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Geriatrische Kompetenz Bei Demenz wird’s oft schwierig

Niederlassung und Kooperation Autor: Dr. Ingolf Dürr

Ärzte mit geriatrischer Weiterbildung setzen häufiger Demenztests zur Verlaufskontrolle ein als Ärzte ohne. Ärzte mit geriatrischer Weiterbildung setzen häufiger Demenztests zur Verlaufskontrolle ein als Ärzte ohne. © Ivan - stock.adobe.com
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Hierzulande sind ca. 1,8 Mio. Menschen an Demenz erkrankt, und diese Zahl wird weiter steigen. Die meisten der Patienten schlagen zunächst in Hausarztpraxen auf. Für viele Hausärzte stellt das eine He­rausforderung dar, zeigt eine Untersuchung. Wer über geriatrische Kompetenz verfügt, ist dann im Vorteil.

Grundsätzlich gelten Hausärzte als besonders gut geeignet, kognitive Beeinträchtigungen ihrer oft langjährigen Patienten frühzeitig zu erkennen. Und sie können im Idealfall auch die Weichen für eine Beratung und ein Krankheitsmanagement stellen, damit ein Verbleib in der Häuslichkeit möglichst lange machbar ist. 

Dennoch wird immer wieder Kritik an der Effektivität der allgemeinärztlichen Demenzversorgung geübt, berichten Dr. ­Julian ­Wangler und Prof. Dr. Michael Jansky vom Zentrum für Allgemeinmedizin und Geriatrie der Universitätsmedizin Mainz in einer aktuellen Studie. In dieser versuchen sie, den Status quo der hausärztlichen Demenzversorgung abzubilden und mögliche Stärken und Schwachpunkte des Settings zu identifizieren.

Für die Studie hatten die Mainzer Forscher 2022 online 2.257 Haus­ärzte in Hessen und Baden-Württemberg befragt. Ein Drittel der Stichprobe hatte eine Zusatz-Weiterbildung bzw. Fachkunde Geriatrie. 

Wie gehen Hausärzte mit einem Demenzverdacht um? 

Die Detektion und das Management von Demenzerkrankungen ist mit einem beträchtlichen Zeitaufwand verbunden. Das könnte so manche Praxis überfordern. Die erste Frage war also: Wie gehen Hausärzte bei einem Verdacht auf eine Demenz bei ihrem Patienten vor? 

Hierzu gaben 85 % der Befragten an, zunächst auf Demenztests zurückzugreifen, sei es im Rahmen des geriatrischen Basisassessments oder – in geringerem Maße – dezidiert als Screening-Instrument. So sagen die Hausärzte mehrheitlich: „Habe ich einen Verdacht, führe ich grundsätzlich einen Demenztest durch.“ Daneben gibt es aber auch jene, die Demenztests in der Regel nur durchführen, „wenn Patienten oder Angehörige darum bitten“. Auffällig ist dabei, dass Ärzte mit geriatrischer Weiterbildung Demenztests merklich häufiger zur Verlaufskontrolle einsetzen als Ärzte ohne entsprechenden Hintergrund (60 % zu 40 %).

Wie sich herausstellte, führen jedoch lediglich 10 % der befragten Hausärzte in der Regel selbst eine S3-leitliniengerechte Demenzdia­gnose durch. Zwei Drittel überweisen Patienten mit Verdacht auf Demenz zur weiteren Abklärung bzw. zur Diagnosestellung zum niedergelassenen Neurologen bzw. Psychiater oder zu einer Gedächtnisambulanz. 
Ein Viertel der Hausärzte sagt aber, dass sie generell bei der Therapie von Demenzpatienten eingebunden bleiben und in Abstimmung mit Spezialisten Aufgaben übernehmen wollen. Eine knappe Mehrheit von 53 % überlässt die Therapie dagegen ausschließlich Spezialisten

Mit der Überweisung ist der Job noch nicht getan 

Etwas im Widerspruch zu diesen Zahlen steht, dass eine große Mehrheit der Befragten es als ihre genuine Aufgabe ansieht, in der Betreuung demenziell erkrankter Patienten präsent zu sein und diese nicht ausschließlich Ärzten anderer Fachrichtungen zu überlassen. Denn viele sehen die eigene Selbstwirksamkeit als durchaus gegeben an, wenn es darum geht, einen Beitrag zur Lebensqualität von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen zu leisten. Es ist ihnen wichtig, Demenzpatienten und deren Krankheitsverlauf längerfristig zu begleiten. Entsprechend unterstützen sie die Aussage, dass es die Aufgabe des Hausarztes sei, zu mehr Lebensqualität von pflegenden Angehörigen beizutragen.

Eingeschränkt wird diese Aussage allerdings dadurch, dass es vielen der befragten Hausärzte in der Praxis schwerfällt, eine Demenzerkrankung von anderen kognitiven Beeinträchtigungen diagnostisch abzugrenzen. So sagen Hausärzte in der Studie beispielsweise, dass es für sie oft nicht leicht sei, die Symptome einer Demenz von typischen Alterserscheinungen wie einer Depression abzugrenzen.

Auch zeigen sich die Befragten bei der complianceförderlichen Gesprächsführung (Demenzverdacht bzw. -diagnose) vergleichsweise unsicher und sagen, dass es eine Herausforderung sei, einen Demenzverdacht so zu formulieren, dass die Compliance und die weitere Patientenversorgung sichergestellt sind. Weiter bekunden viele Haus­ärzte, sich nicht gut mit Hilfs- und Unterstützungsangeboten auszukennen, an die Patienten und Angehörige verwiesen werden können. Sie finden es oft schwierig, die Versorgungsbedarfe von Demenzpatienten richtig einzuschätzen. 

Den Versorgungsbedarf richtig einzuschätzen, ist oft nicht einfach

Etwas anders sieht dies bei ger­iatrisch fortgebildeten Ärzten aus. Sie gehen erheblich stärker davon aus, sich gut mit Hilfsangeboten im Bereich Demenz auszukennen und bedarfsorientiert an diese zu vermitteln. Ihrer eigenen Einschätzung nach können sie Angehörigen von Demenzpatienten mit Fragen zur Organisation der Pflege gut weiterhelfen, wenn diese auf sie zukommen. Auch würden sie Patienten und Angehörige auf konkrete Unterstützungs- und Beratungsangebote wie Demenz-Netzwerke oder Pflegestützpunkte aufmerksam machen. 

Wie die Ergebnisse der Untersuchung außerdem zeigen, halten die ärztlichen Befragten es grundsätzlich für bedeutsam, dass Hausärzte in Fragen der Betreuung demenziell erkrankter Personen und deren pflegender Angehörigen präsent sind. Die meisten Hausärzte äußern den Wunsch, Patienten und Angehörige aktiv zu begleiten. 

Zugleich wird deutlich, dass viele Hausärzte sowohl praktisch-diagnostische Schritte der (leitliniengerechten) Identifizierung einer Demenz als auch das konsequente Krankheitsmanagement inklusive der Antizipierung von Versorgungs- bzw. Therapiebedarfen im zeitkritischen Praxisalltag als herausfordernd erleben. Ferner zeigt sich in der Befragung, dass ein erheblicher Teil der Stichprobe sich nur bedingt zutraut, einschlägige Hilfs- und Unterstützungsangebote zu überblicken und bedarfsorientiert dorthin zu verweisen. 

Fast zwei Drittel der Hausärzte überweisen bei Verdacht auf Demenz zum Spezialisten

Ein durchgehender Befund besteht darin, dass Ärzte mit geriatrischer Weiterbildung teils beträchtliche Kenntnis-, Orientierungs- und Sicherheitsvorteile verbuchen. Besonders deutlich wird dies z.B., wenn es um den Überblick über lokale oder regionale Hilfs- und Unterstützungsangebote im Bereich Demenz geht sowie die Vermittlungstätigkeit hin zu selbigen. Und als weiterer Punkt kommt hinzu: Hausärzte mit einer geriatrischen Weiterbildung verfügen häufiger über speziell geschultes Praxispersonal, auf das sie zurückgreifen können. 

Eine Schlussfolgerung der Untersuchung lautet daher, dass es geboten ist, die geriatrische Kompetenz von Hausärzten weiter zu stärken. Zudem erscheint es essenziell, Allgemeinmediziner stärker über Kooperations- und Hilfsstrukturen im Bereich der Demenzversorgung aufzuklären und in diese zu integrieren

Quelle: Wangler, J. Jansky, M. Präv Gesundheitsf (2023). DOI: 10.1007/s11553-023-01077-w

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