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Ständig fehlende Mitarbeitende „Ich würde bei der zweiten AU eingreifen“

Praxismanagement , Team Autor: Isabel Aulehla

Immer wieder einige Tage krank: Ein Anzeichen von Überlastung oder Unzufriedenheit. Immer wieder einige Tage krank: Ein Anzeichen von Überlastung oder Unzufriedenheit. © nmann77 – stock.adobe.com
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Lassen Angestellte sich immer wieder krankschreiben, hat das meist einen einfachen Grund, meint Praxisberater Wolfgang Apel. Wer das Problem langfristig lösen will, muss eine offenere Kommunikation ermöglichen.

Es kommt in allen Unternehmen vor: Person X fehlt innerhalb kurzer Zeit zum dritten Mal, an einer tatsächlichen Krankheit bestehen allerdings eher Zweifel. Die Arbeitsbelastung für den Rest des Teams steigt, die Stimmung kippt ins Verurteilende. „X drückt sich vor Arbeit und wir müssen es ausbaden“, heißt es schnell.

Doch die Situation sei wesentlich vielschichtiger, betont Praxisberater Wolfgang Apel, Gründer des Unternehmens Medikom in Nürnberg. Er meint: Im Grunde ist die Krankmeldung ein stummer Aufschrei der Betroffenen. Die Belastung der Praxisteams sei in den letzten Jahren stark gestiegen, die Zahl der psychischen Erkrankungen ohnehin gesamtgesellschaftlich auf einem Rekordhoch. Während Medizinische Fachangestellte an ihrer absoluten Belastungsgrenze arbeiten, falle es manchen von ihnen aber schwer, über ihre Situation zu sprechen. Dies habe vielfältige Gründe, erklärt Apel. Es gebe zwar einige Möglichkeiten, kurzfristig eine offenere Kommunikation über Überlastung in der Praxis zu ermöglichen und Krankmeldungen zu reduzieren. Doch um alle Ursachen des Problems zu beheben, müsse man tiefer ansetzen.

Akutmaßnahmen

Wenn sich überlastete Mitarbeitende lieber krankmelden als ihre Situation anzusprechen, sei das in erster Linie ein hausgemachtes Problem, stellt der Berater klar. Es sei Aufgabe der Praxisleitung, Offenheit vorzuleben und eine Atmosphäre zu schaffen, in der urteilsfrei über Nöte gesprochen werden kann. Ein realistischer Weg dorthin sei ein wöchentliches Teammeeting. „In vielen Praxen gibt es so etwas nur auf dem Papier“, berichtet Apel. Ärztinnen und Ärzte sollten die Sorgen ihrer MFA in diesen Runden ernst nehmen und gemeinsam Lösungen suchen, betont er.

Ansonsten empfiehlt der Berater, es nicht zu lange mitanzusehen, wenn sich Fehlzeiten häufen. „Ich würde schon bei der zweiten AU in wenigen Tagen intervenieren,.“ Denn es gelte zu verhindern, dass die Stimmung im Team kippt. Komme es so weit, seien es oft ausgerechnet gute Mitarbeitende, die kündigen, weil sie es nicht mehr einsehen, das Fehlen anderer auszubaden.

Die direkte Ansprache von MFA, die sich immer wieder krankmelden, bringe allerdings nicht immer etwas, räumt Apel ein. Insbesondere nicht, wenn Praxisleitung und MFA nie offen miteinander gesprochen haben und kein Feingefühl für die Belange des anderen haben. In manchen Fällen sei die Situation so vorbelastet, dass das Band zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer unwiderruflich zerschnitten sei.

Auch Generationenkonflikte können laut dem Berater die Kommunikation zwischen Arbeitgeber und MFA beeinträchtigen. Zwei Drittel der Praxisinhaberinnen und -inhaber erreichen in den kommenden zehn Jahren das rentenfähige Alter, gibt er zu bedenken. Aktuell erlebten sie eine bis dato unbekannte Kostenexplosion in ihren Praxen. Ihnen gegenüber stehen tendenziell jüngere MFA, die im Arbeitsalltag andere Umgangsformen erwarten als ältere Generationen gewohnt sind. Melden sie sich oft krank, könne das auch darauf hinweisen, dass sie sich im Umgang mit ihren Vorgesetzten unwohl fühlen, merkt Apel an. Davon abgesehen könnten auch andere Faktoren die Kommunikationsfähigkeit beeinflussen. Tendenziell hätten immer mehr MFA niedrige Schulabschlüsse und weniger gute Deutschkenntnisse.

Langfristige Lösungen

Krankmeldungen wären für Praxen keine so große Belastung, wenn sie personell besser gerüstet wären. Anders als in der freien Wirtschaft würde meist weder ein normaler Krankenstand noch ein Puffer einkalkuliert, vergleicht Apel. Oft führe es schon zu Problemen, wenn auch nur eine Fachkraft einen halben Tag zu einer Beerdigung müsse. Entsprechend fatal sei es, wenn Praxisleitungen weiter am Personal sparen, weil es der größte Kostenpunkt ist. Auch vermeintlich kleine Kürzungen können große Auswirkungen haben, warnt Apel. Es sei etwa verbreitet, Teilzeit-MFA die in Rente gehen, nicht zu ersetzen. Doch das sei fatal.

Natürlich arbeiten viele Praxen nicht freiwillig unterbesetzt, der Fachkräftemangel erzwinge dies, argumentieren Niedergelassene. Doch Apel widerspricht: Bei zeitgemäßer und strategischer Personalakquise könnten Praxen trotz allem innerhalb von zehn Wochen eine qualifizierte Fachkraft gewinnen, die gut ins Team passt. „Auch wenn es viele Praxisinhaber nicht gerne hören: Die Personalgewinnung läuft heute über soziale Medien.“ Er hat sich ausgiebig damit befasst, wie entsprechende Konzepte aussehen können.  

Stattdessen werde meist die erstbeste Bewerberin eingestellt, unter Nichtbeachtung aller Warnsignale und nach dem Prinzip Hoffnung: „Das wird schon irgendwie gut gehen.“ Nein, gehe es eben nicht, stellt Apel klar. Wenn jemand nicht gut ins Team passe und für seine Aufgaben nicht ausreichend qualifiziert sei, führe dies zu Krankmeldungen.

Er empfiehlt, die Arbeitsbedingungen in der Praxis im Bewerbungsgespräch ehrlich zu schildern. Andernfalls könnten neue MFA schnell enttäuscht sein und durch häufiges Fehlen ausweichen. Auch das Thema Krankschreibung sollte schon im Bewerbungsgespräch benannt werden, etwa wie folgt: „Wir wissen alle, wie hoch die Belastung in der Medizin derzeit ist. Die Zahl der Krankmeldung ist aufgrund von Überlastung stark gestiegen, trotzdem wird in vielen Einrichtungen nicht ehrlich darüber gesprochen. Wir möchten Ihnen diese Angst nehmen. Bei uns können Sie es offen ansprechen, wenn sie sich überlastet fühlen.“

Wichtig um Personal halten und motivieren zu können, sei auch eine gute Bezahlung, ergänzt der Berater. Ein tarifliches MFA-Gehalt ist seiner Meinung nach das Mindeste. Man müsse sich nur vor Augen führen, welche Einschnitte die gestiegenen Preise bei einem MFA-Gehalt allein schon beim Einkaufen des Lebensnotwendigsten bedeuten.

Medical-Tribune-Bericht

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