Verkaufen Sie dem Nachfolger eine Vision!
Die Zeiten, in denen der Praxisverkauf ein festen Bestandteil der Altersvorsorge war, sind in vielen Fällen vorbei. Mittlerweile kann ein Praxisinhaber froh sein, wenn er überhaupt einen Nachfolger findet. Offene Planungsbereiche erlauben auch risikoarme Neuniederlassungen.
Die Kunst liegt also darin, einen Nachfolger, z.B. über ein Angestelltenverhältnis, aufzubauen und ihm einen Zukunftswert, eine "Vision", zu verkaufen. Denn "niemand möchte ein fallendes Messer auffangen", sagt Markus de Rossi, Geschäftsführer der owamed GmbH. Der Karlsruher Unternehmensberater meint damit eine ins Alter gekommene Praxis mit sinkenden Umsätzen. Ein Interessent will aber ein florierendes Unternehmen übernehmen, das gesicherte Strukturen und ausreichende Umsätze auch nach dem Inhaberwechsel verspricht.
Wertgutachten kann nötig sein
Beim Tag der Privatmedizin referierte de Rossi zusammen mit der Heidelberger Rechtsanwältin Simone Vogt, Kanzlei Fürstenberg & Partner, zur Praxisabgabe. Die anwesenden Ärztinnen und Ärzte interessierten vor allem zwei Fragen: Welche Praxisbewertungsmethode ist zu empfehlen? Und lohnt sich der Aufwand mit der strategischen Verkaufsvorbereitung überhaupt?
De Rossis Erfahrung ist: Die Praxisbewertungsmethode ist letztlich irrelevant. Der Verkäufer hat eine Vorstellung und der Käufer Gegenargumente. Wahrscheinlich trifft man sich in der Mitte. Realistisch ist der "letzte Jahresgewinn plus x", sagen de Rossi und Vogt. Es kann auch der durchschnittliche Gewinn der letzten drei Jahre sein. Ein kostspieliges Wertgutachten kann in Erbfällen wichtig werden.
Bei BAG müssen die Gesellschafter zustimmen
Ein Jahresgewinn? Da kann man sich auch überlegen, ein Jahr länger als geplant zu arbeiten und dann einfach die Einzelpraxis dicht machen, warf ein Zuhörer ein. Ja, sagt Rechtsanwältin Vogt, aber sie habe es erlebt, dass die Entscheidungslage wechselt: Erst erwägt der Praxisinhaber bis zum kurzfristigen Aus weiterzuarbeiten. Dann findet er es schade, sein Lebenswerk sang- und klanglos zu beenden und die Patienten unversorgt zu lassen. Und plötzlich kommt z.B. eine eigene Erkrankung hinzu – und es muss aus der Not heraus gehandelt werden.
Vogt und de Rossi raten deshalb zu einem strategischen Vorgehen. Das erfordert einen zwei- bis dreijährigen Ablauf. Am Anfang steht die Selbstreflexion, wo die Praxis steht (Praxiskonzept, Immobilie, Räume, Lage, Mitarbeiter, Perspektive). Der Inhaber erstellt ein Praxisexposé und überlegt, welches Profil ein Kandidat haben sollte, damit er dazu passt.
Wird ein Anteil an einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) abgegeben, müssen die verbleibenden Gesellschafter dem Verkauf zustimmen. Lehnen sie den Anteilsverkauf ab, ist zu klären, ob sie den Anteil übernehmen und den Aussteiger abfinden. Eventuell ist vor dem Verkauf eine Einzelpraxis oder Praxisgemeinschaft zu gründen. Zu klären ist, welche Gegenstände und Verträge bei wem verbleiben. Oft bietet es sich an, den Übernehmer als Angestellten in seine spätere Unternehmerrolle einzuarbeiten. Er kennt dann das Team und die Spezifika der Praxis; ein schleichender Übergang wird möglich. Aus dem anfänglichen Fixgehalt kann ein Fixgehalt mit Umsatzbeteiligung werden.
"Eine Minderbeteiligung ist bei BAGs möglich und eine Probezeit bis zu zwei Jahren denkbar", sagt Vogt. Es gilt die Stärken und Schwächen der Praxis zu analysieren, z.B.: Sind die Personalkosten und der gesamte Kostenquotient im Rahmen? Hoher Gewinn und effiziente Strukturen sind starke Verhandlungsargumente, unterstreicht Berater de Rossi. Er rät, ein professionelles Verkaufsexposé anzulegen, das dem Erwerber auch für Gespräche mit der Bank behilflich sein wird, sowie einen zweiten Ordner mit allen Unterlagen wie Miet-, Arbeits- und Kooperationsverträgen, Jahresabschlüssen usw.
Arbeitsverträge gehen auf den Käufer über
Zu überlegen ist, ob man den weiteren Prozess alleine (Zeitaufwand, Frustrisiko) oder mit einem externen Partner (Kosten, keine Erfolgsgarantie) meistern möchte. Spätestens ein Jahr vor der Abgabe, sollte das Praxisteam informiert werden und das Probearbeiten mit den Kandidaten beginnen, erklärt de Rossi. Der Käufer muss sich um einen Businessplan und die Finanzierung kümmern. Mit dem Vermieter ist Kontakt aufzunehmen (Einstiegs-/Verkaufsklauseln, Kündigungsfrist, Neuabschluss durch Käufer, Rückbaupflichten). Arbeitsverträge gehen zwingend auf den Käufer über, verweist Anwältin Vogt auf § 613a BGB.
Arbeitnehmer sind rechtzeitig vorher schriftlich über den Betriebsübergang aufzuklären. Sie können widersprechen, dann ist die Kündigung durch den Verkäufer bei Praxisaufgabe denkbar. Es gibt keine Mangelgewährleistung, insbesondere haftet der Abgeber nicht für die künftige Gewinnentwicklung. "Hier gilt wie beim Gebrauchtwagen 'gekauft wie gesehen'", sagt Vogt. Die Funktionsfähigkeit der Geräte wird bis zur Übergabe geschuldet.
Bezüglich der Forderungsabgrenzung gelte: Alle bis zur Übernahme erwirtschafteten Honorare stehen dem Verkäufer zu. Er trägt auch alle bis dahin laufenden Praxiskosten (Urlaubsansprüche, Weihnachtsgeld, Vertragsverpflichtungen).
Der Kaufpreis sollte durch Finanzierungszusage oder Bürgschaft gesichert werden. Aus rechtlichen Gründen empfiehlt Vogt die Bürgschaft trotz der damit verbundenen Kosten. Liegt die Finanzierungszusage bzw. Bürgschaft nicht bis zu einem bestimmten Datum vor, kann man vom Vertrag zurücktreten, wenn dies vertraglich vereinbart wurde.
Quelle: 3. Tag der Privatmedizin