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Arzt-Fördermittel harren der Nachfrage

Gesundheitspolitik Autor: Michael Reischmann

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Die Instrumentenkiste zur Abwehr eines Ärztemangels ist groß. Doch wie lockt man Vertragsärzte wirklich in strukturschwache Regionen?

In Hessen bat jüngst das Sozialministerium zur feierlichen Unterzeichnung eines „Pakts“ zur Sicherstellung der gesundheitlichen Versorgung. Landesregierung, KV, Ärztekammer, Krankenhausgesellschaft, Krankenkassen, die allgemeinmedizinischen Abteilungen der Universitäten Marburg und Frankfurt sowie die Regionalgruppe der „Jungen Allgemeinmedizin“ packen für 2012 bis 2014 gemeinsam an.

Eine Linkliste zu länderspezifischen Fördermitteln haben wir für Sie zusammengestellt.

Geld ist eine Motivation, auf dem Land zu arbeiten

Land, KV und Krankenkassen stellen drei Jahre lang jeweils 200 000 Euro bereit, um Niederlassungen in „besonders definierten Gebieten mit regionalem Versorgungsbedarf“ mit einem Betrag von bis zu 50 000 Euro pro Praxis zu fördern. Neben ergänzenden Darlehen, einer Internetseite für angehende Hausärzte, der Einrichtung einer Koordinierungsstelle bei der KV sowie zweier universitärer „Kompetenzzentren Allgemeinmedizin“ werden die drei Delegations-Modelle Agnes, Verah und Praxisassistentin nach BÄK-Curriculum vergleichend erprobt.

Landarzt: 8000 Euro - Ein angemessenes Nettoeinkommen?

Interessant sind die Ideen zu Pendel- und Begleitdiensten (siehe Kasten) für Patienten. Dass Geld das richtige Mittel ist, um Ärzte aufs Land zu holen, bestätigen Umfragen. Bei einer Online-Umfrage, an der 2010 rund 500 Ärzte in Weiterbildung mitmachten, beantworteten 66 % die Frage „Wäre Geld für Sie eine Motivation, auf dem Land zu arbeiten“ mit „Ja“. Dabei hielten 42 % ein monatliches Nettoeinkommen von 8000 Euro für eine Vollzeittätigkeit als Allgemeinarzt für angemessen, 21 % nannten 10 000 Euro netto und 28 % 5000 Euro.

Patienten-Pendeldienst statt Hausbesuche


Ein von ehrenamtlichen Fahrern geleisteter Pendel- und Begleitdienst für immobile Patienten soll Ärzten zeitintensive Hausbesuche ersparen. Dieses Angebot wollen in Hessen das Land und Kommunen in Rahmen des Gesundheitspakts organisieren. Diese Fahrdienste sollen insbesondere in unterversorgten Regionen den Zugang zur medizinischen Versorgung sicherstellen. Das Land wird einen Leitfaden sowie Qualifizierungsmaßnahmen für Personen anbieten, die einen Mobilitätsdienst gründen und aufbauen wollen.


Auf Landkreiseebene kann eine Ansprechperson die kommunalen Initiativen koordinieren. Die Kommunen können „in Abstimmung mit der Ärzteschaft“ die Mobilitätsdienste bei der Terminvergabe und der Einteilung der Fahrer unterstützen. Die „Ehrenamtscard“ für Menschen, die sich bei Mobilitätsdiensten ehrenamtlich engagieren, wird stärker beworben. Damit die Umsetzung der Fahrdienste nicht an den Anschaffungskosten für ein Fahrzeug scheitert, spricht die Landesregierung mit den drei hessischen Verkehrsverbünden NVV, RMV und VRN, damit diese Fördermittel für die alternativen Bedienformen bereitstellen.


Für den Weg zur Arbeit waren 72 % bereit, bis zu 30 Minuten zu investieren. Beim aktuellen MLP-Gesundheitsreport erklären 82 % der befragten Klinik- und Vertragsärzte eine finanzielle Förderung von Praxen in unterversorgten Gebieten zur zweitbesten Maßnahme für die Sicherstellung der medizinischen Versorgung – nach einer verbesserten Vereinbarkeit von Familie und Beruf (95 %).

Ärztemangel: Das Allheilmittel fehlt.

Allerdings zeigen die Förderangebote für Vertragsärzte nur zum Teil Wirkung. Ein Allheilmittel fehlt. Breite Bündnisse bis in die Kommunalpolitik Beispiel Sachsen: Im Jahr 2009 wurde das Netzwerk „Ärzte für Sachsen“ gegründet, um die Maßnahmen gegen den drohenden Ärztemangel zu koordinieren und langfristig neue Ärzte für den Freistaat zu gewinnen.


Beteiligt sind 135 Partner, darunter über 60 Krankenhäuser und MVZ, 25 ärztliche Berufsverbände und medizinische Fachgesellschaften, 27 Städte, Gemeinden und Landkreise, fünf Krankenkassen sowie die Medizinischen Fakultäten der Universitäten Dresden und Leipzig. Die Allianz ist Ansprechpartner für Ärzte, Medizinstudierende und Schüler.

Netzwerklücken schließen mit unterschiedlichen Anreizen

In Workshops für Bürgermeister, Landräte und Kliniken werden Fördermaßnahmen und Best-Practice-Beispiele vorgestellt sowie die Bedarfsplanung erläutert. Mietfreie Praxisräume, preiswertes Bauland „Mit dem bisherigen Verlauf sind wir sehr zufrieden“, stellt die Sächsische Landesärztekammer fest. Allerdings belegt die Evaluation der Netzwerkarbeit 2010 nur die Vermittlung mehrerer Famulanten, zweier Ärzte in Weiterbildung sowie eines Allgemeinarztes und zweier Fachärzte, die in Gemeinden Versorgungslücken geschlossen haben.

Niederlassung: Investitionskostenzuschüsse bis zu 60 000 Euro möglich

Der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen stellt für eine Niederlassung in von Unterversorgung betroffenen bzw. bedrohten Planungsbereichen Investitionskostenzuschüsse von bis zu 60 000 Euro bereit und garantiert einen Mindestumsatz. Auch ein Zuschuss von 30 bis 50 % der Kosten für Praxisausbau und -umbau ist erhältlich.


Neben Gründungs- und Wachstumsfinanzierungen durch KfW oder Sächsische Aufbaubank gibt es Kommunen und Landkreise, die z.B. Medizinern möblierte Praxisräume zur mietfreien Nutzung oder zinslose Darlehen bis zu 100 000 Euro zur Verfügung stellen oder die den Erwerb von günstigem Bauland anbieten, berichtet Knut Köhler, Pressesprecher der Ländesärztekammer.

Ärztemangel in Sachsen - nicht nur Hausärzte werden gesucht

Dennoch ist die allgemeinärztliche Versorgung in den Planungsbereichen Mittlerer Erzgebirgskreis und Torgau-Oschatz problematisch. Und auch die Krankenhäuser suchen Ärzte. In Sachsen sind neben Hausärzten Chirurgen, Anästhesisten, Internisten und Augenärzte gesucht. In Thüringen wurden durch das im August präsentierte Förderpaket des Landesausschusses der Ärzte und Krankenkassen „zur Sicherstellung von zusätzlichem lokalen Versorgungsbedarf“ nach KV-Angaben exakt fünf Ärzte gefördert: Ein Arzt hat eine Praxis übernommen und erhält hierfür eine Investitionskostenpauschale von 60 000 Euro.


Zusätzlich werden vier Ärzte belohnt, die über das durchschnittliche Aufgabealter von 65 Jahren hinaus weiterhin tätig sind; dafür gibt es 1500 Euro pro Quartal zusätzlich zum Honorar. Die KV schränkt ein, dass das von ihr und den Kassen jeweils hälftig finanzierte Förderpaket nur bis zum 31.12.2011 gilt. „Dadurch können für das Jahr 2012 noch keine Förderzusagen gegeben werden, die für eine längerfristige Planung erforderlich wären.“

Wirksamkeit der Instrumente gegen Ärztemangel noch unklar

Aufgrund der kurzen Laufzeit seit August mag die KV die Wirksamkeit der Instrumente nicht beurteilen. Sie betont allerdings, „dass die Investitionskostenpauschale für niederlassungswillige Ärzte einen Anreiz darstellt“. Und auch Anfragen zur Förderung von Zweigpraxen deuten auf gewecktes Interesse hin.


Sachsen und Thüringer haben übrigens kein Problem damit, dass auch andere Länder versuchen, mit Fördermitteln Mediziner für die ambulante Versorgung zu gewinnen. „Die einzelnen Fördermöglichkeiten der Bundesländer weichen inhaltlich nur gering voneinander ab, sodass der Praxisstandort und der familiäre Hintergrund abschließend für die Wahl des Bundeslandes ausschlaggebend sind“, stellt die KV Thüringen treffend fest.



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