
Gegen Gürtelrose lässt sich mehr tun Herpes zoster: Baden-Württemberg und Bayern haben die niedrigsten Impfquoten

Seit Mai 2019 ist die Impfung gegen Herpes zoster Kassenleistung. Doch rund 80 % der Anspruchsberechtigten sind nicht oder nur unvollständig vakziniert. Das entspricht 20 Mio. Menschen ab 60 Jahren. Mit organisatorischen Maßnahmen lässt sich die Quote in einer Praxis verbessern. Nachfolgend ein Abrechnungsbeispiel.
Beim Herpes zoster (HZ) handelt es sich um die Zweitmanifestation einer Infektion mit dem Varizella-Zoster-Virus (VZV). Nach durchgemachter Erstinfektion – den Varizellen – persistiert das Virus ein Leben lang in den Spinalganglien. Das VZV kann nach Reaktivierung über spinale Nervenfasern in die Haut gelangen und die Epidermis in einer begrenzten dermatomalen Verteilung infizieren.
HZ kann in jedem Lebensalter auftreten, hauptsächlich aber ab dem 50. Lebensjahr. Die Inzidenz liegt in Deutschland bei ca. 400.000 Erkrankungen pro Jahr. An einem HZ erkrankt man in der Regel nur einmal. Vor allem bei geschwächtem Immunsystem kann es aber auch zu einem Rezidiv kommen.
Gegen das VZV stehen Impfstoffe als Prophylaxe zur Verfügung. 2006 wurde der Lebendimpfstoff Zostavax® in der EU zugelassen, der abgeschwächte, lebende VZV enthält. Aufgrund der höheren Wirksamkeit wird aber seit seiner Einführung 2018 in der EU der Totimpfstoff Shingrix® eingesetzt. Er enthält ein bestimmtes Viruseiweiß, das Glykoprotein E, das in Kombination mit einem Adjuvans eine starke Immunantwort hervorruft.
Die STIKO empfiehlt die Impfung mit dem Totimpfstoff ab 60 Jahren oder ab 50 Jahren bei Personen mit erhöhtem Risiko wie bei Menschen mit HIV, rheumatoider Arthritis, systemischem Lupus erythematodes oder chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen sowie eventuell vor einer Organtransplantation oder bei immunsuppressiver Therapie. Zwei Dosen sollen im Abstand von mindestens zwei bis maximal sechs Monaten verabreicht werden.
Quoten sind rückläufig – vor allem bei den 75-Jährigen
In Deutschland sind rund 80 % der anspruchsberechtigten Menschen nicht oder nur unvollständig gegen HZ geimpft. Dabei kann die Impfung etwa zwei von drei Gürtelrose-Erkrankungen verhindern. 2023 erkrankten 11,4 von 1.000 ungeimpften und 4,1 von 1.000 geimpften Versicherten.
Nachdem die Erstimpfungsrate bis zum Jahr 2022 in allen Altersklassen langsam angestiegen war, ist sie 2023 außer bei den 60- und 61-Jährigen zurückgegangen. Am stärksten war der Rückgang bei den 75-Jährigen von 12,6 % auf 9,2 %. Das stellt die Barmer für ihre Versicherten in ihrem Arzneimittelreport 2025 fest.
Impfmanagement ist eine Frage der Praxisorganisation
Erster Ansprechpartner für eine HZ-Impfung ist die Hausarztpraxis. Allerdings gibt es bundesweit enorme Unterschiede mit Impfquoten von null bis 88 %. In den östlichen Bundesländern sind die Impfquoten am höchsten (Sachsen-Anhalt: 29,3 %). Die Schlusslichter sind Bayern mit 15,4 % und Baden-Württemberg mit 15,2 % – zwei Länder mit hohen Teilnahmeraten in der hausarztzentrierten Versorgung. Eine Rolle könnte die praxisindividuelle Organisation des Angebots von Schutzimpfungen spielen. Denn Praxen mit geringer Herpes-zoster-Impfrate impfen auch seltener gegen Influenza.
Leistungen bei Erstkontakt
EBM | Leistungsbeschreibung | Punkt/Euro | GOÄ |
---|---|---|---|
03004 | Versichertenpauschale im 62. Lebensjahr | 148/18,34 | 7 |
inkl. Ruhe-EKG | 651 | ||
03220 | Zuschlag zur Versichertenpauschale für die Behandlung und Betreuung eines Patienten mit mindestens einer lebensverändernden chronischen Erkrankung | 130/16,11 | |
32150 | Immunologischer Nachweis von Troponin I und/oder Troponin T auf einem vorgefertigten Reagenzträger bei akutem koronaren Syndrom (ACS), ggf. einschl. apparativer quantitativer Auswertung | 11,25 | A3732 |
03230 | Problemorientiertes ärztliches Gespräch, das aufgrund von Art und Schwere der Erkrankung erforderlich ist | 128/15,86 | 1 |
Was kann man tun, um die Impfdefizite zu verkleinern? Menschen, die durch eine Infektion besonders gefährdet sind, müssten in den Praxen bevorzugt angesprochen und überzeugt werden. Das sollte eigentlich kein Problem sein.
Bei allen Versicherten bieten sich hierzu Vorsorgeuntersuchungen wie der Check-up nach der GOP 01732 EBM an, bei der besonders unterversorgten Gruppe der über 70-Jährigen auch die geriatrische Versorgung nach den GOP 03360 und 03362 EBM. Wenn man dafür das Bewusstsein des Praxispersonals weckt und bei jeder Terminierung einer solchen Untersuchung die Patientin oder der Patient aufgefordert werden, den Impfausweis mitzubringen, sollte das ein Selbstläufer sein.
Eine vielleicht wirkungsvolle Förderung der Impftätigkeit der Hausarztpraxen könnten auch Regelungen sein, die seit Oktober 2025 bzw. ab Januar 2026 die Honorierung beeinflussen. Ab dem Jahreswechsel müssen Hausarztpraxen nämlich mindestens zehn Impfungen im Quartal erbringen, wenn sie verhindern wollen, dass die Grundpauschale GOP 03040 (jetzt Vorhaltepauschale) um 40 % gekürzt wird. Bei 1.000 Fällen macht das einen potenziellen Verlust von 6.340 Euro aus. Hinzu kommt, dass man 2026 ein höheres Honorar für die GOP 03040 erreichen kann, wenn man z.B. bei 1.000 Behandlungsfällen zusätzlich zu den zehn Impfungen weitere 60 Immunisierungen jeweils im ersten bis dritten Quartal durchführt.
Die Gelegenheiten der Früherkennung nutzen
Fallbeispiel: Der 62-jährige Paul B. ist von Beruf Bäcker. Bei 122 kg Körpergewicht und einer Größe von 1,72 m liegt sein BMI mit 41,2 deutlich im pathologischen Bereich. B. raucht etwa 10 bis 15 Zigaretten pro Tag. Im Rahmen der bei ihm unregelmäßig durchgeführten Vorsorgeuntersuchungen wurde bereits ein mittelgradiger Hypertonus und ein Diabetes mellitus Typ 2 festgestellt. Weitere Risikofaktoren sind nicht bekannt.
Er stellt sich jetzt in der Praxis mit Termin vor, weil er vereinzelt Schmerzen in der linken Brustseite verspürt hat und ein neues Rezept braucht. B. wird in einem zwölf Minuten lange Gespräch über mögliche Zusammenhänge dieser Symptomatik aufgeklärt und erinnert, die anstehenden Vorsorgeuntersuchungen durchführen zu lassen. Wegen der akuten Beschwerden werden ein Ruhe-EKG angefertigt und ein Troponin-Schnelltest durchgeführt. Beides ergibt keinen pathomorphologisch auffälligen Befund.
Beim zweiten Termin wird B. über die in seinem Alter wichtige Vorsorge zum Kolonkarzinom und die Notwendigkeit einer Herpes-zoster-Impfung informiert. Keine pathologischen Befunde ergeben Check-up, Belastungs-EKG, die Auswertung der beim ersten Kontakt angelegten Langzeitblutdruckmessung und das Hautkrebsscreening. B. entscheidet sich für eine Vorsorgekoloskopie und eine HZ-Impfung. Die erste Impfung erfolgt sofort, ein Termin für die Zweitimpfung wird vereinbart.
Leistungen bei Zweitkontakt
EBM | Leistungsbeschreibung | Punkte/Euro | GOÄ |
---|---|---|---|
03221 | Zuschlag zur GOP 03220 für die intensive Behandlung und Betreuung eines Patienten mit mindestens einer lebensverändernden chronischen Erkrankung | 40/4,96 | |
01732 | Gesundheitsuntersuchung bei Erwachsenen | 326/40,40 | 29 |
01746 | Zuschlag zur GOP 01732 für die Früherkennungsuntersuchung auf Hautkrebs | 209/25,90 | 750 |
01740 | Beratung zur Früherkennung des kolorektalen Karzinoms | 116/14,38 | |
03321 | Belastungs-EKG | 198/24,54 | 652 |
03324 | Langzeit-Blutdruckmessung | 57/7,06 | 654 |
89129A | Erste Impfdosis (Indikationsimpfung) gegen Herpes zoster bei Personen ab 50 Jahren | regional unterschiedlich | 375 |
Alle gezeigten EBM-Leistungen werden seit Oktober 2025 unbudgetiert vergütet. Bei der GOÄ-Abrechnung kann der erhöhte Beratungsaufwand beim Check-up und beim Hautkrebsscreening über eine Anhebung des Multiplikators bei der Nr. 29 geltend gemacht werden.
Quelle: Medical-Tribune-Bericht