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Beim Impfen versagt meine ärztliche Logik

Autor: Dr. Cornelia Tauber-Bachmann

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Dr. Cornelia Tauber-Bachmann beobachtet bei Ihren Patienten die unterschiedlichsten Meinungen zur Impfung. Der "Ratsuchende" ist dabei Balsam für die ärztliche Seele.

Sie wollen mich doch nicht gleich impfen!“ Völlig entgeistert starrt mich die ältere Patientin bei dem Vorschlag an, zum geplanten Check-up ihren Impfpass mitzubringen. Während ich erkläre, doch nur nachschauen zu wollen, ob sie ausreichend geimpft sei, und falls nötig, ihr eine Impfung oder Auffrischung vorschlagen würde, seufzt sie hörbar und meint: „Na gut, aber impfen lasse ich mich auf keinen Fall!“ Ich versichere, dass dies allein ihre persönliche Entscheidung sei. Natürlich.


Szenenwechsel: Am nächsten Tag kommt ein dynamischer Endsechziger in die Nachmittagssprechstunde. Er will in zwei Monaten in den Sudan reisen, um dort beim Aufbau eines Handwerksbetriebs zu helfen. Als ich ihm die verschiedenen Impfungen darlege und gerade die Unterscheidungen von „notwendigen, wichtigen und fakultativen Impfungen“ ausführen will, bemerkt er kurz: „Ich nehme alle.“ So fahren wir zügig fort, die Impftermine festzulegen. Was für ein Unterschied!

Haben Impffreunde nur mehr Angst vor Krankheit?

Schon oft habe ich versucht, Patienten einzuteilen in Impfgegner, Impffreunde und Unentschlossene. Haben Patienten der gleichen „Kategorie“ auch gleiche Beweggründe oder hängen sie unterschiedlichen Motiven nach? Also: Tummeln sich unter Impfgegnern die Ängstlichen, die sich von allen möglichen Warnungen über Nebenwirkungen und Impffolgen abschrecken lassen? Oder sind Impfgegner eher Menschen, die wenig auf ihre Gesundheit achten und sich eine Krankheit in ihrem Leben überhaupt nicht vorstellen können.


Und die Impffreunde: Haben sie wiederum solche Angst, krank zu werden, dass sie sich vor allen möglichen Erkrankungen schützen und impfen lassen? Vielleicht gehören zu den Impffreudigen auch Menschen, die jede Krankheit als persönliche Beleidigung empfinden und deshalb vorbeugen? Und was ist mit den „Draufgänger-Typen“, die ja nie krank werden! Und welcher Kategorie würden dann jene angehören, die einen „gesunden Mittelweg“ bevorzugen – also impfen, was nötig ist, und lassen, was nicht unbedingt nötig ist? Und wohin gehören – grob gesagt – die Spinner, die zu extremen Ansichten neigen? Tja, die Einteilung in „Schubladen“ will mir nicht so recht gelingen...

Bei Diabetes super gewissenhaft, aber impffaul...

Die eher impfscheue, ältere Patientin jedenfalls kenne ich schon seit mehr als zehn Jahren. Sie kommt zuverlässig zu ihren Kontrolluntersuchungen, was ihren Diabetes mellitus und ihren Hypertonus betrifft. Auf beides achtet sie mit bewundernswerter Disziplin: So ist der Dia­betes immer noch gut eingestellt – allein mit Diät und Bewegung –, ihr Gewicht ziemlich konstant und die Blutdruckmedikation musste ich schon seit Jahren nicht mehr „nachjustieren“. Aber alles, was aus dem üblichen Rahmen fällt, auch eine kardiologische Untersuchung in der nahen Kreisstadt, verweigert sie mit Bemerkungen wie „Am Herzen hab ich nix“ und „Was soll das bringen?“. Am liebsten bleibt sie in ihrem Dorf, malt und pflegt den Garten. Also Kategorie „ängstlich-besorgt“.


Der Endsechziger ist zwar etwas rastlos, dafür aber schwungvoll und  unternehmungslustig und bringt sein Wissen gerne noch anderen, vor allem jungen Leuten bei. Seine Arthrose ignoriert er soweit möglich und außerdem „wird sie in Afrika sowieso besser“, sagt er. In die Sprechstunde kommt er nur, wenn ich mich weigere, ihm ohne weitere Kontrolle seine Hochdruckmedikamente zu rezeptieren. Also Kategorie „Krankheitsverweigerer“.

Ratsuchende streicheln meine ärztliche Seele

Aber es gibt ja auch noch die „Ratsuchenden“! Sie wollen wirklich eine Beratung. Sie schätzen das ärztliche Wissen und überdenken die vorgebrachten Argumente. Sie fragen nach und entscheiden sich nach der Beratung. Das allerdings sind Highlights! Sie streicheln die ärztliche Seele und wenn ein solches Gespräch stattgefunden hat, ist der Tag für die geplagte Ärztin gerettet.

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