Wer gewinnt, wer verliert? So soll die Entbudgetierung umgesetzt werden

Praxismanagement , Geld und Steuern Autor: Dr. Gerd W. Zimmermann

Nun ist es amtlich: Ab dem 1. Oktober 2025 erhalten Hausärztinnen und -ärzte den größten Teil ihres Honorars auf Eurobasis ausgezahlt. Nun ist es amtlich: Ab dem 1. Oktober 2025 erhalten Hausärztinnen und -ärzte den größten Teil ihres Honorars auf Eurobasis ausgezahlt. © Romolo Tavani - stock.adobe.com

Nun ist es amtlich: Ab dem 1. Oktober 2025 erhalten Hausärztinnen und -ärzte den größten Teil ihres Honorars auf Eurobasis ausgezahlt. Was das für die einzelne Praxis heißt, hängt von mehreren Faktoren ab. Speziell bei der aufkommensneutralen Honorarumverteilung durch die Vorhaltepauschale besteht noch Klärungsbedarf.

Auf Basis des Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetzes (GVSG) hat der Erweiterte Bewertungsausschuss (EBA) am 20. Mai 2025 die notwendigen Umsetzungsregelungen beschlossen. Diesen Beschluss kann man in drei Ebenen gliedern, aus deren Zusammenspiel sich das positive oder negative Ergebnis für die einzelne hausärztliche Praxis entwickeln wird.

Ebene 1: die Entbudgetierung

Der EBA hat festgelegt, dass ab dem 4. Quartal 2025 die in der Tabelle aufgeführten Leistungen unbudgetiert vergütet werden. Die GOP 03008, 03011, 03012, 03013, 03014 und 03015 (Terminvermittlungszuschläge), 03222 (Medikationsplan), 03325 und 03326 (Telemedizinmonitoring), 03355 (Echtzeitglukosemessung) und 01418 (Besuch im organisierten Notfalldienst) sind in der Tabelle nicht erfasst, da sie bereits extrabudgetär vergütet werden.

Klar ist: Mit der Entbudgetierung  können die Praxen einen höheren Umsatz machen. Wie hoch der Zuwachs ausfallen wird, hängt davon ab, ob eine Praxis die Leistungen, die ab Oktober unquotiert bezahlt werden, künftig vermehrt erbringt bzw. welche Regelungen im Honorarverteilungsmaßstab (HVM) der KV diesen Leistungen zugrunde lagen.

Beispiel Geriatrie-GOP 03360 und 03362. Sie wurden regional im HVM unterschiedlich quotiert, deshalb oft kaum angemessen vergütet und von den meisten Praxen selten erbracht. Wer das große Patientenpotenzial ab Oktober zu mobilisieren weiß und bei Menschen ab dem 70. Lebensjahr mit einem Pflegegrad und/oder zumindest einer definierten geriatrischen Erkrankung die GOP vermehrt ansetz, kann allein hiermit seinen Fallwert um 10 und 30 % steigern. Dies potenziert sich ggf. noch dadurch, dass ein bisheriges qualifikationsgebundenes Zusatzvolumen im HVM wegfällt.

Ebene 2: die Hausarzt-MGV

Die Entbudgetierung betrifft die Leistungen der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV) des Kapitels 3 EBM und die hausärztlichen Hausbesuche. Sie wird wie bei den Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzten als gesondertes Volumen innerhalb der MGV umgesetzt. Die Festsetzung dieser „Hausarzt-MGV“ erfolgt durch Multiplikation des hausärztlichen Honoraranteils (inkl. der gezahlten leistungsbezogenen und nicht leistungsbezogenen Zuschläge sowie zusätzlicher Honorarauszahlungen) mit der MGV des jeweiligen Quartals 2023 unter Berücksichtigung von Abgrenzungsänderungen, Fortschreibungen und Bereinigungen in den Folgejahren. 

Wenn diese Mittel nicht reichen, müssen die Krankenkassen Ausgleichszahlungen leisten. Unterschreitungen der Hausarzt-MGV aus Vorquartalen werden verrechnet und/oder für etwaige Zuschläge zur Förderung der hausärztlichen Versorgung verwendet. Die Bestimmung des Honoraranteils und der Hausarzt-MGV geschieht auf Landesebene. Die erstmalige Festsetzung erfolgt in den Quartalen 4/2025 bis 4/2026 und wird ab 2027 jeweils auf Basis des Vorjahresquartals fortgeschrieben.

Der EBA musste an dieser Stelle angerufen werden, da sich KBV und GKV-Spitzenverband in einem wichtigen Punkt nicht einigen konnten. Strittig war die Forderung der KBV, Finanzmittel für gesetzliche/vertragliche Sicherstellungsmaßnahmen aus der MGV herauszurechnen. Hier geht es um die Strukturfonds, für die KVen und Kassen mindestens 0,1 % und höchstens 0,2 % der MGV zur Verfügung stellen müssen. Daraus werden Zuschüsse zu den Investitionskosten bei Neuniederlassungen und Praxisübernahmen, zur Vergütung von Ausbildung und Stipendien sowie die Förderung von Eigeneinrichtungen, Sonderbedarfszulassungen und des Betriebs der Terminservicestellen finanziert. Dieses Volumen verbleibt nun in der MGV.

Das hat auf die entbudgetierten Leistungen keinen Einfluss, kann sich aber bei den weiter aus der MGV quotiert vergüteten Positionen unvorhersehbar negativ auswirken. Im hausärztlichen Bereich wäre dies z. B. bei Sonografie, „kleiner Chirurgie“ oder Psychosomatik der Fall.

Hier wird der mit dem Gesetz beabsichtigte Strukturwandel im hausärztlichen Sektor erkennbar. Extrabudgetär werden nur bestimmte technische Leistungen wie Langzeit-EKG, Spirografie oder Langzeit-Blutdruckmessung bezahlt. Die Sonografie hingegen wird diesem Bereich noch mehr entzogen. Gleiches gilt für die Psychosomatik. Wer deshalb künftig solche Leistungen noch erbringen will, muss dies aus dem entbudgetierten Honoraranteil mitfinanzieren und damit seinen potenziellen Gewinn reduzieren.

Ebene 3: neue Leistungen

Das GVSG beinhaltet zwei Aufträge zur Anpassung des hausärztlichen EBM-Kapitels. Der Bewertungsausschuss (BA) soll bis zum 31. August 2025 Regelungen für eine sog. Versorgungspauschale beschließen. Das scheint unproblematisch zu sein. Anders sieht es bei der Vergütung der sog. Vorhaltepauschale für das Vorhalten der hausärztlichen Grundversorgungstrukturen aus. Das Gesetz nennt Voraussetzungen, die für die Abrechnung erfüllt werden müssen. Diese sind vom BA zu regeln. Genannt werden

  • eine bedarfsgerechte Versorgung mit Haus- und Pflegeheimbesuchen,
  • bedarfsgerechte Praxisöffnungszeiten,
  • das vorrangige Erbringen von Leistungen aus dem hausärztlichen Fachgebiet,
  • eine Mindestanzahl an zu versorgenden Versicherten sowie
  • die regelmäßige Nutzung von Anwendungen der Telematikinfrastruktur.

Hierzu hat der EBA zunächst nur einen Eckpunktebeschluss gefasst. In der BA-Sitzung am 17. Juni 2025 soll ein Beschluss gefasst werden. Die Eckpunkte beziehen sich insbesondere auf die im Gesetz vorgegebene Ausgabenneutralität und auf das Umverteilungsvolumen. Sie sehen auch eine Konvergenzphase vor.

EBM-Leistungen, die ab Oktober unbudgetiert bezahlt werden
GOPLeistungsbeschreibungEuro
03030Pauschale bei unvorhergesehener Inanspruchnahme9,54
03230Problemorientiertes ärztliches Gespräch15,86
03241Computergestützte Auswertung Langzeit-EKG10,66
03242Testverfahren bei Demenzverdacht2,85
03321Belastungs-EKG24,54
03322Aufzeichnung eines Langzeit-EKG5,95
03324Langzeit-Blutdruckmessung7,06
03330Spirografische Untersuchung6,57
03331Prokto-/Rektoskopischer Untersuchungskomplex11,65
03335Audiometrische Untersuchung nach Hörprüfung11,15
03350Entwicklungsneurologische Untersuchung15,24
03351Orientierende Untersuchung der Sprachentwicklung21,07
03352Zuschlag neben Früherkennungsuntersuchungen9,42
03360Hausärztlich-geriatrisches Basisassessment,14,00
03362Hausärztlich-geriatrischer Betreuungskomplex21,56
03370Palliativmedizinische Ersterhebung inkl. Behandlungsplan42,26
03371Zuschlag zur Versichertenpauschale 0300019,71
03372Zuschlag zu den GOP 01410 oder 0141315,37
03373Zuschlag zu den GOP 01411, 01412 oder 01415 für die palliativmedizinische Betreuung in der Häuslichkeit, je Besuch15,37
01410Besuch26,27
01411Dringender Besuch I58,13
01412Dringender Besuch II77,58
01413Besuch eines weiteren Kranken13,14
01415Dringender Besuch in beschützenden Wohnheimen etc.67,67

KBV und Kassen haben offensichtlich den „Sprengstoff“ erkannt, der in dieser gesetzlichen Vorgabe enthalten ist. Die neue Vorhaltepauschale soll die GOP 03040 ersetzen. Die wurde bisher bei jedem kurativen Fall automatisch von der KV hinzugefügt. Das entfällt künftig. Nur Praxen, in denen die zuvor genannten Leistungen erbracht werden, erhalten die GOP. 

Das bedeutet: Eine Praxis mit z. B. 1.000 Behandlungsfällen verliert im betreffenden Quartal 17.100 Euro Honorar und kann dieses nur 1:1 ersetzen, wenn sie die Kriterien erfüllt. Da im Gesetz eine finanziell neutrale Regelung verfügt ist, sollen Überschüsse, die im Vergleich zum Honorarergebnis aus der GOP 03040 resultieren, zusätzlich den Praxen zufließen, die alle geforderten Kriterien erfüllen.

Das ist klassische Umverteilung. Auch hier ist der gesetzgeberisch beabsichtigte Strukturwandel erkennbar: Hausärztinnen und -ärzte, die sich an diese Regeln halten, werden gewinnen, andere, die dies nicht tun, verlieren. Damit dies nicht zur „Versorgungskatastrophe“ führt und ausreichend Zeit verbleibt, die notwendigen Umstrukturierungen vorzunehmen, ist ein Übergangszeitraum von drei Jahren vorgesehen.

Quelle: Medical-Tribune-Bericht