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Corona: Auf der Suche nach Lösungen für den Praxisbetrieb im Winter

Praxismanagement , Praxisführung Autor: Anouschka Wasner

Heizpilze und Unterstände sind eher eine Krücke für die Praxen, keine Lösung. Heizpilze und Unterstände sind eher eine Krücke für die Praxen, keine Lösung. © iStock/slobo
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Coronaschutzmaßnahmen sind in der Hausarztpraxis nicht leicht umzusetzen. Viele Behelfslösungen geraten mit Beginn der kalten Jahreszeit an ihre Grenzen. Luftfilter sollen den fehlenden Baustein „Luftaustausch“ im Sicherheitskonzept ersetzen können.

Maskengebot, Plexiglas-Spuckschutz, strenges Terminmanagement und Lüften – die Waffen eines Hausarztes, um Patienten und Mitarbeitende vor einer Infektion zu schützen, sind nicht viele. Und oft nicht ausreichend, um dem gesetzlichen bzw. eigenen Schutzansprüchen zu genügen, wenn die Praxis klein ist, die Patienten auch ohne Termine kommen oder die kalte Jahreszeit beginnt.

Der auf Arztpraxen spezialisierte Innenarchitekt Norbert Thöne hat in der letzten Zeit etliche Spuckschutzanlagen an Tresen und in Behandlungszimmern angebracht. Darüber hinaus kann er noch eine Umnutzung der Praxisräume prüfen. Aber wenn die Räume klein sind, kann auch ein Innenarchitekt sie nicht größer machen. Nur letztens, da bekam er den Auftrag, eine Praxis um das gesamte darüberliegende Stockwerk zu erweitern. Diese Möglichkeit haben wohl die wenigsten. Die anderen müssen frieren vor lauter Stoßlüften – und die Patienten vor ihrer Praxis auch.

Parkplätze und Vorgärten als Wartezimmer längst etabliert

Denn glücklich schätzt sich, wer einen Außenbereich in die Organisation einbeziehen kann. Fast keine Praxis, die nicht wenigstens den Hausflur in den Wartebereich integriert. Vor Hauseingängen zu Praxen stehen manchmal lange Stuhlreihen, in Vorgärten Zelte mit hochgekrempelten Seitenwänden wegen des Durchzuges. Die Tische und Stühle des nah gelegenen Bäckers sind mit wartenden Patienten besetzt, die umliegenden Parkplätze mit den Autos der auf den Anruf aus der Praxis Harrenden.

„Ansonsten haben wir aber auch keine Idee und sind gespannt, was die Kolleginnen und Kollegen im Land so anbieten“, schrieb uns einer der Ärzte, die wir gefragt hatten, was sie tun, wenn es für Stoßlüften und draußen Warten zu kalt wird. Das Problem: Wirkliche Lösungen, die über Heizpilze hinausgehen, gibt es offenbar keine.

Auch Masken sind eine Technologie gegen das Virus

„Bislang hat uns die Besonnenheit der Bürgerinnen und Bürger vor Schlimmerem bewahrt – und eine Technologie: Masken. Sie können das direkte Infektionsrisiko entscheidend verringern“, sagt Prof. Dr. rer. nat. Christian J. Kähler vom Institut für Strömungsmechanik und Aerodynamik der Universität der Bundeswehr München. Und Technologie könne auch helfen, wenn es bei niedrigeren Außentemperaturen darum gehen wird, der Aerosol-Problematik zu begegnen. Raumluftreinigung, wenn man es richtig macht, verringere das Risiko einer indirekten Infektion entscheidend. Und sogar besser als intensives Lüften.

Es gebe allerdings drei Kriterien, die solche Geräte erfüllen müssen – „ansonsten sollte man für das Geld lieber essen gehen“, so Prof. Kähler.

  1. Das Gerät muss eine hohe Luftwechselrate ermöglichen. Nach Erfahrung des Experten muss es in der Lage sein, in einer Stunde ein Luftvolumen zu filtern, das mind. dem 6-Fachen des Raumvolumens entspricht.
  2. Das Gerät braucht einen Filter der Klasse H14 (EU-Norm 1822), um wirkungsvoll Aerosol­partikel und Viren abscheiden zu können. Die Aussage „hat einen Hepa-Filter“ ist nicht ausreichend!
  3. Das Gerät sollte geräuscharm sein – die Gefahr, dass es ansonsten von genervten Mitarbeitern abgestellt wird, ist zu groß – und muss richtig aufgestellt werden.

Erhältlich sind solche Geräte für einen niedrigen bis mittleren vierstelligen Betrag. Wartungskosten sind kein nennenswerter Faktor und die Geräte sind langlebig. Die Filter sollten jährlich kontrolliert werden, in der Regel seltener getauscht.

Solche Raumluftreiniger sind Spezialisten, was sie können, ist anders schwer zu realisieren, erklärt Prof. Kähler. Nur FFP3-Masken seien in der Lage, dem Träger einen vergleichbaren Schutz zu bieten. Die dürfe man aber nur für bestimmte Zeiträume tragen.

Raumluftanlagen, wie sie manchmal in größeren Gebäuden verbaut werden, könnten zwar vergleichbare Leistung bringen, wenn man die Luftwechselrate entsprechend hoch einstellt und 100 % Außenluft zuführt. Doch da solche Anlagen die Luft von draußen holen und diese dann im Winter energieintensiv an Raumtemperatur und Luftfeuchtigkeit angepasst werden müsse, könne man sie eigentlich nur im Fall einer bereits existierenden Anlage als Alternative in Betracht ziehen.

Dass sich die Anschaffung überholt, diese Befürchtung teilt Prof. Kähler nicht. Seiner Einschätzung nach wird das Virus noch lange eine Rolle in unserem Alltag spielen. Wahrscheinlicher ist, dass man die Wirkung von Luftfiltern gegen Feinstaub, Pollen und Bakterien schätzen lernen wird und sie dann nicht mehr missen möchte, Virus hin oder her.

Kein Allheilmittel, aber ein Baustein im Schutzsystem

Professor Dr. Achim Dittler leitet die Arbeitsgruppe Gas-Partikel-Systeme am Institut für Mechanische Verfahrenstechnik und Mechanik am Karlsruher Institut für Technologie. Seine Arbeitsgruppe hat schon vor Jahren Atemschutzmasken der Klasse FFP2 auf Abscheidewirkung hin untersucht. Jetzt hat sich Prof. Dittler auch mit einem Raumluftfiltersystem beschäftigt. Er teilt die Schlussfolgerungen von Prof. Kähler voll und ganz und empfiehlt Hausärzten, auf die Kombination zu setzen: Zutrittsmanagement, Masken, Abstände von mindestens 1,5 Metern und Stoßlüften. Und wo Stoßlüften nicht möglich ist – oder auch in Zeiten zwischen dem Lüften –, könne der Luftfilter die Aufgabe übernehmen, die Partikelkonzentration in einem Raum zu reduzieren. „Der Filter kann nicht zaubern. Sitzt ein Patient direkt neben einem Infizierten und der Lüfter steht am anderen Ende des Raumes, wird das Gerät kaum verhindern können, dass Aerosole von einem Patienten zum anderen gelangen“, so der Experte. Doch unter Beachtung der richtigen Bedingungen könne ein solcher Lüfter die Partikelkonzentration und damit das Infektionsrisiko herabsetzen. Rund 2000 Geräte habe man seit April verkauft, etwa 20 % davon an Praxen, sagt das Unternehmen Trotec mit Sitz in Heinsberg, das den Filter speziell für Corona entwickelt hat. Auch das Unternehmen Mann + Hummel hat seinen Filter als Antwort auf SARS-COV-2 entwickelt, und zwar auf der Grundlage eines 20 Jahre alten Modells, das in den USA schon bei einer Tuberkulose-Welle im Einsatz war. Klar: Entscheidet sich der Arzt für diese Technologie, bedeutet das für ihn eine Investition. Im Verhältnis zum vermiedenen Organisationsaufwand und der gewonnenen Patientenzufriedenheit ist diese Geldausgabe aber möglicherweise ein Gewinn. Spätestens dann, wenn das Infektionsgeschehen die Studien bestätigt hat.

Medical-Tribune-Recherche

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