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Visite im Gefängnis – Ärzte bieten Versorgung über Telemedizin an

e-Health , Telemedizin Autor: Ruth Bahners

Die medizinische Versorgung in ­Gefängnissen hat Lücken. Lassen sich diese mithilfe von Telemedizin schließen? Die medizinische Versorgung in ­Gefängnissen hat Lücken. Lassen sich diese mithilfe von Telemedizin schließen? © iStock/stocknroll
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Mittels Telemedizin soll den Gefangenen in nordrhein-westfälischen Haftanstalten eine medizinische Versorgung rund um die Uhr zur Verfügung stehen. Das Modell wird zunächst in sieben Gefängnissen erprobt.

„Kaum ein anderer Bereich profitiert von den Vorteilen der Telemedizin wie der Justizvollzug“, meint NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU). Den Gefangenen wird Tag und Nacht eine hochwertige ärztliche Fernbetreuung innerhalb der Gefängnismauern versprochen. „Aber es profitieren auch die Bediensteten, die in Krisensituationen schneller auf qualifizierten ärztlichen Rat zurückgreifen und die Gefangenen rasch versorgen können“, so der Minister.

Die Telemedizin spare Zeit und schone das Personal. Zugleich erhöhe sich die Sicherheit der Bevölkerung, wenn weniger Gefangene zwecks medizinischer Versorgung ausgeführt werden müssten. In der Regel wird ein Gefangener von zwei Beamten begleitet. Nach Auskunft des Ministeriums kann solch ein Besuch drei bis vier Stunden dauern.

Wachsende Zahl psychisch kranker Gefangener

Die neue Versorgungsform sei notwendig geworden, weil es immer schwieriger werde, Ärzte für die Arbeit als Anstaltsarzt zu gewinnen. Vertragsärzte, die auf Honorar­basis in den Haftanstalten arbeiteten, seien nur wenige Stunden vor Ort. Nicht zuletzt erfordere die zunehmende Zahl psychisch kranker Gefangener eine Versorgung rund um die Uhr. Biesenbach: „Die Telemedizin schließt diese Lücke.“

In einer zunächst auf 18 Monate angelegten Pilotphase soll die neue Versorgungform in sieben Haftanstalten (Aachen, Attendorn, Bielefeld-Senne, Herford, Werl, Hamm und Duisburg-Hamborn) erprobt werden – mit der Option, sie um weitere sechs Monate zu verlängern. Bis 2021 stehen dafür gut eine Million Euro zur Verfügung.

Den Zuschlag für das Projekt erhielt der Hamburger Telemedizindienstleister Videoclinic.de. Das Unternehmen setzt dafür nach Angaben seines Geschäftsführers Dr. Peter Merschitz „60 hoch qualifizierte Ärzte“ ein. Diese seien an 365 Tagen im Jahr jederzeit innerhalb von 12 bis 13 Sekunden erreichbar. Zum Team gehörten 50 Allgemeinmediziner sowie Ärzte der Fachrichtungen Dermatologie, Radiologie, Suchtmedizin, Psychiatrie und Psychotherapie.

Die Ärzte arbeiteten leitlinienorientiert und evidenzbasiert, betont der ärztliche Leiter Professor Dr. Martin Scherer, der auch Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin ist. Das in den Haftanstalten arbeitende medizinische Personal könne mithilfe der vorhandenen Medizintechnik notwendige Vitaldaten und Bilder den Ärzten direkt übermitteln. Zur Ausstattung gehörten EKG, Pulsoximeter, Tele-Dermatoskop oder Tele-Stethoskop. „Mit diesen Dingen erhalten wir ein relativ gutes Bild“, so Prof. Scherer. Damit werde ärztliches Handeln vor Ort in vielen Fällen überflüssig.

In über 90 % der Fälle reicht die Behandlung aus der Ferne

Nach Erfahrungen mit der Telemedizin in Haftanstalten in Baden-Württemberg könnten rund 93 % der Konsultationen allein durch die telemedizinische Behandlung abschließend gelöst werden. Nur bei 7 % sei eine direkte ärztliche Konsultation notwendig gewesen.

Sollte das Pilotprojekt erfolgreich sein, will der Landesjustizminister die neue Technologie in allen 36 Haftanstalten des Landes einsetzen. Biesenbach: „Das Projekt überbrückt mithilfe moderner Technologie gefahrlos die Distanz zwischen Arzt und Patient.“

Medical-Tribune-Bericht

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