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Nach dem Krebs zurück ins Berufsleben

Autor: Dr. Claudia Schöllmann

Auch drei Jahre nach Beendigung der Reha sind noch 9 % der Patienten nicht zurück im Job. Auch drei Jahre nach Beendigung der Reha sind noch 9 % der Patienten nicht zurück im Job. © iStock/SARINYAPINNGAM
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In Deutschland gibt es etwa 4 Millionen Langzeitüberlebende nach Krebs, doch Krankheits- und Therapiefolgen können die soziale Kompetenz und die Erwerbsfähigkeit gefährden. Zwei aktuelle prospektive Längsschnittstudien bei langzeitüberlebenden Patienten liefern Ansatzpunkte zur Optimierung von Rehabilitation und Survivorship-Programmen.

In Deutschland kehrt mehr als die Hälfte der Krebspatienten im erwerbsfähigen Alter wieder in den Beruf zurück, doch ist diese Rate im Ländervergleich eher schlecht, betonte Professor Dr. phil. Joachim B. Weis vom Universitätsklinikum Freiburg: „Wir müssen in Deutschland noch mehr tun, um die Rückkehr zur Arbeit zu verbessern“, so der Freiburger Wissenschaftler. Patienten bräuchten Unterstützung und Begleitung in der beruflich-sozialen Integration auch im Längsschnittprozess. Spezifische Probleme wie Fatigue, Depression und kognitive Defizite erforderten dabei besondere Aufmerksamkeit. Es gelte, gefährdete Langzeitüberlebende durch geeignete Screeninginstrumente zu identifizieren und gezielten medizinischen, psychosozialen und beruflichen Maßnahmen zuzuführen.

Prospektive Langzeitdaten zu Wiedereinstieg in den Beruf

Professor Dr. phil. Corinna Bergelt vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf stellte aktuelle prospektive Langzeitdaten zu arbeitsbezogenen Outcomes bei Patienten mit Prostatakarzinom (T1–4 N0 M0) vor. Die Patienten hatten eine Rehabilitation nach radikaler Prostatavesikulektomie durchlaufen und waren maximal 64 Jahre alt. Die Studie sollte klären, wie schnell die Patienten nach dem Ende der Rehabilitation in den Beruf zurückkehren und welche Patientenmerkmale die Rückkehr zur Arbeit beeinflussen. Die Patienten mussten zu verschiedenen Zeitpunkten standardisierte Fragebögen zur Selbsteinschätzung ausfüllen, doch es gingen auch Arztfragebögen und Routinedaten wie Reha-Entlassberichte in die Untersuchung ein.

Risikogruppe kehrt auch nach drei Jahren nicht zurück

Die Analyse ergab, dass 73 % der Patienten drei Jahre nach Rehabilitationsende wieder in Arbeit waren. Ein Großteil davon (87 %) kehrte bereits nach einem Jahr zurück und schaffte dann den längerfristigen Verbleib im Berufsleben. „Es gab eine Risikogruppe von 9 % der Patienten, die weder ein Jahr noch drei Jahre nach der Reha zurückgekehrt sind“, sagte Prof. Bergelt. Jedoch unterscheide sich diese Gruppe hinsichtlich ihrer psychosozialen Situation nicht relevant von den Berufsrückkehrern.

Als negative Prädiktoren der Rückkehr zur Arbeit ein Jahr nach der Reha erwiesen sich ein höheres Lebensalter, ein höheres Tumorstadium und Arbeitsunfähigkeitszeiten vor der Reha. Aber auch die selbst eingeschätzte Arbeitsunfähigkeit (nicht in der Lage, zu arbeiten und/oder an den alten Arbeitsplatz zurückzukehren, Intention Rentenantrag) stand der Rückkehr ins Berufsleben entgegen. Negative Prädiktoren für eine Berufsrückkehr nach drei Jahren waren neben einem höheren Lebensalter und einem niedrigeren Sozialstatus auch Fatigue sowie negative berufliche Bewältigungsmuster wie Resignation und Schonung.

Gerade die beeinflussbaren Faktoren wie selbst eingeschätzte Arbeitsunfähigkeit, Resignation und Schonung, aber auch Fatigue bilden nach Ansicht von Prof. Bergelt wichtige Ansatzpunkte für eine Verbesserung der Berufsrückkehrraten, die in Rehabilitations- und in Survivorship-Programme einfließen sollten. Die Onkologie könne in dieser Hinsicht von der Kardiologie und Orthopädie lernen, die im Hinblick auf die flächendeckende medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation (MBOR) „gefühlt 20 Jahre voraus“ seien.

Besondere Aufmerksamkeit für junge Krebsüberlebende

Für Adoleszente und junge Erwachsene bis 39 Jahre, die eine Krebserkrankung überlebt haben, ist die Rückkehr ins Berufsleben besonders wichtig, betonte Katja Leuteritz vom Universitätsklinikum Leipzig. In diesem Alter stehen viele Betroffene noch in Studium und Ausbildung und/oder tragen bereits wirtschaftliche und familiäre Verantwortung. Ihre Beiträge in das Sozial- und Rentensystem sind allerdings noch gering. Dadurch drohe bei dauerhafter Berufsunfähigkeit ein finanzieller „Rückfall auf Grundsicherungsniveau“. Leuteritz stellte die Ergebnisse einer prospektiven Longitudinalstudie zur Lebenszufriedenheit und Versorgungssituation sowie zum Unterstützungsbedarf bei 514 jungen Krebspatienten vor, die zum Diagnosezeitpunkt 18–39 Jahre alt waren. 82,3 % der Patienten waren zum Zeitpunkt der Diagnose berufstätig.

Rund 24 Monate nach Diagnosestellung und abgeschlossener Primärbehandlung waren laut Leuteritz 84 % der Betroffenen wieder in Arbeit oder in der Ausbildung. Dennoch schätzten rund 40 % der Patienten ihre körperliche und berufliche Leistungsfähigkeit zu diesem Zeitpunkt als bestenfalls mittelmäßig ein. Knapp ein Viertel gab an, sich bei der Rückkehr zur Arbeit unter Druck gesetzt zu fühlen, insbesondere durch finanzielle Gründe. Leuteritz schließt aus den vorliegenden Daten, dass junge Krebsüberlebende neben einer altersspezifischen psychosozialen Begleitung auch eine bessere finanzielle Absicherung nach der Krebserkrankung benötigen. Es sei unzureichend, allein die Rückkehrrate zur Arbeit als Indikator für eine gute Lebensperspektive nach einer Krebserkrankung anzusehen.

Quelle: 33. Deutscher Krebskongress 2018

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