

Die medizinische Versorgung von Geflüchteten ist in Deutschland nach dem Asylbewerberleistungsgesetz geregelt und mit dem Status als Flüchtling gekoppelt: Die zuständigen Ämter der Kommunen stellen dazu Behandlungsscheine aus, mit denen die Menschen z. B. eine Hauarztpraxis aufsuchen können. Der Berechtigungsschein muss in der Praxis der Patientenakte beigefügt werden und kann zur Kostenerstattung bei der ausstellenden Behörde eingereicht werden.

Blick in die Arztpraxis

Hausärzt:innen reichen diese Behandlungsscheine zusammen mit der Abrechnung bei ihrer KV ein. Arzneimittel werden per Rezept (Muster 16) verordnet. Das Besondere an der aktuellen Lage: Geflüchtete aus der Ukraine erhalten in der EU einen vorübergehenden Schutz für ein Jahr, verlängerbar auf bis zu drei Jahre. Auch Menschen aus Drittstaaten, die in der Ukraine über einen gesicherten Aufenthaltsstatus verfügen, müssen kein Asylverfahren durchlaufen. Es kann also sein, dass Menschen aus der Ukraine, die privat unterkommen und nicht als Flüchtlinge registriert sind, direkt in die Hausarztpraxis kommen. Dieser Status ist vergleichbar mit dem direkt nach der Ankunft dieser Flüchtlinge in Deutschland: Hier liegt die medizinische Erstversorgung in der Verantwortung der Bundesländer und läuft meist über Hilfsorganisationen und deren Sanitätsdienste. Eine Behandlung durch niedergelassene Arztpraxen ist zu diesem Zeitpunkt so nicht sichergestellt. In der Praxis verzichten Hausärzt:innen in vielen Fällen darauf, die erbrachten Leistungen mit der KV zu verrechnen und behandeln quasi auf eigene Kosten. Diese Kolleg:innen sehen das als einen wertvollen Beitrag, mit dem sie den geflüchteten Menschen in ihrer Notlage weiterhelfen möchten. Problematisch wird das spätestens dann, wenn Medikamente notwendig werden. Auch sollte dieses persönliche Engagement der einzelnen Ärzt:innen nicht zur geduldeten Dauerlösung werden!

Zum aktuellen Stand

Die GKV erklärt in ihrer Pressemitteilung vom 23. März „(...) Wir werden als gesetzliche Krankenversicherung unser Bestes geben, um eine gute und zuverlässige gesundheitliche Versorgung der Flüchtlinge sicherzustellen (...)“. Aktuell ist diese gleichwertige Versorgung aber nicht garantiert. Zwar weist die GKV in ihrer Stellungnahme mit Recht auf die Möglichkeit der Bundesländer hin, gemäß § 264 Abs. 1 SGB V mit einzelnen Krankenkassen Rahmenverträge zur gesundheitlichen Versorgung von Geflüchteten abzuschließen, aber auch das schließt diese Versorgungslücke nicht. Denn bisher haben aber nur einzelne Länder davon Gebrauch gemacht und die „Gesundheitskarte für Geflüchtete“ eingeführt (Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Thüringen).

Sprachführer für den Arztbesuch

Gesundheitsratgeber in verschiedenen Sprachen mit leicht verständlichen Bildern und Piktogrammen gibt es z.B. beim Point+Talk-Verlag, u. a. einen Sprachführer für den Arztbesuch mit dem Titel „Gute Besserung!”. Neben
Arabisch, Englisch, Farsi, Französisch, Polnisch, Türkisch, Tigrinya ist er auch in Ukrainisch erhältlich. Der Sprachführer „Erste Worte” wiederum enthält sechs zentrale Seiten zum Thema Gesundheit und ist u.a. in Ukrainisch
verfügbar: pointandtalk.de/gute-fahrt

Wenn nicht jetzt, wann dann?

Mit der Gesundheitskarte für Geflüchtete gibt es einen unkomplizierten Weg, um die medizinische Versorgung von geflüchteten Menschen in Deutschland zu gewährleisten – aber leider wird er (noch) nicht konsequent beschritten. Dabei handelt es sich um einen für alle Beteiligten geeigneten Lösungsansatz: Die betroffenen Personen erhalten eine elektronische Gesundheitskarte mit Statuskennzeichnung als Flüchtling und haben so besseren Zugang zur Gesundheitsversorgung. Gleichzeitig wird der administrative Aufwand in den Praxen deutlich reduziert, wie auch die Bundesärztekammer und der Marburger Bund betonen. Als sogar noch effektiver könnte sich eine bundesweite Regelung erweisen, die auch künftig einheitliche Standards schafft. Optimalerweise sollte diese Gesamtlösung dann auch auf andere gesundheitlich oftmals benachteiligte Personengruppen wie Wohnungslose oder andere Menschen mit ungeklärtem Aufenthaltsstatus erweitert werden. Als Übergangslösung wäre z. B. eine „Pro-Bono-Regelung“ für die medizinische Grundversorgung in der Arztpraxis denkbar, wie sie von einigen Mediziner:innen gefordert wird. Diese würde für die Arztpraxen mehr Sicherheit schaffen und das besondere Engagement auch finanziell
– wenigstens in kleinem Umfang – wertschätzen.

Surftipp

Empfehlungen des RKI zur Impfung von Ukraine-Flüchtlingen:
bit.ly/3tOgXCM

Autor: Sabine Mack

Hinweis: In der kommenden Ausgabe der doctors|today erscheint dieser Beitrag in Verbindung mit einem umfangreichen Interview.




Erschienen in: doctors|today, 2022; 2 (4) Seite 60-61
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.