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Zeitungen im Wartezimmer: Patienten als diebische Elstern

Praxismanagement , Patientenmanagement Autor: Anke Thomas, Foto: Thinkstock

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Wer Ärzten die Schuld an alten, abgegriffenen Zeitschriften im Wartezimmer gibt, tut ihnen Unrecht. Denn die wahren Übeltäter sind die Patienten, die laut einer Studie insbesondere bei der Klatschpresse zu diebischen Elstern mutieren.

Genervt vom ewigen Gejammer, dass im Wartezimmer aktuelle Zeitschriften fehlen, und um Licht in das Mysterium zu bringen: Wohin verschwinden die Dinger eigentlich?, schritt ein Team um Prof. Bruce Arroll, Universität Auckland, zur Tat.

Zunächst gingen die Wissenschaftler der Frage nach, welche Untersuchungen es zu diesem Thema bereits gibt. Die Recherche ergab zwar vieles, inhaltlich beschäftigten sich die Studien jedoch eher mit der Suche nach Antworten, z.B. auf die Frage, wie sich die Gestaltung eines Wartezimmers auf Patienten mit Angst, Schmerzen, Stress etc. auswirkt.

Außer wenige Hinweise auf alten Lesestoff in Wartezimmern gab keine der Studien Aufschluss zu der für das Team brennendsten Frage: Wohin verschwinden Zeitungen?

87 Magazine in drei Stapeln im Wartezimmer verteilt

Also besorgten sich die Wissenschaftler insgesamt 87 Magazine. Zum einen befanden sich darunter Wissenschafts- bzw. Informationsblätter (z.B. National Geographic, The Economist, Time magazin), zum anderen Klatschpresse, bei der auf dem Titelblatt mehr als fünf Prominente abgebildet waren.

Diese Zeitungen wurden gemischt und in drei Stapeln im Wartezimmer eines Hausarztes platziert. 47 der Magazine waren nicht älter als zwei Monate, der Rest bis zu einem Jahr alt.

Das Personal der Praxis wurde angehalten, keine der Zeitungen anzurühren oder das Geschehen in irgendeiner Form zu beeinflussen. Zwei Mal die Woche wurden die 87 ausgelegten Magazine bzw. die Reste davon kontrolliert.

In gut einem Monat wurden 41 Zeitungen gemopst

Das Ergebnis: Nach 31 Tagen waren 41 von den 87 Magazinen nicht mehr vorhanden. Mitgehen ließen die Patienten dabei vor allen Dingen Boulevardblätter (28 von 29 Heften).

Kein Interesse hatten die Wartezimmerbesucher dagegen an hochkarätigen und teuren Zeitungen wie z.B. The Economist oder das Time Magazin. Kein einziges wurde hier Opfer eines Langfingers.

Durchschnittlich verschwanden so jeden Tag 1,32 Magazine. Zwar waren die gemopsten Klatschblätter im Vergleich zu den hochkarätigen Magazinen viel billiger, trotzdem kostet der Schwund Praxen doch übers Jahr verteilt eine Menge Geld.

Zeitschriftenklau kostet jährlich 12,6 Mio. Pfund

Wenn sich 41 Magazine jeden Monat in Luft auflösen, die durchschnittlich 3,2 Pfund (ca. 4 Euro) kosten, ergibt das bei 8000 englischen Hausärzten eine jährliche Summe von rund 12,6 Mio. Pfund, die sozusagen in Wartezimmern versickern. Dieses Geld könnte doch besser in die Gesundheitsvorsorge fließen, meint Prof. Arroll.

Die Studie lief nur über 31 Tage und lediglich in einer Praxis, räumt Prof. Arroll ein. Aber immerhin ist ein Anfang gemacht, um das Phänomen des mysteriösen Zeitungsschwunds in Praxen zu erklären.

Einen Ratschlag hat Prof. Arroll auch noch parat: Statt aktuelle Klatschblätter zu kaufen, sollten Ärzte lieber zu älteren Wirtschafts- oder Wissenschaftsmagazinen greifen. Diese bleiben der Praxis wenigstens erhalten.

Quelle: „An exploration of the basis for Patient complaints about the oldness of magazines in practice waiting rooms: cohort study“, Bruce Arroll, Stowe Alrutz, Simon Moyes. The British Journal, 11.12.2014
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