
Vorschläge gegen den Flaschenhals BDI verfasst Positionspapier zur Patientensteuerung

Wenn Eingriffe des Gesetzgebers dräuen, ist es ratsam, eine gefestigte Meinung zu haben. Dafür verfassen Interessenverbände „Positionspapiere“. Auch der Berufsverband Deutscher Internistinnen und Internisten (BDI) hat das getan – für zwei grundlegende Bereiche: das avisierte Primärarztsystem und die Sicherung der Gesundheitsversorgung.
Beim Primärarztsystem neigt der Berufsverband zur Position von KBV und KVen: Hausärztinnen und -ärzte dürfen nicht zum Flaschenhals in der Versorgung werden. Deshalb erscheint eine Verpflichtung, alle Versicherten zunächst durch eine Hausarztpraxis zu schleusen, nicht sinnvoll. Wie bereits in der Notfallversorgung erprobt, brauche es auch in der Regelversorgung eine strukturierte Ersteinschätzung – digital gestützt, durch geschultes Personal begleitet, flächendeckend. Ziel ist es, den Behandlungsbedarf frühzeitig zu erfassen und die Patientinnen und Patienten direkt in die passende Versorgungsebene zu lenken.
„Chronisch schwer Erkrankte benötigen in der Regel eine spezialisierte und kontinuierliche fachärztliche Betreuung“, schreibt der BDI. Für diese Patientengruppen, z. B. Dialysepflichtige, Menschen mit Typ-1-Diabetes oder schwerer Herzinsuffizienz, sollte die behandelnde (internistische) Fachärztin bzw. der Facharzt die Versorgung koordinieren.
Versicherte müssen sich auf eine Praxis festlegen
Bei Vorsorgeuntersuchungen wie der Koloskopie oder Mammografie bedürfe es ebenfalls keiner hausärztlichen Steuerung. Ebenso wenig bei einer fachärztlichen Weiterbehandlung mit klarer Überweisung aus dem Krankenhaus, z. B. nach einer Krebserkrankung.
Um Mehrfachinanspruchnahmen zu vermeiden, sollten sich Patientinnen und Patienten für eine definierte Zeitspanne auf eine primärärztlich tätige Praxis festlegen. Diese fungiere als erste Anlaufstelle, die den Behandlungsbedarf einschätzt und ggf. Versicherte überweist. Klar ist sowieso: „In einem qualitätsorientierten Primärarztsystem hat eine pauschale Budgetierung keinen Platz.“
BDI-Präsidentin Christine Neumann-Grutzeck wünscht sich eine rasche Notfallreform. So lasse sich feststellen, wie gut es mit der Ersteinschätzung und der Vermittlung in die passende Ebene klappt. Um Verbindlichkeit bei der Wahl einer primärärztlichen Praxis herzustellen, biete sich auch ein Bonus- oder Malussystem an, meint sie.
Der schwarz-roten Koalition schwebt vor, das Primärarztsystem sowohl kollektiv- als auch selektivvertraglich zu ermöglichen. Der Hausärztinnen- und Hausärzteverband verweist auf die erfolgreiche Kombination von HzV und Facharztverträgen in Baden-Württemberg. Das sei eine Blaupause für Deutschland. Das bejaht auch BDI-Vizepräsident Dr. Norbert Smetak, der in Führungsgremien von MEDI und SpiFa mitwirkt. Er bestätigt, dass die beiden Verbände an einem Konzept arbeiten, um solche kooperativen Facharztverträge aus der Nische zu holen.
Oft heißt es, dass bei den Reformnotwendigkeiten im Gesundheitswesen kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem bestehe. Das sieht PD Dr. Kevin Schulte, 2. BDI-Vizepräsident, nicht ganz so. Trotz der Auswertungen von Krankenkassen und dem Zentralinstitut der KBV und KVen sei man bezüglich der Versorgungssituation „verhältnismäßig blind“. Aber wie will man bei wachsendem Betreuungsbedarf und sinkenden Arztressourcen planen und steuern, wenn Zusammenhänge unklar sind? Der Verband wünscht sich deshalb eine Stärkung der internistischen Versorgungsforschung an den medizinischen Fakultäten.
Außerdem fordert er „alle Akteure auf, realistische und qualitätsgesicherte Leistungsversprechen abzugeben“. Versprechen wie eine Termingarantie seien zwar „ein schönes Narrativ, aber nicht umsetzbar“, so Dr. Schulte. Die Politik dürfe bei den Versicherten auch nicht den Eindruck erwecken, die Gesundheitskarte öffne den freien Zugang zu allem, was man sich wünschen mag. Im Positionspapier heißt es: „Es ist unerlässlich, dass alle Akteure im Gesundheitswesen Leistungsangebote entwickeln, die sich an den tatsächlich verfügbaren Ressourcen orientieren.“
Auch bei Podiumsdiskussionen im Rahmen des BDI-Hauptstadtforums ging es um Patientensteuerung und Versorgungssicherheit. Prof. Dr. Hans Theiss, Kardiologe und CSU-Bundestagsmitglied, erinnerte an die relativ vielen Arzt-Patienten-Kontakte in Deutschland, die sich allerdings nicht in einer längeren Lebenserwartung niederschlagen.
„Eigenverantwortung“ meint auch „Selbstbeteiligung“
Der Abgeordnete betonte, dass die Zeiten ernst sind und Reformen weh tun werden. Staat, Krankenkassen, Ärzteschaft, Apotheken – alle müssten sich bewegen und nicht auf Besitzstandwahrung pochen. Natürlich befürworte die Mehrheit der Versicherten keine Eigenbeteiligung. Doch sie sollen mehr „Eigenverantwortung“ übernehmen. Prof. Theiss rechnet damit, dass das Primärarztsystem 2026 auf die Agenda kommt.
Quelle: BDI-Hauptstadtforum