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Arbeiten im Cottage Hospital: KBV setzt große Hoffnungen in hausärztlich geleitete Belegarztstationen

Interview Autor: Cornelia Kolbeck

Rechts: Dr. Stephan Hofmeister, stellv. Vorstandsvorsitzender der KBV. Rechts: Dr. Stephan Hofmeister, stellv. Vorstandsvorsitzender der KBV. © Fotolia/rdnzl, Cornelia Kolbeck
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Die Zahl der Belegärzte ist seit Jahren rückläufig. Dennoch hält die KBV eine Renaissance der belegärztlichen Tätigkeit für möglich und aus Kostengründen auch für logisch. Dr. Stephan Hofmeister, stellvertretender KBV-Vorstandsvorsitzender, erklärt, warum auch Hausärzte hier ein neues Arbeitsfeld erschließen können.

Laut KBV-Statistik gab es 2007 in Deutschland 109 Hausärzte, die als Belegarzt tätig waren. 2016 waren es 36. Woran krankt das System?
Dr. Hofmeister:
Das Problem ist, dass diese Versorgungsform zurzeit nur über Verträge mit einzelnen Krankenkassen realisiert werden kann, denn in der Gebührenordnung gibt es kein geeignetes Konzept für die Finanzierung belegärztlicher Leistungen. Die Krankenhaus-Fallpauschalen decken die vollstationäre, der EBM deckt die rein ambulante Versorgung ab. Für das Interim fehlt die Struktur. Dabei sollte für diese moderne Form der Versorgung Geld verfügbar sein, weil dadurch teure stationäre Strukturen entfallen. Hier muss der Gesetzgeber die Rahmenbedingungen ändern. Er muss den gesetzlichen Kassen ermöglichen, frei werdende Gelder aus dem Krankenhausbereich umzuwidmen in den Belegarztbereich.

Hausärzte arbeiten oft schon in der Praxis am Limit, wie können sie da noch Belegarzt sein?
Dr. Hofmeister:
Idealerweise organisieren die Hausärzte vor Ort das belegärztliche Angebot, teilen sich die Visiten und so weiter. Ist das nicht möglich, kann auch ein zusätzlicher Hausarzt übernehmen, der dann nicht in Konkurrenz zu den Praxen arbeitet, sondern mit seiner Tätigkeit den Kollegen in den Praxen den Rücken freihält.

Wie soll das konkret aussehen?
Dr. Hofmeister:
Wir sehen die belegärztliche Arbeit als Ergänzung zur Praxisarbeit. Denkbar wäre aber auch eine Filialbildung. Im ländlichen Raum wäre diese möglich, wo der operierende Facharzt Übernachtungskapazität mit Beobachtungszeit benötigt. Diese Versorgung könnten mehrere Hausärzte neben ihrer Praxisarbeit abwechselnd übernehmen oder auch der hauptamtlich tätige, angestellte Kollege. Oder denken Sie an ein kleines Krankenhaus, welches sich am jetzigen Standort wirtschaftlich nicht mehr trägt. Möglich wäre – vielleicht sogar in der alten Immobilie –, dass Fachärzte an einzelnen Tagen ihre Leistungen anbieten und die Patienten auf der von Hausärzten betreuten Belegarztstation noch ein bis drei Tage verbleiben können.

Wird eine verstärkte belegärztliche Arbeit nicht weitere Lücken in die hausärztliche Versorgung reißen?
Dr. Hofmeister:
Wenn es insgesamt in einer Region zu wenig Ärzte gibt, dann ändert auch ein Gesetz „pro Belegarzt“ nichts. Wir haben aber nicht zu wenige Köpfe, unsere Versorgungsstrukturen sind zum Teil überbordend. Wir behandeln in Deutschland viel zu viele Patienten stationär, die nicht stationär behandelt werden müssten. Wenn wir das in Richtung des ambulanten Bereichs verschlanken, dann haben wir auch wieder neue Leute verfügbar, nämlich jene, die in den Kliniken frei werden.

Über wie viele Betten sprechen wir bei diesen „Stationen“?
Dr. Hofmeister:
Der englische Begriff ist Cottage Hospital, was für das betreute Schlafen steht. Die Zahl der Betten wird dabei von der Lage der Einrichtung abhängen. In einem ausgedünnten Landstrich reichen eventuell fünf oder zehn Betten aus, in einem stärker bevölkerten Gebiet wird man mehr Betten brauchen, vielleicht 20. Entscheidend wird das regionale fachärztliche Angebot sein, das heißt der Bedarf an Betten seitens der kooperierender Fachärzte.

Welche Rechtsform könnte ein solches Konstrukt haben?
Dr. Hofmeister:
Die Rechtsform wäre noch zu definieren. Ich denke aber, es könnte zum Beispiel eine Berufsausübungsgemeinschaft, ein MVZ oder eine Praxisklinik sein.

Was ist der Unterschied der Belegarztstation zur Praxisklinik?
Dr. Hofmeister:
Praxisklinik ist ein juristisch definierter Begriff, alles andere sind Varianten davon. Beleghaus, Cottage Hospital – das sind Spielarten von Worten.

Auch eine KV-Eigeneinrichtung ist möglich?
Dr. Hofmeister:
Wir fordern vom Gesetzgeber, dass die KVen das Recht bekommen, solche Einrichtungen zu tragen. KVen sollen so etwas an den Start bringen können, um es dann mittelfristig an Interessenten abgeben zu können.

Welche Patienten sind für Cottage Hospitals geeignet?
Dr. Hofmeister:
Wir sprechen von Menschen, die keine vollstationäre Leistung benötigen, aber aus sozialmedizinischer oder geriatrischer Indikation kurzfristig versorgt werden müssen. Das betrifft beispielsweise den 85-jährigen Rentner, der sich das Schlüsselbein gebrochen hat. Das Richten der Clavicula-Fraktur ist ambulant schnell möglich. Aber vielleicht schafft es die 81-jährige Gattin nicht mehr, ihren Mann, der zudem an einer leichten Demenz leidet, nach der Operation zu betreuen.

Wie lang sollten Patienten im haus­ärztlichen Belegbett bleiben?
Dr. Hofmeister:
Zu überlegen wären 72 Stunden. Intensivmedizinische Komplikationen müssen jedoch ausgeschlossen sein, ebenso die Intensivpflege. Es geht neben der ärztlichen Versorgung um die Überwachung von Patienten mit leichter Demenz, Verbandwechsel oder die Medikamentengabe. Dies kann Pflegepersonal übernehmen, vielleicht sogar rekrutiert aus einem schließenden Krankenhaus. Für uns ist das auch eine Brücke zu den Landräten, wir bieten ihnen vor Ort eine neue Struktur an.

Union und SPD wollen die ärztliche Vergütung reformieren. Ist das eine Chance für Änderungen in der Belegarzthonorierung?
Dr. Hofmeister:
Wir haben in unserem Programm „KBV 2020“ verankert, dass wir das Belegarztwesen stärken wollen und bei der Klausurtagung im Januar zeigte sich hierfür erneut die Unterstützung durch Fach- und Hausärzte. Ob wir die Politik überzeugen können, wird sich zeigen. Erst einmal müssen wir sehen, ob es eine neue Große Koalition überhaupt geben wird.

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