Dermatozoenwahn

Definition

Beim Dermatozoenwahn besteht die hautbezogene wahnhafte Annahme eines vermeintlichen Parasitenbefalls. Die Patienten sind dabei unkorrigierbar überzeugt von Insekten, Milben, Würmern oder anderen Parasiten befallen zu sein und sind von ihrer Wahnidee auch durch objektive negative Befunde nicht abzubringen.

Die wahnhafte Annahme führt in der Regel zu einem hohen Leidensdruck und starker Einschränkung der Lebensqualität. Die ständige Beschäftigung mit dem Wahn kann zu Beeinträchtigungen in verschiedenen sozialen Bereichen und geht meist mit zahlreichen Konsultation verschiedener Ärzte und Gesundheitsämter einher. Betroffen sind meist ältere, sozial isolierte Frauen.

Der Dermatozoenwahn kann im Rahmen paranoider (20%) oder depressiver Störungen (50%) auftreten – häufig isoliert monosymptomatisch. Auch im Delir oder nach Noxeneinwirkungen wird z.T. ein Dermatozoenwahn beobachtet. In 5-15% besteht bei nahestehenden Personen ein assoziierter Wahn (Folie à deux).

Anzeige
Anzeige
Symptomatik

Hauptsymptome ist ein Jucken und Kribbeln in der Haut, verbunden mit der Gewissheit, dass es sich um einen Parasitenbefall handelt. Die Patienten sind dabei Argumenten mit Erläuterung objektiver Befunde nicht zugänglich und beharren auf ihrer Wahnidee.

Häufig bringen die Patienten die vermeintlichen Erreger in Schachteln oder Döschen mit, wobei es sich mikro- und makroskopisch in der Regel um Hautschuppen, Fasern oder nicht-parasitäre Fremdkörper handelt.

Versuche der Selbstbehandlung mit Pinzetten u.ä. oder aggressiven chemischen Substanzen führen häufig zu Artefakten der Haut oder ekzematösen Veränderungen.

Anzeige
Untersuchung

Man findet in unterschiedlicher Ausprägung artifizielle Schädigungen der Haut wie

  • Exkoriationen durch Kratzen
  • Stich und Pinzettenartefakte im Bereich von Armen, Beinen und gut erreichbarem Stamm
  • Hautschäden (Exsikkationsekzem) durch aggressive Reinigungsprozeduren und Anwendung von Desinfektionsmitteln
Labor

Nach Ausschluss von anderen Hauterkrankungen und einem echten Parasitenbefall ergibt sich die Diagnose aus der typischen Symptomatik.

Anzeige
Differenzialdiagnostik

Andere psychiatrische oder hirnorganische Erkrankungen

  • Schizophrenie
  • hirnorganisches Psychosyndrom
  • beginnende Zerebralsklerose
  • reine Angst- oder Zwangsstörungen
  • neurotische Exkoriationen

Somatische Erkrankungen

  • somatoforme Störungen
  • sensorische Beschwerden mit Brennen und Juckreiz (z.B. Polyneuropathie)
  • andere Pruritus-Erkrankungen
Pharmakotherapie und nichtinvasive Therapie

Der Dermatozoenwahn spricht i.d.R. sehr gut auf eine Therapie mit atypischen Neuroleptika an. Meist reicht hier eine niedrigere Dosis aus als üblicherweise bei psychiatrischen Erkrankungen.

Steht die paranoide Störung im Vordergrund ist Risperidon Mittel der ersten Wahl, da hier das Wirkungs-Nebenwirkungsverhältnis am günstigsten ist. Mögliche Alternativen sind Olanzapin, Quetiapin und Pimozid.

Reicht eine Monotherapie mit Neuroleptika nicht aus, kann manchmal eine Kombination mit Antidpressiva oder Anxiolytika sinnvoll sein. Da die Patienten in der Regel nicht davon zu überzeugen sind, dass eine psychiatrische Erkrankung vorliegt, kann es hilfreich sein zu erklären, dass die Medikamenten „die Hautnerven beruhigen sollen“. Wichtig ist es eine vertrauensvolle Arzt-Patienten-Beziehung aufzubauen.

Eine zusätzliche Psychotherapie wäre sinnvoll, wird aber von den Patienten zu Beginn oft abgelehnt. Eine vollständige Beseitigung des Dermatozoenwahns mit Distanzierung vom Wahninhalt ist oft nicht möglich – als Therapieerfolg muss schon gewertet werden, wenn die wahnhafte Störung „still“ ist.

Zur dermatologischen Behandlung reichen meist blande Lokaltherapeutika zur Wundheilung aus.

Leitlinien
  • Wolfgang Harth, Uwe Gieler; in: Psychosomatische Dermatologie; Kapitel Dermatozoenwahn; Springer-Verlag 2006, Seite 35-36

Eine entsprechende Leitlinie liegt nicht vor.

Abrechnung

Verschenken Sie kein Honorar: Das „Gebühren-Handbuch digital“ ist die ideale Weiterentwicklung der Printausgabe des bekannten „Medical Tribune Gebühren-Handbuchs“ - statt 2000 Buchseiten der schnelle digitale Zugriff.

Was Ihnen die Abrechnung leichter macht:

  • die immer aktuelle Fassung von EBM und GOÄ (Einheitlicher Bewertungsmaßstab und Gebührenordnung für Ärzte)
  • Tipps und Experten-Kommentare zur Honorarabrechnung (EBM/GOÄ), graphisch aufbereitet und leicht verständlich
  • Kommentare von Kollegen lesen und selbst kommentieren
  • persönliche Notizen und Lesezeichen setzen

Zum Gebühren-Handbuch digital »

Fortbildungen

10.04.2024 | 16:00 - 19:15 Online

Case Conference 2024

Neues Wissen von Fall zu Fall

Details Online-Teilnahme
13.04.2024 | 09:55 - 12:00 Online

Neuro Duett 2024

Mit der zweiten Perspektive lernt man besser!

Details Online-Teilnahme
Termin Fortbildung Ort  
10.04.2024 | 16:00 - 19:15

Case Conference 2024

Neues Wissen von Fall zu Fall

Details Online-Teilnahme
Online
CME-Punkte beantragt
kostenfrei
13.04.2024 | 09:55 - 12:00

Neuro Duett 2024

Mit der zweiten Perspektive lernt man besser!

Details Online-Teilnahme
Online
CME-Punkte beantragt
kostenfrei
Alle Fortbildungen




Diese Informationen dienen ausschließlich der Aus- und Weiterbildung von Angehörigen und Studenten der medizinischen Fachkreise (z.B. Ärzte) und enthalten nur allgemeine Hinweise. Sie dürfen nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden und sind kein Ersatz für eine ärztliche Beratung oder Behandlung. Die jeweiligen Autoren haben die Inhalte nach bestem Wissen gepflegt. Dennoch sollten Sie die Informationen stets kritisch prüfen und mit zusätzlichen Quellen vergleichen. Die Autoren und die Betreiber von medical-tribune.de übernehmen keine Haftung für Schäden, die durch nicht-kontrollierte Anwendung von Empfehlungen und Inhalten entstehen. Beiträge, die Angaben zum Einsatz und zur Dosierung von Medikamenten machen, sind die persönliche Einschätzung der Autoren. Sie ersetzen nicht die Empfehlungen des Herstellers oder des behandelnden Arztes oder Apothekers.