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Ärztemangel? Der ist hausgemacht!

Autor: Dr. Günter Gerhardt

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Es gibt so viele Medizinstudenten wie noch nie und trotzdem finden im ländlichen Bereich so viele Niederlassungen wie noch nie keinen Nachfolger. Selbst schuld - sagt unser Kolumnist Dr. Günter Gerhardt.

Die Zahl der Medizinstudierenden – 70% Frauen – steigt weiter leicht an, sodass es rein zahlenmäßig in Deutschland nicht an Ärztinnen/Ärzten mangeln dürfte. Trotzdem finden v.a. Kolleginnen und Kollegen in ländlichen Regionen nur schwer eine Nachfolgerin/einen Nachfolger. Woran liegt das?

Sind da Gründe vorhanden, die mehr oder weniger hausgemacht sind? In den Gesundheitspolitischen Informationen 4/2014 wird unser Gesundheitsminister Hermann Gröhe mit dem Satz zitiert: „Gerade für eine älter werdende Gesellschaft ist eine gut erreichbare medizinische Versorgung, ambulant wie stationär, von besonderer Bedeutung.“ Das derzeit für viel Aufregung sorgende Versorgungsstärkungsgesetz (VSG) soll helfen, die Überversorgung mit Ärzten in der Stadt abzubauen und die Unterversorgung auf dem Land zu beheben.

Nachbesetzung sollen in Zukunft abgelehnt werden

Das klingt einfach, doch der Teufel steckt wie immer im Detail. Der Abbau von Praxen im überversorgten Bereich ist im VSG derart geregelt, dass die Zulassungsausschüsse die Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes bis auf wenige Ausnahmen in einem überversorgten Bereich zukünftig ablehnen sollen (derzeit noch „können“). Ausnahmen sind eine Weitergabe an ein Familienmitglied, an einen Partner, der seit mindestens drei Jahren in der Praxis arbeitet und jetzt neu an eine Ärztin/einen Arzt, wenn die/der sich verpflichtet, die Praxis in ein Gebiet innerhalb des Planungsbereichs mit Versorgungsbedarf zu verlegen.

Und wie ist das mit Regionen, die rechnerisch zwar überversorgt sind, in denen trotzdem aber Hausärzte fehlen? Also eine Stadt voll mit Ärzten, im Hinterland aber fehlen sie? Eine Neuzulassung kommt nicht infrage, es sei denn der Zulassungsausschuss sieht einen Sonderbedarf, was im Bereich der hausärztlichen Versorgung regelmäßig nicht der Fall ist. Eine Lösung wäre hier, die neue Ausnahmeregelung für Neubesetzungen auch bei Neuzulassungen anzuwenden.

Schwammige Rechtsprechung schafft Hürden für Neulinge

Es gibt aber auch zunehmend Regionen/Planungsbereiche, die „ausbluten“, weil die Menschen in die Städte abwandern. Den verbleibenden Ärzten fehlen die Patienten. Sie haben die Möglichkeit, z.B. in einer Zweigpraxis auch außerhalb ihres Vertragsarztsitzes Patienten zu versorgen, wenn die Versorgung am bisherigen Standort nicht beeinträchtigt und am neuen Standort verbessert wird. Das prüft und entscheidet der Zulassungsausschuss. Zu dem schwammigen Begriff „verbessert“ existiert zwischenzeitlich auch eine Rechtsprechung.

Das Ganze ist nicht unkompliziert für eine junge Ärztin/einen jungen Arzt. Mit der entsprechenden Hilfestellung (Lotse) der KV sollte es kein Problem sein, wenn sich da nicht manchmal auch ganz andere Hürden aufbauen würden. So gibt beispielsweise ein Arzt, der aufhören will, aber noch keinen Nachfolger gefunden hat, seine Zulassung nicht ab, sondern lässt sie ruhen. Das wird in der Regel für zwei Jahre genehmigt. In dieser Zeit kümmert er sich weiter um einen Nachfolger.

Und die Patienten? Je mehr Zeit verstreicht, desto mehr Menschen haben sich einen neuen Arzt gesucht. Ganz schnell ist der Punkt erreicht, wo eine Übernahme der Praxis nicht mehr rentabel ist, weil Patienten fehlen, die erfahrungsgemäß nicht mehr zurückkommen. Letztendlich wird hier die sinnvolle Möglichkeit des Ruhens der Zulassung mit anschließender Wiederaufnahme der Tätigkeit missbraucht, Ärztemangel hausgemacht!

Man lässt warten und vergibt dann Teilstudienplätze

Zahlreiche Zulassungsverfahren werden nicht nur in die Länge gezogen, sondern auch vereitelt – aus Futterneid, ein bekanntes ärztliches Phänomen. Ermöglicht wird das durch Rechtsschutzmöglichkeiten der an einem Zulassungsverfahren Beteiligten, Mitbewerber und Konkurrenten. Sie haben die verfassungsrechtlich abgesicherte Möglichkeit, mit offensiver oder defensiver Konkurrentenklage zu reagieren und die Zulassung kommt nicht zustande, Ärztemangel hausgemacht!

Ja und dann natürlich der durch den NC selbst produzierte Ärztemangel. Ist die Abi-Note nicht gut genug, lässt man unseren Nachwuchs 14 Semester warten, bis studiert werden darf. Oder noch perfider: Erst lässt man die jungen Leute einige Jahre warten und vergibt dann einen Teilstudienplatz. Damit dürfen sie bis zum Physikum studieren und müssen dann – trotz bestandenem Physikum – wieder warten, weil angeblich in der Klinik nicht genügend Plätze vorhanden sind. Begründung: schlechtes Abi. Das ist, liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Skandal, Ärztemangel hausgemacht!

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