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Fehler bei der Befunderhebung vermeiden – veranlasste Leistung erfordert Rücksprache

Niederlassung und Kooperation Autor: Ruth Bahners

Die fehlende Dokumentation wird vor Gericht meistens als nicht erbrachte Leistung gewertet. (Agenturfoto) Die fehlende Dokumentation wird vor Gericht meistens als nicht erbrachte Leistung gewertet. (Agenturfoto) © Elnur – stock.adobe.com
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Vom Fachkollegen nichts gehört und damit aus dem Schneider? Mitnichten. Im Zusammenspiel zwischen Haus- und Fachärzten lauern Fallstricke, die zum Vorwurf eines groben Behandlungsfehlers gegen den Hausarzt führen können. Darauf weisen hausärztliche Kollegen und die Gutachterkommission der Ärztekammer Nordrhein hin.

Ein konkreter Fall: Eine Patientin sucht wegen rezidivierender Oberbauchbeschwerden über Jahre immer wieder ihren Hausarzt auf. Zu Therapiebeginn erfolgt eine Abdomensonographie, Blutentnahmen und eine Ösophago-Gastro-Duo­denoskopie (ÖGD). Nachdem auch eine Behandlung mit Protonenpumpenhemmern erfolglos bleibt, wird eine zweite ÖGD durchgeführt. Ergebnis: ein Magenkarzinom in situ mit gesichertem histologischem Befund. Eine Besprechung des Ergebnisses mit der Patientin unterbleibt. Auch der Hausarzt wird nach eigenen Angaben nicht informiert. Die fatale Folge: 18 Monate später stirbt die Patientin.

Aus medizinischer wie gutachterlicher Sicht war die Frage zu beantworten, ob sich der Hausarzt eines Behandlungsfehlers schuldig machte, weil er es unterließ, die Ergebnisse der ersten ÖGD einzuholen und über 18 Monate hinweg trotz fortbestehender Beschwerden keine weiteren Untersuchungen veranlasst hatte.

„Dass der hausärztliche Kollege trotz weiter bestehender Beschwerden und der Behandlung des Magens nicht nach den Befunden gefragt hat, ist nicht zu entschuldigen“, meint Dr. Peter Kaup, Allgemeinarzt in Oberhausen und Mitglied der nordrheinischen Gutachterkommission.

Diagnose Magenkarzinom – darüber ist kollegial zu reden

Es liege ein grober Behandlungsfehler vor mit der Folge der Beweislast­umkehr. Der Hausarzt habe weder den fehlenden Befund angefordert noch eine erneute Magenspiegelung veranlasst. Auch weitere Diagnosemaßnahmen wie Abdomen-CT oder -MRT unterblieben. Für Hausarzt Dr. Kaup ist klar: „Wenn wir etwas veranlasst haben, sind wir auch dafür verantwortlich.“

Doch auch das beteiligte Krankenhaus hat nach Dr. Kaups Meinung schuldhaft gehandelt: „Wenn ich als Untersucher eine wesentliche Diagnose feststelle, muss ich mit dem Patient reden.“ In einem solchen Fall reiche auch die Übermittlung des Befundes per Fax oder Brief an den Hausarzt nicht aus. „Üblicherweise wird ein solcher Befund in einem Arzt-Arzt-Gespräch übermittelt“, so Dr. Kaup. Auch um zu entscheiden, wer den Kontakt zum Patienten aufnehme, und um Therapieoptionen zu besprechen und einzuleiten.

Juristisch werde das Verhalten des Hausarztes als Befunderhebungsfehler bewertet mit der Folge der Beweislastumkehr, erläutert Dr. jur. Burkhard Gehle, Richter a.D. und stellvertretender Vorsitzender der Gutachterkommission Nord­rhein. Und: Eine fehlende Dokumentation wird vor Gericht in der Regel als nicht erbrachte Leistung gewertet.

Bei der Überweisung in eine fachärztliche Behandlung oder an ein Krankenhaus sei im Zusammenspiel der verschiedenen Fachgruppen die Informationspflicht zu beachten, sagt Dr. Gehle. Das heißt: Kurzdiagnose, Hinweise auf Besonderheiten und die Vorgeschichte sollten übermittelt werden.

Im Fall des Hinzuziehens eines Kollegen zur differentialdiagnostischen Abklärung, für Labor oder Radiologie mit dem Ziel – wie im vorliegenden Fall – die eigene Heilbehandlung fortzusetzen, seien Dokumentation und eine klare Fragestellung geboten. Auch das Erlangen, Sichern und Auswerten der Ergebnisse sei durch den veranlassenden Arzt sicherzustellen.

Gravierende Fälle mit einer „Red Flag“ kennzeichnen

Mit Blick auf das Krankenhaus im Fall der Magenkrebs­patientin betont Dr. Gehle, dass die mangelnde Rücksprache mit der Patientin als Behandlungsfehler zu werten sei. Denn unterlasse es ein Mediziner, den Patienten über die Dringlichkeit der gebotenen Maßnahmen zu informieren und vor Gefahren zu warnen, die bei Unterbleiben der Maßnahmen entstehen können, liege ein Verstoß gegen die Pflicht zur therapeutischen Aufklärung vor. Jurist Dr. Gehle rät zudem, diese Aufklärung zu dokumentieren, um im Streitfall eine gesicherte Grundlage zu haben.

Mit einfachen Regeln versucht die fachübergreifende Gemeinschafts­praxis von Dr. Kaup Kommunikationsfehler, die sich zu Behandlungsfehlern auswachsen können, zu vermeiden. Jeder Patient, der zu anderen Fachkollegen überwiesen werde, bekommt mit auf den Weg, den Befund selbst abzuholen und nach fünf Tagen in der Hausarztpraxis vorbeizukommen.

Bei gravierenden Fällen setze er eine „Red Flag“ in die Kartei und frage selbst nach, so Dr. Kaup. Zur besseren Kommunikation mit den Fachkollegen empfiehlt er die „qualifizierte Überweisung“. Vor allem aber sollten die hausärztlichen Kollegen bedenken: „Unsere Patienten können alles haben. Wir als Haus­ärzte sind ,Alles-Ärzte‘.“

Quelle: Fortbildung – Institut für Qualität im Gesundheitswesen Nordrhein

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