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Arztserien im TV sind gut fürs Image und nützlich

Autor: Dr. Robert Oberpeilsteiner

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Dr. Robert Oberpeilsteiner über Sinn und Unsinn deutscher Arztserien.

Arztserien im Fernsehen sind offenbar der Renner. Ich sage „offenbar“, weil ich sie selbst kaum schaue. Höchstens mal „Dr. House“, wenn ich beim Durchzappen hängen bleibe. Gelegentlich auch eine dieser Notarztserien mit viel Hubschrauber und noch mehr Gebirgspanorama. Vielleicht ist sie ja bei uns über dem Königssee gedreht worden?

Da bin ich nämlich vor gefühlt hundert Jahren auch schon mit dem Heli drüber weggeschwebt. Mit weichen Knien und beleidigtem Magen. Damals flogen wir zu einer Alm, um eine exsikkierte Touristin einzupacken. Was bei der Durstigen aber letztlich den Zusammenbruch verursachte war vermutlich die Enttäuschung, dass die Hütte gemeinerweise auch noch Wasseralm hieß. Aber die Wasseralmbar leider geschlossen hatte.

Zurück zum Thema: Das Deutsche Ärzteblatt hat vor Jahren mal 30 Arztserien ausgemacht. Derzeit, so hat jemand durchgezählt, flimmern vierzehn auf den deutschen Bildschirmen. Dr. House, der mürrische, humpelnde Diagnostiker, dürfte am bekanntesten sein. Die Beliebtheit unseres Berufsbildes sollte uns freuen.

Denn vor einiger Zeit noch sind wir Ärzte ja im Fernsehen gar nicht gut weggekommen. In beinahe jedem zweiten blutrüns­tigen Kriminalstück tauchte ein Arzt – sehr gerne auch Ärztin, noch lieber Tierärztin – als Täter/in auf. Das hat sich, Gott sei Dank, gelegt. Jetzt ist es eher wieder der gehörnte Ehemann, der missratene Sohn oder der Landschaftspfleger, vulgo Gärtner. So wie im richtigen Leben halt.

Serien für gesundheitliche Aufklärung nutzen?

Möglicherweise sind die Weißkittel-Soaps sogar nicht nur gut für unser Image, sondern ganz praktisch nützlich: Hochschulmediziner machten sich im letzten Jahr schlau, was man aus Arztserien lernen könne. Bei einem Chirurgenkongress in Berlin diskutierten sie laut Spiegel-online mit Medienwissenschaftlern, ob man Fernsehserien zur gesundheitlichen Weiterbildung nutzen könnte. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass deutsche Arztserien zu wenig für die gesundheitliche Aufklärung verwendet würden. In den USA funktioniere dies besser.

Aber mit der gesundheitlichen Weiterbildung und dem Fernsehen ist das halt so eine Sache. Bei einer Befragung 2014 zeigte sich ausgerechnet die Serie „Scrubs – die Anfänger“ als die beliebteste Arztserie in Deutschland. Sie wird hauptsächlich von jungen Zuschauern angeguckt. Ja klar, die Kids wollen Unterhaltung und nicht Belehrung. Mit Anfängern als Helden können sie sich besser identifizieren.

Immerhin, in Marburg wird „Dr. House“ seit Jahren in Seminaren für Medizinstudenten verwendet. Deutsche Serien sind dafür offenbar nicht brauchbar. Professor Dr. Marion Esch, Medienwissenschaftlerin an der TU Berlin, nennt sie einen „Süßstoff der Produktionen“.

Einen weiteren positiven Einfluss der US-Serien machte sie am Beispiel der Ermittler von CSI aus: In allen Ländern, in denen diese Serie ausgestrahlt werde, habe die Zahl der Studienanfänger im Fach Forensik zugenommen. Und auch einen Seitenhieb auf die männlich dominierte Serienhie­rarchie bei uns kann sie sich nicht verkneifen: Ein weiblicher Chefarzt sei kaum vorstellbar. Grund sei das altbackene Frauenbild in deutschen Produktionen. „Wenn eine Frau richtig Karriere macht, ist sie schnell eine Rabenmutter.“

Mediendarstellung beeinflusst Patientenwahrnehmung

Fernsehfilme sind so etwas wie eine spielerische, unterhaltsame Illusion  – wenn es gut läuft. Aber eben nur Illusion. Doch so mancher sieht offensichtlich keinen Unterschied zur Wirklichkeit mehr. Befragungen ergaben, nach einiger Zeit wissen viele Fernsehzuschauer nicht mehr, ob Informationen aus einem Spielfilm oder aus dem wirklichen Leben stammen.

Das erinnert so ein bisschen an ein älteres Ehepaar: „Sag mal Schatz, hast Du mir das gesagt oder war es im Fernsehen?“ Also bitte nicht überheblich werden, wenn ein Patient von einer Fernsehdiät schwärmt. Vielleicht sind es die eigenen Ernährungsempfehlungen aus seinem letzten Sprechstundenbesuch. Schlaue, kulturkritische Bemerkungen zu Arztserien sollten wir ohnehin lieber den Medienprofis überlassen.

Denn Arztfilme sind ja nicht für Ärzte gemacht. Sondern sie zeigen, wie Zuschauer die Ärzte gerne hätten. Oder etwas genauer: wie Fernsehmacher glauben, dass Zuseher Ärzte gerne hätten. Außerdem soll ein Arztschinken spannend sein, daher wird jede noch so popelige Operation zu einem Ereignis auf Leben und Tod.

Was wiederum unmittelbare Auswirkungen auf unsere Patienten hat. Man hat nämlich bei Befragungen herausgefunden, dass Vielseher mehr Angst vor medizinischen Routineeingriffen haben als die eher tv-enthaltsamen Zuschauer.

Zum Schluss noch eins drauf: Intellektuelle – wozu ich uns Ärzte zähle, was hoffentlich niemanden befremdet – gucken unterdurchschnittlich wenig solche Serien. Überdurchschnittlich oft freilich wollen sie dies nicht zugeben. Was schließen wir jetzt daraus über ihren/unseren Seelenzustand? Psychologen, bitte melden! Puh, genug der Statistiken.

Also, wäre ich Drehbuchautor, würde ich so beginnen: Ein Rettungshubschrauber schwebt über dem Matterhorn. Die Sonne geht gerade schlafen. Am Haken des Bergdoktors zappelt Dr. House. Noch in der Luft protestiert er, man müsse gefälligst noch mal umkehren, weil er seinen Gehstock in der Gletscherspalte vergessen hat. Schließlich sei er amerikanischer Staatsbürger und bestehe auf seinen Rechten.

Der Notarzt, der ihn Huckepack genommen hat, sieht verdammt nach Omar Sharif aus: glutäugig, schwarzes Haar, dicker Schnauzbart, Wollmantel. Jetzt zieht er eine Wodkaflasche aus der Manteltasche ... Oder so ähnlich.

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