Wenn die KV bei der Psychosomatik die Axt anlegt

Nach Einschätzung von psychiatrisch erfahrenen Lehrbeauftragten für Allgemeinmedizin steigt bei Patienten mit psychogenen Erkrankungen der Versorgungsanteil der Hausärzte auf 60 bis 70 %. In Erhebungen zur Gesamtprävalenz psychischer Erkrankungen in hausärztlichen Praxen schwanken die Raten z.B. zwischen 21 und 52 %. Andere geben die Prävalenz psychogener Erkrankungen in hausärztlichen Praxen mit 17,5 bis 64,3 % an. Nach Angaben des Wissenschaftlichen Instituts der AOK von 2012 ist die Zahl der Arbeitsunfähigkeitsfälle wegen psychischer Störungen seit 1994 um 120 % gestiegen.
Doch trotz der hierzulande relativ gut ausgebauten psychotherapeutischen Versorgung liegt der Anteil derjenigen, die bei einer psychischen Störung jemals eine angemessene professionelle Intervention erhalten, nur bei knapp 40 %. Die meisten Menschen mit psychischen Störungen werden auch heute noch zu selten, zu spät und zu wenig leitliniengerecht behandelt.
Höchstens bei 10 % der Fälle eine hausärztliche Leistung?
Angesichts solcher Daten ist es bedauerlich, dass hausärztliche Praxen, die psychosomatisch erkrankte Patienten adäquat und leitliniengerecht behandeln, wegen der beschriebenen Schwankungsbreite innerhalb der Fachgruppe statistisch auffällig werden. Regresse werden dann meist damit begründet, dass die psychosomatischen Leistungen bei Hausärzten nur in einer Größenordnung von maximal 10 % der Fälle berechnet werden. Dabei wird außer Acht gelassen, wie groß die jeweiligen Praxen sind und ob in vielen Praxen der Vergleichsgruppe vielleicht einfach die Zeit fehlt, solche Patienten zu behandeln.
Psychosomatische Leistungen | ||
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EBM-Nr. | Leistungsbeschreibung | Euro |
35100 | Differenzialdiagnostische Klärung psychosomatischer Krankheitszustände,Dauer mindestens 15 Minuten | 16,00 |
35110 | Verbale Intervention bei psychosomatischen Krankheitszuständen,Dauer mindestens 15 Minuten, maximal dreimal pro Tag | 16,00 |
Die Folge ist oft eine pauschale Kürzung des Honorars auf der Grundlage des sog. offensichtlichen Missverhältnisses zur Vergleichsgruppe. Unwirtschaftlich ist aber eher diese Honorarkürzung selbst, denn der Bedarf verlagert sich dadurch an eine andere Stelle. Krankenhäuser haben das längst erkannt und widmen Betten, die sie ansonsten nicht belegen können, in "psychosomatische Betten" um. Die Behandlung dort ist aber deutlich teurer als im ambulanten Bereich.
Nicht zu reagieren, erhöht die Sanktionsgefahr
Wer von solchen "Einschüchterungsregressen" bedroht wird, sollte sich juristisch zur Wehr setzen. Bei wiederholten Prüfverfahren wegen der jeweils gleichen Überschreitung droht ansonsten sogar ein Disziplinarverfahren, weil man indirekt die vorgeworfene Unwirtschaftlichkeit anerkennt. Alternativ bleibt der Weg, diese Leistungen nicht mehr zu erbringen und die Patienten an Psychotherapeuten oder Kliniken weiterzuleiten.
Wer hingegen seine psychosomatischen Leistungen als Praxisbesonderheiten anerkannt haben möchte, muss dafür kämpfen. In solchen Fällen empfiehlt es sich, eine (repräsentative) Einzelfallprüfung zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der Behandlung einzufordern und die eigenen Ansprüche ggf. mit einer Klage beim Sozialgericht zu untermauern.
Quelle: Medical-Tribune-Bericht